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Bildkritik: Billige und teure Montagefehler

Wenn Sie glauben, schlimme Montagefehler gäbe es nur bei den unterbezahlten Grafikern von Möbel- und Baumarktprospekten, so irren Sie sich. Selbst mit hochspezialisierter 3D-Software schaffen es manche Leute offenbar, die Perspektive zu ignorieren. Doc Baumann nimmt diesmal zwei Bildmontagen auseinander zum Thema „Pfusch am Bau(ch)“. Eine weitere Einsendung dagegen spricht er vom Pfusch-Vorwurf frei.

Bildkritik: Billige und teure Montagefehler
Montagefehler: Pool-Projekt über London mit falscher Perspektive

Unseren ersten Montagefehler entdeckte Horst Fenchel aus Marburg: „Von Architekten sollte man eigentlich keine bildkritik-würdige Montage erwarten. Jaja, die lieben Fluchtlinien und der Horizont. Und abgesehen davon: wie kommt man ins Becken rein und wieder hinaus? Per Hubschrauber?“

Nun, solchen konstruktiven Kleinigkeiten möchte ich mich hier nicht zuwenden, dafür bin ich nicht zuständig. (Eine Antwort findet sich übrigens auf dieser Webseite.)

Zum allerselbstverständlichsten Grundwissen für Grafiker gehört die Binsenweisheit, dass – zum Boden parallele – Kanten von kubischen Objekten, durch Fluchtlinien verlängert, sich auf dem Horizont treffen. Eigentlich „weiß“ 3-D-Software so etwas von Hause aus, selbst wenn ihre Benutzer von dieser Tatsache noch nichts mitbekommen haben sollten. Dennoch haben die Monteure es in diesem Fall geschafft, dass die Fluchtlinien erst weit, weit oben am Himmel zusammenlaufen. (Die falschen sind hier cyanblau, richtig wären die orangefarbenen.)

Bildkritik: Billige und teure Montagefehler
Montagefehler: Die – falschen – Fluchtlinien (cyanblau) treffen sich weit über dem Horizont; die richtigen würden etwa so aussehen (orange)

Das ist in diesem Fall besonders tragisch. Bei einem Flachdach etwa könnte man sich bei diesem Montagefehler ja immer noch damit herausreden, das sei eben nicht waagerecht, sondern falle nach vorn schräg ab. Nur sind Wasseroberflächen nun einmal von Natur aus waagerecht, sonst würde der imposante Dach-Pool nämlich überlaufen. Es gehört ja ohnehin schon etwas Mut dazu, bei diesem in London geplanten Projekt so weit oben, mit durchsichtigen Seitenwänden und Poolboden, zu plantschen. Aber wenn der Boden dann auch noch ziemlich schräg ist …

Wie der Pool ungefähr aussehen sollte, zeigt meine Korrektur unten (nur mal so grob auf die Schnelle; natürlich sind die ergänzten Gebäude im Hintergrund, wo sonst nichts zu sehen gewesen wäre, Pfusch!)

Bildkritik: Billige und teure Montagefehler
Montagefehler: Mal ganz grob auf die Schnelle: So ungefähr wäre die korrekte Perspektive des Pools

Montagefehler: Pfusch am Bauch

Zur Kategorie der eher billigen Alltags-Montagefehler zählt dagegen das Bild der Bestway-Wasserrutsche, das mir (DOCMA-Sponsor) Stefan Schmitt aus Bremen gemailt hat.

Das ist mal wieder ein Beispiel, bei dem man sich fragt: Erstens, warum wurde die Szene nicht einfach fotografiert? Zweitens: Wenn schon Montage, warum dann nicht richtig? Das hätte doch auch nicht mehr Arbeit gemacht.

Bildkritik: Billige und teure Montagefehler
Montagefehler: Unsinnig eingefügter Junge auf einer Wasserrutsche

Man hätte lediglich den Jungen ein wenig von der Vorderwand der Rutsche verdecken lassen müssen und ihn eine Armlänge weiter nach links schieben müssen, damit das aufspritzende Wasser tatsächlich einigermaßen plausibel erscheint. Auch hier habe ich eine Quick-and-Dirty-Korrektur angehängt, die wenigstes näherungsweise zeigt, wie das aussieht. Die Mehrarbeit ergab sich hier lediglich dadurch, dass das ursprüngliche Ausgangsbild der Rutsche für mich nicht verfügbar war.

Bildkritik: Billige und teure Montagefehler
Montagefehler: Wenigstens hätte der Junge in der Rutschrinne herabgleiten können; die falsch platzierten Wasserspritzer an den Armen lassen sich ohne großen Aufwand kaum korrigieren.

 

Kein Montagefehler: Sturmwolken über dem Meer

Die Mail mit dem folgenden Bild kam von Frank, und er schrieb: „Guten Morgen, ich konnte mir nicht verkneifen diesen Beitrag zu kopieren. Heute Morgen am 5.6.2019 in der faz.net, erste Nachricht. Ohne Worte, da bekommt man Krämpfe – ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein.“

Bei mir blieben die beschriebenen Krämpfe erstaunlicherweise aus. Ich suche lange akribisch nach einem dezenten Montagefehler, den ich vielleicht übersehen haben könnte – dann gab ich es auf und fragte zurück, was mir denn da entgangen sein könnte.

Franks Antwort: „Ich meinte damit, dass es sich bei der Wolke um eine sehr eigenwillige Montage einer künstlichen dunklen Wolke handelt. Ich habe so etwas in der Natur noch nicht gesehen, oder liege ich da komplett daneben?“

Bildkritik: Billige und teure Montagefehler
Kein Montagefehler: Sturmwolken über dem Meer sehen anders aus. / © FAZ

Da sieht man mal, wie stark die Wahrnehmung eines Bildes mit seiner Textbeschreibung verbunden ist. Frank hatte angenommen, da in der Headline von „Sturmwolken über den Meeren der Welt“ die Rede war, da müsse wohl jemand eine – in der Tat sehr eigenwillige – Wolke einmontiert haben.

Als Wolke wäre das unscharfe Ding wirklich wenig überzeugend. Und so teilte ich Frank zaghaft mit: „Aber das ist doch das Triebwerk des Flugzeugs, aus dem fotografiert wurde …“

„Stimmt, jetzt sehe ich es auch, da wäre ich aber in 100 Jahren nicht drauf gekommen. Manchmal steht man im Leben etwas länger ,auf der Leitung‘.“

So isses! Also, wenigstens diesmal kein Montagefehler.

 

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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4 Kommentare

  1. »Eigentlich „weiß“ 3-D-Software so etwas von Hause aus, selbst wenn ihre Benutzer von dieser Tatsache noch nichts mitbekommen haben sollten. Dennoch haben die Monteure es in diesem Fall geschafft, dass die Fluchtlinien erst weit, weit oben am Himmel zusammenlaufen.«

    3D-Software weiß gar nix „von Hause aus“, wenn – wie hier – ein Foto als Hintergrund einmontiert wird. Da muss man der 3D-Software schon die richtige Perspektive beibringen – manuell oder mit den verfügbaren Hilfsmitteln der jeweiligen Software. In Modo beispielsweise gibt es dafür das „Camera Matcher“-tool. Der Einsatz von 3D-Software an sich ist jedenfalls kein Garant für korrekte Perspektiven – es sei denn, die gesamte Szene wurde in 3D erzeugt und gemeinsam gerendert.

  2. Bei der Wasser-Rutsche fällt mir auf, dass diese offensichtlich bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist. Statisch geht das bekanntlich nicht, und schräg stehend wird ein heftiger Zu- und Abfluss benötigt. Allerdings tritt dann zwischen dem fliessenden Wasser und dem Rutscher keine Geschwindigkeits-Differenz auf und das Spritzen unterbleibt 😉

  3. Montagefehler: Pfusch am Bauch
    Mir schein der Junge nicht perspektivisch, sondern lediglich schlecht montiert zu sein. In den beiden Bildern, die in den Kreisen zu sehen sind, kann man erkennen, dass die Rutschbahn aus zwei parallel verlaufenden Bereichen besteht. Einem blauen und einem roten Bereich. Der angeblich falsch platzierte Junge rutscht also auf dem roten Teil der Rutsche, wenn auch mit zu viel Wasser und wie gesagt grottenschlecht eingefügt.

  4. … mal abgesehen davon, dass ein Pool auf dem Dach, so schön die Vision erscheinen mag, recht unpraktisch sein muss, wenn man keinen Ein- oder Ausstieg hat. Aber: Perspektive hin oder her, das „Falsche“ gefällt mir eher als das „Richtige“ ¯\_(ツ)_/¯

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