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Richtige Bildbearbeitungssoftware und bestes Bildformat?

Richtige Bildbearbeitungssoftware und bestes Bildformat? Derzeit ist es schwer, an Adobes Thron zu wackeln …
Richtige Bildbearbeitungssoftware und bestes Bildformat? Derzeit ist es schwer, an Adobes Thron zu wackeln …

Welche Bildbearbeitungssoftware ist die richtige und welches Bildformat das beste?

Eine gar nicht so seltene Frage in Foren, Facebook und Mails ist „Hallo, am kommenden Wochenende fotografiere ich XY (von einer Freundin bis hin zu einer kompletten Hochzeit). Muss ich in Raw fotografieren? Und ich habe noch nicht viel Erfahrung mit der Bildbearbeitung. Welche Software soll ich nutzen?“

Auf die angesichts dieser Frage wahrscheinlich ruinierte Hochzeitsdokumentation gehe ich gar nicht erst ein, sondern nur auf die Frage nach dem Format und der Software.


Richtige Bildbearbeitungssoftware und bestes Bildformat? Lightroom oder Photoshop?


Sehr oft wird gefragt, was denn besser sei: Lightroom oder Photoshop? Natürlich – das sind die Platzhirsche, aber bei der Fragestellung wird schon offensichtlich, dass vielen Anwendern der Unterschied zwischen diesen beiden Programmen überhaupt nicht klar ist. Adobe macht es den Einsteigern beim Erkennen der Unterschiede aber auch nicht einfach: Denn zum einen gibt es beide Programme gemeinsam in einem CC-Foto-Abo-Paket für nur etwas über einen Zehner pro Monat, zum anderen heißt Lightroom inzwischen „Adobe Photoshop Lightroom“.

Dabei hat Lightroom mit Photoshop (beinahe) nichts außer den zugrunde liegenden Raw-Entwicklungsalgorithmen (= Camera Raw) gemeinsam. Lightroom bietet deutlich bessere Bildsichtungs- und Verwaltungsfunktionen (Bildvergleiche, Gesichtserkennung, extrem schnelle, hierarchische Stichwortvergabe-Möglichkeiten, Geo-Mapping, Virtuelle Kopien …). Die Raw-Entwicklungsqualität ist aber die gleiche, der Workflow im Detail jedoch ziemlich unterschiedlich (vergleichen Sie zum Beispiel Lightrooms »Teiltonung«, die ich in einem Basic-Tipp in der kommenden DOCMA 74 vorstelle, mit den vergleichsweise Oldschool-Schieberegler-Möglichkeiten in Camera Raw.

Mit Lightroom beziehungsweise Bridge/Camera Raw kann man also genau dasselbe erzielen. In Lightroom funktioniert einiges deutlich einfacher und braucht teilweise weniger Klicks für das Gleiche. In Lightroom wechseln Sie zwischen dem »Bibliothek“- und dem »Entwickeln«-Modul und müssen zum Synchronisieren von Einstellungen nur einen Knopf klicken. In Photoshop geht das so nicht, denn da müssen Sie den mitgelieferten Dateibrowser „Adobe Bridge“ nutzen, aus dem Sie »Camera Raw« starten, Einstellungen übertragen und löschen können. Das läuft dort aber über das Rechtsklick-Menü anstatt über eine Schaltfläche.

Richtige Bildbearbeitungssoftware und bestes Bildformat? Sterne, Flags, Farmarkierungen … in Lightroom gibt es eine ganze Reihe von praktischen Markierungsmöglichkeiten.
Richtige Bildbearbeitungssoftware und bestes Bildformat? Sterne, Flags, Farbmarkierungen … in Lightroom gibt es eine ganze Reihe von praktischen Markierungsmöglichkeiten. Die gibt es aber auch in Bridge. Dort gibt es aber vieles andere nicht.

Der Vergleich zwischen Photoshop und Lightroom läuft im Endeffekt nur darauf hinaus, ob man eine datenbankbasierte Lösung ( = langsamer beim Import, schneller bei der Anzeige/Suche; = Lightroom) oder eine browserbasierte Lösung ( = schneller Import, aber langsamere, ordner-übergreifende Anzeige/Suche) will.


Bestes Bildformat? Muss es Raw sein?


Das Raw-Format (kleine Bitte an alle: „Raw“ ist kein Akronym; das heißt, es wird anders als JPEG, PNG, GIMP, PSD … nicht in Versalien geschrieben) bietet sehr viele Vorteile, ist aber sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss für jeden Anwender. Bei Familien-, Urlaubs- und Schnappschuss-Fotos unter einfachen Lichtverhältnissen braucht niemand das Raw-Format. Aber wer sich grundsätzlich fragt, ob er dieses Format denn braucht, wird es wahrscheinlich tatsächlich brauchen, da der höhere Dynamikumfang deutlich mehr Spielraum in der Nachbearbeitung völlig fehlbelichteter Aufnahmen bietet. Das Fotografieren in Raw ist also eigentlich perfekt für Foto-Anfänger. Paradoxerweise richtet sich das Raw-Format dennoch eher an fortgeschrittenere Anwender, denn kaum ein blutiger Anfänger wird mal eben das Raw-Foto in Kontrast und Farbe besser abstimmen, als das, was die Kamera automatisch als JPEG ausspuckt. Denn hinter dem Letzteren steckt natürlich gar nicht wenig Gehirnschmalz von sehr vielen Programmierern und Testern der Hersteller-Firmen. In Lightroom und Camera Raw gibt es da unter »Kamerakalibrierung« nachempfundene Profile, aber die muss man als Einsteiger erst mal finden. 😉

Ich spare Ihnen hier die unnötig-unsäglichen Vergleiche, die Sie zu Hunderten in Foren und Facebook-Posts finden. Kurzfassung: JPEG ist schnell, gut und schön, mit Raw holen Sie bei Bedarf aber in jedem Fall deutlich mehr aus einem konkreten Foto heraus.


Richtige Bildbearbeitungssoftware? Muss es Adobe sein?


Natürlich gibt es nicht nur Lightroom und Photoshop auf dem Markt. Fast jede Kamera wird mit einem Raw-Konverter des Kamera-Herstellers ausgeliefert, mit dem Sie die Raw Ihrer Kamera optimieren können (bei Canon beispielsweise Digital Photo Professional (DPP)). In der naturgetreuen Wiedergabe der Farben sind diese Hersteller-Konverter den Nachkoch-Rezepten von Adobe Camera Raw und anderen Raw-Engines oft (ein wenig) überlegen. Aber leider oft auch sehr hakelig, lahm und in der Tiefen/Lichter-Optimierung Camera Raw, Capture One und Co. deutlich unterlegen.


Richtige Bildbearbeitungssoftware? Muss man mit Adobe anfangen?


Heute ist es tatsächlich am einfachsten und – im (legalen) Vergleich zu früher – am billigsten direkt mal mit Lightroom und Photoshop anzufangen. In DOCMA und im Netz geht es wohl zu über 90 % nur um Lightroom und Photoshop. Direkt damit einzusteigen fällt so am einfachsten, weil man viele Schritte eins-zu-eins nachklicken kann.

Muss man das aber? Nein!

Meine erste Bildbearbeitungssoftware etwa war der Picture Publisher. Die CDs liegen noch irgendwo in einem Schubfach. Die Software kannte keine Ebenen, sondern nur schwebende Auswahlen (mit diesen kann man übrigens auch heute noch in Photoshop genauso arbeiten; und die sind tatsächlich noch dann und wann praktisch). Es war (vor zwölf (?) Jahren) für mich ein ziemlicher Kampf, meine Omi in meiner ersten Bildmanipulation an den Dreh-Pilz zu hängen und die Person aus der originalen Position wegzustempeln.

Meine erste halbwegs vorzeigbare Bildretusche mit Picture Publisher (8?) vor gefühlt "mion" Jahren (tatsächlich wohl vor 12-14). Keine Ebenen. Nur schwebende Auswahlen. Originalgröße (vermute ich – weil ich keine größere Version gefunden habe). Der Picture Publisher hatte damals schon viel bessere Blendenflecke als der entsprechende Filter in Photoshop heute. Hi hi.
Meine erste halbwegs vorzeigbare Bildretusche mit Picture Publisher (8?) vor gefühlt „mion“ Jahren (tatsächlich wohl vor 12 bis 14 Jahren). Keine Ebenen. Nur schwebende Auswahlen. Originalgröße (vermute ich – weil ich keine größere Version gefunden habe). Der Picture Publisher hatte damals schon viel bessere Blendenflecke als der entsprechende Filter in Photoshop heute. Hi hi.

Nur weil ich mir bei bei den nachfolgenden Bildbearbeitungen wünschte, dass all das doch irgendwie einfacher gehen müsste, fing ich an, nach einer leistungsfähigeren Software zu suchen. Dabei stellte ich dann fest, dass der Stand der Dinge wohl dieses komisch-olle Photoshop 7 war, das ich nur als Scanner-Software an der Uni nutzte. Ich hatte dann doch schnell verstanden, dass Photoshop eben nicht nur eine TWAIN-(R.I.P.!)-Schnittstelle war, sondern dank seiner Ebenen und Einstellungsebenen genau das war, was ich gesucht (genauer gesagt:was mir gefehlt) hatte. Da war die dann tatsächlich aktuelle Version, die ich mir als Student dann vom Munde absparte, aber doch schon CS2 (zum Glück, denn in Photoshop CS2 wurde das Ebenenhandling deutlich vereinfacht und Smartobjekte eingeführt).

Die Software spielt also eigentlich gar keine Rolle, solange Sie sich damit wohl fühlen und damit relativ bequem die Ergebnisse erzielen, die Sie erreichen wollen.


Aber was ist denn jetzt die beste Software?


Ohne jede Erfahrung in der Bildbearbeitung werden Sie wahrscheinlich Tutorials nachklicken (müssen) – und bei Tutorials spielt der optimale Workflow sehr oft keine Rolle, solange irgendwie das Bearbeitungsziel erreicht wird. Das Programm ist ausgehend von der Ausgangsfrage also ziemlich wurst. Lightroom, Photoshop, Capture One, Affinity Photo & Co. … all diese Programme können Sie nutzen, solange Sie einzelne Tutorials nachklicken. Dabei bemerken Sie dann irgendwann Vorlieben und Dinge, die Sie stören, die Ihnen fehlen und so weiter.

Als Einsteiger kann man das noch nicht beurteilen. Fortgeschrittene Anwender sind dagegen oft schon zu sehr auf ihre langjährig eingesetzte Softwarelösung eingeschossen, um sich auf etwas Neues einzulassen. Jemand, der in seinen Gewohnheiten gefangen ist, erkennt oft gar nicht, was ihm entgeht – oder wie umständlich er eigentlich vorgeht. Und der eine braucht tatsächlich alle Funktionen, der andere nur einen Bruchteil davon. Aber genau DAS kann niemand für Sie persönlich festlegen – das müssen Sie schon selbst für sich herausfinden.


Die Alternativen


Denn so sind etwa die Live-Filter-Ebenen im beispielsweise von mir sehr geschätzten, aber noch in den Kinderschuhen steckenden, Affinity Photo wirklich großartig, kosten aber viel mehr Performance als die auf Smartobjekte in Photoshop angewendeten Filter. Auch bieten Sie nicht die Möglichkeit, die Inhalte mal eben in der Datei oder verlinkt (geschweige denn geräte-übergreifend weil optional cloud-basiert) zu platzieren und zudem nachträglich Inhalt und Farbraum zu tauschen. Nun fragen sich wahrscheinlich auch einige Photoshop-Anwender, was ich damit meine, wozu das gut ist und überhaupt. Wenn Sie sich auch diese Frage stellen, sind Sie vielleicht kein langjähriger Leser meiner DOCMA-Artikel oder Sie benötigen diese großartigen Möglichkeiten tatsächlich nicht für Ihre persönlichen Workflows. In dem Fall reichen dann vielleicht wirklich die derzeitigen Möglichkeiten von Affinity Photo aus.

Nur am Rande: Die meiner Meinung nach genialste Software ist derzeit ZBrush. In der Kombination mit Keyshot ist die noch viel genialer. Nie davon gehört? Nie davon gelesen? Oha! – Sie sehen: Alles ist relativ! 😉 Es gibt eben keinen Absolutheitsanspruch. Es geht nur darum, was Sie persönlich benötigen, verstehen und anwenden können. Damit schlage ich die Brücke zu meinem letzten, kontrovers-polemischen Blogbeitrag.

Liebe Grüße,

Olaf

Olaf Giermann
Olaf Giermann
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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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5 Kommentare

  1. Lightroom oder Photoshop? Sehr schön …
    Sicher, ein Bildbearbeiter kann vieles schon LR erledigen, braucht letztlich aber doch PS. Allein mit LR ist nicht zu erreichen, was PS schafft. Hingegen kann PS alles, was mit LR – zugegeben manchmal schneller – zu erreichen ist.
    Das Ganze nur auf Bequemlichkeit und scheinbare Schnelligkeit zu reduzieren, trifft insofern wohl nicht den Kern.
    Es sind eher die zu erledigenden Aufgaben. Falls Gesichtserkennung, Geo-Mapping, und virtuelle Kopien dazugehören, ja, dann benötigt man zusätzlich LR. 🙂

  2. [quote]Allein mit LR ist nicht zu erreichen, was PS schafft. Hingegen kann PS alles, was mit LR – zugegeben manchmal schneller – zu erreichen ist.[/quote]
    kann man so sehen. kann man aber auch genau anders herum sehen. ich nutze mittlerweile PS nur noch zu gefühlt 2,13%, alles andere mache ich mit LR.

    [quote]Das Ganze nur auf Bequemlichkeit und scheinbare Schnelligkeit zu reduzieren, trifft insofern wohl nicht den Kern.
    Es sind eher die zu erledigenden Aufgaben. [/quote]
    den stimme ich zu.

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