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Weltraum? Gibt’s nicht! Über die NASA, Photoshop und warum die Erde eine Scheibe ist

Beherrschen Sie Photoshop und 3D-Modeling? Brauchen Sie einen Job? Die NASA müsste eigentlich ständig einstellen, denn nach der Überzeugung mancher Verschwörungstheoretiker ist die Erde flach und die Sonne bloß 6000 Kilometer entfernt; die unendlichen Weiten des Weltalls sind nur eine durch manipulierte Bilder gestützte Erfindung, um uns Schlafschafe dumm zu halten.

Wann immer die NASA, die ESA oder sonst eine Raumfahrtorganisation auf Facebook Fotos einer Mission zeigt, melden sich unweigerlich Leute, die das alles für Fake halten. Nicht nur, dass die Amerikaner nicht auf dem Mond gelandet seien; die ganze Raumfahrt, der gesamte Weltraum sei ein großer Schwindel. Fernsehsatelliten oder GPS-Satelliten gäbe es nicht; das seien in Wirklichkeit irgendwo aufgestellte Antennen. Raumsonden, die zu anderen Planeten fliegen, seien eine Erfindung und die internationale Raumstation bloß ein PR-Stunt. Das alles solle nur verschleiern, dass die Erde eine Scheibe und der Mittelpunkt des Universums sei. Wobei dieses Universum ziemlich überschaubar wäre, denn die Sonne sei nur 6000 Kilometer entfernt.

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Niemand hatte eine genaue Vorstellung davon, wie Tschurjumow-Gerassimenko aussehen würde, bevor Rosetta in sein Orbit einschwenkte und den Kometen auf seinem Weg um die Sonne und zurück in die äußeren Regionen des Sonnensystems begleitete. (Quelle: ESA)

Damit das aber niemand durchschaut, veröffentliche die NASA immer wieder Bilder, die vermeintlich aus dem Weltraum aufgenommen seien, tatsächlich aber am Computer produziert würden. Das wäre eine Menge Arbeit, denn es sind ja nicht nur Bilder von Erde und Mond zu erzeugen, was mit den Mitteln aktueller 3D-Software ein Klacks wäre, sondern auch Bilder von Objekten, von denen man bisher keine Details kannte – Pluto beispielsweise, der Zwergplanet, von dem New Horizons 2015 die ersten detaillierten Bilder zur Erde funkte, oder der Komet Tschurjumow-Gerassimenko, den die ESA-Sonde Rosetta ab 2014 für zwei Jahre umkreiste. Da müssten die Digital Artists schon sehr viel Fantasie entwickeln, um diese überraschenden Bilder zu produzieren.

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Das Space Shuttle Discovery im Anflug auf die ISS, am 26.2.2011 vom britischen Amateurastronomen Rob Bullen mit seiner Canon EOS 40D (und einem 8,5-Zoll-Newton-Teleskop) fotografiert.

Nun könnte man einwenden, dass beispielsweise die ISS ja mit bloßem Auge am Nachthimmel sichtbar ist. Schon beim Blick durch ein gutes Fernglas kann man erahnen, dass dies kein simpler Lichtpunkt, sondern ein ausgedehntes Objekt ist, und in einem Teleskop, wie es Amateurastronomen verwenden, zeigen sich auch viele Details – man erkennt die Solarpanele, die verschiedenen Wohn- und Forschungsmodule und die gerade angedockten Raumschiffe. Aber mit eigenen Beobachtungen haben es die Verschwörungstheoretiker nicht so. Allenfalls produzieren sie mal grob fehlfokussierte Fotos von Planeten und stellen dann triumphierend fest, dass diese ganz anders aussehen als die Bilder der NASA.

Im Zweifelsfall werden Tatsachen einfach verleugnet. Erst vor wenigen Tagen schrieb jemand auf Facebook, es sei ja bezeichnend, dass es keine Fotos der Rückseite des Mondes gäbe. Tatsächlich gibt eine große Zahl solcher Fotos, angefangen mit den Bildern, die die sowjetische Mondsonde Luna 3 schon 1959 zur Erde funkte. Eine Serie besonders eindrucksvoller Bilder hat die Raumsonde DSCOVR aufgenommen, die vor zwei Jahren den Durchgang des Mondes vor der Erde fotografierte und damit naturgemäß die für uns sonst unsichtbare Rückseite des Mondes zeigte. Die Verschwörungstheoretiker meinten allerdings, Indizien für eine Manipulation entdeckt zu haben, denn an der Seite des Mondes zeigten sich seltsame Farbsäume. Mal abgesehen davon, dass jeder kompetente Bildmanipulator diese Artefakte wegretuschiert hätte, gibt es eine ganz einfache Erklärung: Wie bei Raumsonden üblich, hat die verwendete Kamera einen monochromen Sensor. Für Aufnahmen in verschiedenen Wellenlängenbereichen zwischen Infrarot und Ultraviolett werden nacheinander zehn Filter in den Strahlengang geschoben; die veröffentlichten Farbbilder wurden aus den roten, grünen und blauen Farbauszügen zusammengesetzt. Da sich Mond und Erde während der Aufnahmeserie leicht gegeneinander verschoben hatten, blieben Farbsäume zurück, nachdem die Bilder von Erde und Mond zur Deckung gebracht waren.

Weltraum? Gibt’s nicht! Über die NASA, Photoshop und warum die Erde eine Scheibe ist
Der Mond vor der Erde, gesehen von der Raumsonde DSCOVR (Deep Space Climate Observatory), die seit 2015 unterwegs ist. Der Farbsaum rechts vom Mond ist dadurch entstanden, dass die monochrome Kamera nacheinander Aufnahmen mit mehreren Filtern macht, die dann zu einem RGB-Bild kombiniert werden, und der Mond sich während der rund 30 Sekunden dauernden Aufnahmesequenz relativ zur Erde bewegt hat. (Quelle: NASA)

Aber auch diejenigen Vertreter einer flachen Erde, die so etwas wie eine erdnahe Raumfahrt für möglich halten, argwöhnen eine Manipulation, wenn Aufnahmen der Erde aus der Umlaufbahn eine Krümmung der Erdoberfläche zeigen. Hierfür seien Fisheye-Objektive verantwortlich, die ja bekanntlich gerade Linien krümmen. Aber der Rand der Erdkugel ist nun mal gekrümmt, und das zeigen auch normale Objektive mit gnomonischer Projektion.

Weltraum? Gibt’s nicht! Über die NASA, Photoshop und warum die Erde eine Scheibe ist
Auf der ISS gibt es eine große Zahl von Kameras und Objektiven, und gelegentlich wird wie bei diesem Foto ein Fisheye eingesetzt, das alle geraden Linien krümmt, sofern sie nicht durch den Bildmittelpunkt gehen. (Quelle: NASA)
Weltraum? Gibt’s nicht! Über die NASA, Photoshop und warum die Erde eine Scheibe ist
Die Krümmung der Erdkugel ist jedoch kein Artefakt der Optik, wie dieses vom Space Shuttle aufgenommene Foto der Raumstation zeigt, bei dem alle geraden Linien gerade abgebildet sind. (Quelle: NASA)

Welchen Sinn es überhaupt haben soll, die angeblich flache Erde als Kugel darzustellen, das bleibt unklar. Die postulierte Verschwörung müsste ihren Ursprung in der Antike haben, denn die Idee, dass die Erde kugelförmig sei, ist ja mindestens 2500 Jahre alt. Vor gut 2200 Jahren gelang es dem griechischen Gelehrten Eratosthenes sogar, den Umfang der Erdkugel mit einem Fehler von nur 7,7% zu messen, wozu er nur einen Stab, einen Winkelmesser und ein bisschen Kopfrechnen benötigte. Vor rund 1500 Jahren reduzierte der indische Mathematiker und Astronom Aryabhata den Fehler auf 0,27%; die von ihm angewandte Methode ist unbekannt. Der iranische Wissenschaftler Abū Rayḥān Muḥammad ibn Aḥmad al-Bīrūnī ermittelte vor 1000 Jahren den Erdradius auf 0,26% genau. Dazu bestieg er einen Berg und maß den Winkel, unter dem er den Horizont sah. Das Interesse islamischer Gelehrter an der Gestalt der Erde rührte übrigens daher, dass der Gläubige seine Gebete in Richtung auf die Kaaba in Mekka ausführen soll. Diese Richtung an jedem Ort der Erde zu finden ist eine recht komplexe Aufgabe und setzt voraus, dass man die Form und Größe der Erde kennt.

Das Wissen um die Kugelgestalt der Erde ging nie verloren und war auch im christlichen Mittelalter jedem Gebildeten geläufig. Im Gegensatz zur populären Legende musste Kolumbus niemanden davon überzeugen. Warum heute jemand an eine Scheibenwelt glauben sollte, ist schwer verständlich. Ihre Photoshop-Kenntnisse können Sie getrost einsetzen, um fantastische Welten zu erschaffen; sie werden nicht dazu benötigt, eine Tausende von Jahren und alle Erdteile umfassende Verschwörung zu unterstützen.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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2 Kommentare

  1. Auf dem Bild mit der Unterschrift; Auf der ISS gibt es eine große Zahl von Kameras und Objektiven und gelegentlich wird wie bei diesem Foto ein Fisheye eingesetzt. Quelle: NASA, seht man nur Ozean kein Land! Besteht etwa die hälfte der Erde aus Ozeane und die andere Hälfte aus Kontinente?

    1. Von der ISS aus sieht man nicht fast die halbe Erdkugel, wie man sie etwa vom Mond aus sähe; die Raumstation fliegt ja nur in gut 400 Kilometern Höhe, ist also gar nicht so weit entfernt. Der Horizont ist dann zwar weiter als beim Blick von einem hohen Turm auf der Erde, aber so weit nun auch wieder nicht; man überblickt von dort aus einen etwa 4600 Kilometer großen kreisförmigen Ausschnitt der Erdkugel. In dem in diesem Foto sichtbaren Ausschnitt gibt es tatsächlich nur Wasser.

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