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Was für eine Kamera braucht man, um ein schwarzes Loch zu fotografieren?

Die Nachrichten vom ersten Foto eines schwarzen Lochs gingen jüngst durch alle Medien. Was waren die Voraussetzungen für diesen Durchbruch? Welche Eigenschaften muss eine Kamera haben, um Objekte in 55 Millionen Lichtjahren Entfernung abzubilden?

Das erste Foto eines schwarzen Lochs, aufgenommen mit dem Event Horizon Telescope (EHT)

Über die Jahrzehnte meines Lebens habe ich die Gegenwart immer mit der Zukunft verglichen, die mir in meiner Kindheit und Jugend versprochen worden war, und durchweg fiel der Vergleich enttäuschend aus – von Linienflügen zu Mond und Mars, Raketenrucksäcken, intelligenten Robotern und Fusionsreaktoren sind wir immer noch ein ganzes Stück entfernt. Dass ich es noch erleben würde, ein Foto eines schwarzen Lochs zu sehen, hätte ich dagegen kaum erwartet, aber genau das ist jetzt passiert. Obwohl manche über den unscharfen Donut schmunzelten, ist das Foto eine wissenschaftliche Heldentat ersten Ranges.

Das schwarze Loch, dessen Foto das Event Horizon Telescope (EHT) aufgenommen hat, ist zwar nicht gerade klein – sein Ereignishorizont liegt in der Größenordnung unseres Sonnensystems –, aber es ist 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Falls Sie sich 55 Millionen Lichtjahre nicht recht vorstellen können: Das sind 520,3401759919 × 10^18 Kilometer. Immer noch nicht recht fassbar? Stellen Sie sich vor, dass Sie mit einem Flugzeug dorthin fliegen wollten – es würde 65.999.514.965.994 Jahre dauern, bis Sie dort ankommen. Wie Douglas Adams schon sagte: „Du kannst dir einfach nicht vorstellen, wie groß, gigantisch, wahnsinnig riesenhaft der Weltraum ist. Du glaubst vielleicht, die Straße runter bis zur Drogerie ist es eine ganz schöne Ecke, aber das ist einfach ein Klacks, verglichen mit dem Weltraum.

OK, das sind große Zahlen – die man ja nicht ohne Grund „astronomisch“ nennt –, aber sie müssen einen nicht bange machen. Die Vergrößerung scheint auf den ersten Blick der entscheidende Parameter zu sein; der Fotograf greift ja auch zu einer langen Brennweite, um entfernte Motive abzubilden. Aber in der Astronomie ist eine hohe Vergrößerung kaum jemals die Antwort, denn viel wichtiger ist das Auflösungsvermögen des Teleskops – wenn man die Vergrößerung über das Auflösungsvermögen hinaus steigert, bekommt man zwar größere, aber auch unschärfere Bilder, die keinerlei zusätzliche Details zeigen.

Das theoretische Auflösungsvermögen hängt von der Eintrittspupille ab. Bei einem Linsenobjektiv ist das dessen Brennweite, geteilt durch die Lichtstärke; so hat beispielsweise das Canon EF 600 mm f/4L IS III USM eine Eintrittspupille von 600 mm / 4 = 150 mm. Der Winkel, der mit einer bestimmten Eintrittspupille aufgelöst werden kann, berechnet sich nach folgender Formel:

Auflösung = arcsin(1,22 × Wellenlänge / Eintrittspupille)

Bei einer Wellenlänge von 555 nm (grünes Licht, das stellvertretend für sichtbares Licht generell steht) ergibt sich ein Auflösungsvermögen von 0,000259 Grad. Auf den Mond gerichtet könnte dieses Objektiv Details von rund 1,8 Kilometern auflösen. Jedenfalls theoretisch; in der Praxis würde die unruhige Atmosphäre die tatsächliche Auflösung drücken. Das Hubble-Space-Telescope, das dank seines 2,4 Meter großen Primärspiegels – der bei einem Spiegelteleskop dessen Eintrittspupille bestimmt – weit höher auflösen kann und zudem nicht durch die Erdatmosphäre gestört wird, könnte noch Details von knapp 100 Metern auf dem Mond abbilden, aber um beispielsweise die Hinterlassenschaften der Apollo-Astronauten zu erkennen, würde das nicht ausreichen. (Die Landeplätze sind Jahre später aus der Mondumlaufbahn fotografiert worden, und diese Bilder zeigen sogar die Fußspuren der Astronauten – ja, die Amerikaner sind tatsächlich auf dem Mond gelandet.)

Aber der Mond, das ist sozusagen nur der Weg die Straße runter bis zur Drogerie. Um ein 55 Millionen Lichtjahre entferntes schwarzes Loch zu fotografieren, reicht ein Spiegel, der nur ein paar Meter misst, bei weitem nicht aus. Zumal noch erschwerend hinzu kommt, dass man hier aus verschiedenen Gründen nicht mit Lichtwellen arbeiten kann, sondern auf die viel längeren Radiowellen ausweichen muss. Das EHT ist auf die Wellenlänge 1,3 mm abgestimmt, also gut das 2000-fache der Wellenlänge des sichtbaren Lichts. Da die Auflösung daher geringer ist, braucht man ein Teleskop, dessen Eintrittspupille in der Größenordnung des Erddurchmessers liegt.

Für ein so großes Teleskop fände man schwerlich Platz, und selbst wenn man es im Weltall bauen wollte – so weit von der Erde entfernt, dass es uns nicht das Sonnenlicht nimmt –, wäre es unbezahlbar. Daher rührte auch meine Skepsis, dass ich jemals ein echtes Foto eines schwarzen Lochs sehen würde. Es gibt allerdings einen Trick, den man sich zunutze machen kann: Die Öffnung des Teleskops ist zwar der entscheidende Faktor, aber diese muss nicht vollständig durchsichtig sein. Ein Staubteilchen in einem Objektiv beeinträchtigt die Bildqualität kaum, und wenn es um die Auflösung geht, schadet es nicht einmal, wenn der größte Teil des Objektivs undurchsichtig ist. Entscheidend ist, wie weit die durchsichtigen Teile voneinander entfernt sind. Ein Objektiv, das jeweils nur in kleinen Fenstern am oberen, unteren, linken und rechten Rand Licht durchlässt, hat dieselbe Auflösung wie ein vollständig durchlässiges Objektiv, auch wenn man dabei natürlich sehr viel Licht verliert.

Wenn ein Teleskop fast nur aus Lücken besteht, erscheint es sinnvoller, es umgekehrt zu betrachten, also zusammengesetzt aus lauter kleinen Teil-Teleskopen. Diese Teleskope können über die gesamte Erdoberfläche verteilt sein, und damit kommen wir dem Ziel eines Teleskops von Erdgröße nahe. Das Event Horizon Telescope ist kein einzelnes Radioteleskop, sondern besteht aus insgesamt acht Teleskopen zwischen Hawaii und Europa, dem Nordpolarkreis und dem Südpol.

Die acht Radioteleskope des Event Horizon Telescope

Keines dieser Teleskope könnte das schwarze Loch abbilden, und auch eine einfache Verrechnung von acht Bildern würde die Auflösung nicht verbessern. Dazu muss man die Interferometrie nutzen, also die von zwei weit entfernten Teleskopen empfangenen Wellen sich überlagern lassen, so dass sich ein Interferenzmuster bildet. Aus solchen Interferenzmustern kann man wiederum ein Bild des Motivs berechnen, und je mehr solcher Paare von Teleskopen man auswertet, desto höher ist die Auflösung dieses Bildes. Mit der Erdrotation bewegen sich die Teleskope, so dass immer neue Paare entstehen, und so werden aus acht eine weit höhere Zahl virtueller Teleskope.

Das jedenfalls ist die Theorie. Die Signale zweier Radioteleskope zu überlagern ist eine einfache Sache, wenn diese nicht allzu weit entfernt sind – man braucht nur hinreichend lange Kabel, und so wurde dieses Prinzip auch schon lange genutzt. Bei Teleskopen, die über die ganze Erde verteilt sind, wäre das jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. Schließlich müssen die Signale exakt synchron bleiben, und selbst eine Funkübertragung mit Lichtgeschwindigkeit würde dazu nicht ausreichen. Das EHT hat das Problem gelöst, indem jedes Teleskop seine Signale eigenständig aufzeichnete, mit extrem präzisen Zeitstempeln, die jeweils eine Atomuhr lieferte. Die innerhalb weniger Tage gesammelten Beobachtungsdaten wurden schließlich zusammengeführt – ganz oldschool durch den physischen Transport von Speichermedien, denn eine Übertragung der Petabytes messenden Datenmenge per Internet hätte weit länger gedauert. In den Rechenzentren des Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und des MIT Haystack Observatory in Massachusetts, USA, wurde die eigentliche Überlagerung durchgeführt, wobei die Signale, Wellenberg für Wellenberg und Wellental für Wellental, anhand der Atomuhr-Zeitstempel exakt ausgerichtet werden mussten. Diese Auswertung nahm viel mehr Zeit ein als die Beobachtung selbst, die schon zwei Jahre zurück lag, als endlich das Ergebnis vorlag.

Die Arbeit des EHT ist damit nicht beendet. Das nächste Beobachtungsobjekt wird das schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie sein, das wir in sicherem Abstand umkreisen. Es gibt auch bereits Ideen, die Auflösung des EHT noch zu steigern, indem man weitere Radioteleskope im All positioniert. Die Astronomie verspricht, auch weiterhin spannend zu bleiben.

Übrigens funktioniert die vom EHT angewandte Technik leider nicht, um die Auflösung im Bereich des sichtbaren Lichts zu steigern. Auch Zeitstempel von Atomuhren wäre bei dessen viel kürzeren Wellenlängen nicht genau genug; Licht muss man wirklich überlagern, indem man es mit Lichtleitern überträgt. Damit lassen sich aber nur relativ geringe Abstände der Teleskope überbrücken. Als Fotograf muss man sich darüber ohnehin keine Gedanken machen, denn hier auf der Erde ist die Auflösung extrem langer Brennweiten eher durch Dunst und Hitzeschlieren als durch den Durchmesser des Objektivs beschränkt.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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