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KI-Verdacht: Unechte Videos im Faktencheck und echte Fotos in Wettbewerb disqualifiziert

KI-generierte Bilder werden immer besser. Sie sind schon so gut, dass selbst Fotos inzwischen als KI-generiert wahrgenommen werden. Kann man nichts mehr glauben? Wie ändert das unsere Wahrnehmung von Bildern?

KI-Verdacht: Unechte Videos im Faktencheck und echte Fotos in Wettbewerb disqualifiziert
© Suzi Dougherty
© SNICKERS für Linkshänder

KI-Verdacht: Echt?

Ob eine Abbildung echt oder gefälscht ist, ließ sich auch schon vor den massiven Fortschritten der generativen künstlichen Intelligenz im letzten Jahr nie wirklich genau sagen:

  • Als Bildbearbeitungsexperte konnte man verfälschende Bearbeitungen von Fotos oft leicht an schlampigen Freistellern, unstimmigen Schatten/Farben/Details, mehr oder weniger auffälligen Stempel-Wiederholungen und ähnlichen Retusche-Sünden erkennen. Denn nicht wenige Fälscher (ob aus Spaß- oder Propaganda-Gründen) sind und waren gut genug, „erfahrene Augen“ zu täuschen. Selbst hervorragende Montagen lassen sich durch Bildanalyse als solche identifizieren, sofern das Bild nicht weichgezeichnet und mit Rauschen überlagert wurde.
  • Als KI-Experte musste man bislang oft nur die Anzahl der Finger zählen oder auf deformierte Augen achten, um ein KI-generiertes Bild als solches zu identifizieren. 😉


Das gilt heute schon nicht mehr. Deshalb sind immer Zweifel angebracht.

Das hat auch etwas Gutes: Betrachter sind mehr denn je dazu gezwungen, das Gesehene zu hinterfragen.

Bei einigen satirischen Bildern und Videos ist die Fälschung offensichtlich. So würde etwa Kanzler Scholz kaum über den Marvel-Schurken Thanos eine so (herrliche!) Rede halten wie hier:

https://twitter.com/snicklink/status/1693167954764939307

Sie sehen aber, wie echt das schon wirkt – inklusive Stimmlage. So echt, dass es offenbar einen Faktencheck benötigt:

Aber wissen Sie was? Auch dieser Faktencheck ist nicht echt und existiert auf correctiv.org nicht. So lustig es zunächst scheint, beeinträchtigen solche Fälschungen auch die Meinung unbedarfter Menschen zu eben solchen Faktenchecker-Portalen. Denn: Muss so etwas offensichtlich Satirisches tatsächlich überprüft werden? Welcher Mensch nähme das gefälschte Video überhaupt für bare Münze? Man würde doch geradezu für dumm verkauft, wenn einem das erklärt wird. Im ständigen Informationskrieg der Großmächte sind solche Meinungsbeeinflussungen natürlich ein gutes Mittel, um Misstrauen zu säen – wobei nicht jeder Satiriker automatisch von Russland oder China oder den USA bezahlt wird, wie es immer wieder gern und schnell (insbesondere auf Tw… ähm … X) unterstellt wird.

KI-Verdacht: Fälschung?

Hier geht es aber um ein passendes, neues Beispiel zu meinem Blogbeitrag „Wenn die Realität für künstlich gehalten wird“. Und zwar: Ein ehrliches Foto wurde fälschlicherweise für ein KI-Bild gehalten und in einem Fotowettbewerb von Charing Cross Photo, einem Geschäft in Sydney, disqualifiziert. Die ganze inzwischen schon etwas ältere Story über diesen KI-Verdacht lesen Sie auf PetaPixel.

Instagram-Post:

„In our most recent photo competition, CCP received an image that first intrigued all the judges and then suspicion set in so we decided not to include the photo for judging.“

© Suzi Dougherty
© Suzi Dougherty

Dieses Foto wurde also zunächst in die nähere Auswahl genommen, dann aber als KI-generiert verdächtigt und aussortiert. Viele Leser fragten sich, ob man nicht einfach den Fotografen hätte kontaktieren können. Aber ich weiß vom DOCMA-Award-Ablauf, dass faire Wettbewerbe möglichst anonym ablaufen und der Zeitplan der Wertungsrunden ziemlich straff ist. Insofern verstehe ich die Entscheidung schon.

Wohin das alles führt

Die Entscheidung emblematisch für ein Problem, das wir alle in Zukunft haben könnten: Fotos und Bilder, in die – ganz ohne KI – viel Arbeit gesteckt wurde, könnten als fake verdächtigt und aussortiert werden. Im schlimmsten Fall senkt schon allein der Gedanke, dass etwas doch ganz einfach per KI gemacht worden sein könnte, bereits den Wert eines Bildes im Auge des Betrachters. So wurde auch schon jemand aus einer großen Illustrations-Gruppe auf Facebook geworfen, dem man KI-Generierung unterstellte, weil die Bilder einfach „zu gut“ waren. Er hat dann nachträglich auf anderen Kanälen seinen Zeichen- und Malprozess gezeigt und bewiesen, dass es sich eben tatsächlich nicht um KI-Bilder handelte. Leider finde ich die Links zu der Story nicht mehr.

Schuld ist nun nicht der Computer oder die KI an sich, sondern die menschliche Voreingenommenheit und vor allem die menschlichen Betrüger, die sich mit KI-Bildern in Fotowettbewerbe mogeln. Hier muss natürlich der Betrugsversuch aufgedeckt werden. Bedauerlicherweise wird es dabei immer wieder falsche Treffer geben, die zum Aussortieren echter Fotos führen.

Wie sich das noch weiter auswirkt und wie man mit einem KI-Verdacht umgeht, wird die Zukunft zeigen. Die Wahrnehmung von Bildern und Videos hat sich durch KI aus meiner Sicht bereits nachhaltig verändert.

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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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Kommentar

  1. Das halte ich für kaum ein Problem. Ich steh eh nicht auf zu retuschierte Fotos, halte das auch nicht für erstrebenswert. (das nur am Rande). Viel mehr ist es ein Problem, mit den KI’s konkurrieren zu müssen. Es gibt fast kaum noch Ausstellungen, wo nicht KI’s gefördert werden. KI’s werden inzwischen eben bevorzugt, anstatt das Handwerk zu schätzen. Als nicht Photoshoper und klassischer Fotograf und Künstler hat Mensch dann ein schweres Leben. Aber wer hat denn auch schon Lust an einem Foto 20 – 40 Stunden zu sitzen um daraus eine virtuelle Realität zu schaffen….. Mal abgesehen, das Kunden das ja auch nicht bezahlen. Kunstwerke sollten einzigartig sein und nicht von C&A. Jeder Fotoabzug von mir ist einzigartig, es ist ein Unikart und lässt sich nicht wiederholen.

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