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Sensorgeflüster: Rauschen? Was für Rauschen?

Ich hatte es hier schon einmal erwähnt, aber einmal reicht wohl nicht: Von neuen Bildsensoren sollte man sich derzeit keine neuen Heldentaten bei Rauschabstand, Dynamikumfang und noch höheren ISO-Werten erwarten, wenn man nicht enttäuscht werden will.

Aktuell bringen mich manche Reaktionen auf Fujis neue X-H2s mit 26 Megapixeln und das bereits vorangekündigte Schwestermodell mit einem 40-Megapixel-Sensor auf dieses Thema. Vergleicht man beispielsweise den Dynamikumfang, wie ihn Photons to Photos bei der X-H1 (ein Modell der dritten Generation von Fujis X-System mit 24 Megapixeln), X-T4 (vierte Generation mit 26 Megapixeln) und X-H2s (fünfte Generation mit 26 Megapixeln) gemessen hat, gleichen sich die Messwerte dieser Modelle auffällig. Hat es also in den letzten sechs Jahren gar keinen Fortschritt mehr gegeben? Da die von Fuji verbauten Sensoren auf Sonys Sensortechnologie basieren, wäre dieses Ergebnis repräsentativ für die Kameratechnik insgesamt, weil abgesehen von Canon die meisten Kamerahersteller auf Sony-Sensoren zurückgreifen und auch Canon keine besseren Messwerte vorzuweisen hat.

Sensorgeflüster: Rauschen? Was für Rauschen?
Der neue gestapelte 26-Megapixel-Sensor der Fuji X-H2s (Quelle: Fujifilm)

Solche Messwerte hatte allerdings jeder, der sich mit der Materie auskennt, mehr oder weniger so erwartet. Die Überraschung resultierte aus der Vorstellung, das Objektiv erzeuge ein sauberes, rauschfreies Bild, dem erst der Sensor, der es abtastet und digitalisiert, störendes Rauschen hinzufügen würde, das den Dynamikumfang begrenzt und vor allem bei hohen ISO-Werten aufgenommene Fotos beeinträchtigt. Aber diese Vorstellung führt in die Irre, zumindest wenn es um die aktuell genutzte CMOS-Sensortechnologie geht.

Es stimmt zwar, dass ein Teil des Bildrauschens im Sensor entsteht. Da gibt es einmal – vor allem bei CMOS-Sensoren – die Nichtuniformitäten der Pixel: Die einzelnen Sensorpixel sind nicht exakt gleich empfindlich. Dazu kommt das temperaturabhängige Dunkelstromrauschen, verursacht durch irregeleitete Stromflüsse, die Elektronen in die Ladungsspeicher der Pixel spülen, wo sie gar nicht hingehören. Auch die Quantisierung der analogen Werte fügt weiteres Rauschen hinzu. Durch Technologien wie das Correlated Double Sampling, die Integration der A/D-Wandler auf den Sensorchip und eine massiv parallele Digitalisierung, die bei einer hohen Auslesegeschwindigkeit lange und damit rauschmindernde Integrationszeiten erlaubt, haben es die Sensorhersteller aber schon vor ein paar Jahren geschafft, das vom Sensor erzeugte Rauschen auf ein Minimum zu drücken. Das Sensorrauschen ist heute so niedrig, dass sich nur noch wenig daran verbessern lässt; eine Revolution ist nicht zu erwarten, weil wir dem Ideal bereits so nahe sind.

Auf der anderen Seite stimmt es nicht, dass das optische Bild noch sauber und unverrauscht wäre. Wenn wir eine einheitlich helle und einheitlich beleuchtete Fläche fotografieren, fällt dennoch nicht auf jedes Sensorpixel gleich viel Licht, und diese Abweichungen, das sogenannte Photonenrauschen, werden im Vergleich zum Signal um so stärker, je weniger Licht insgesamt eingefangen wird. Da hohe ISO-Werte nun mal bedeuten, sich mit wenig Licht zu begnügen, erreicht das Photonenrauschen damit hohe Werte, und dass der Sensor selbst extrem rauscharm ist, kann daran nichts ändern. Von einer neuen Sensortechnologie wäre hier nicht viel zu erwarten, denn es ist ja gar nicht die aktuelle Technologie, die für das Rauschen verantwortlich wäre.

Einige wenige Verbesserungsmöglichkeiten gäbe es allerdings. Wenn man die einzelnen Aufgaben des Sensors, also die photoelektrische Konvertierung (die Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie), die Sammlung der so erzeugten elektrischen Ladungen und schließlich deren Digitalisierung, verschiedenen Schichten eines gestapelten (englisch „stacked“) Sensors zuweist, bleibt für alle Komponenten mehr Platz. Aktuelle gestapelte Sensoren können das noch nicht, aber Sony hat jetzt eine Technologie entwickelt, die lichtempfindliche Fotodiode und die Transistorfunktionen eines Sensorpixels auf zwei Schichten zu verteilen. Wenn Sensoren auf dieser Basis marktreif werden, werden ihre Pixel lichtempfindlicher sein (was wegen der ohnehin verwendeten Mikrolinsen keinen so großen Unterschied machte) und mehr Elektronen speichern können; zudem werden die Transistoren noch weniger Rauschen hinzufügen als ohnehin schon. Auch organische Sensoren mit einer organischen Halbleiterschicht für die photoelektrische Konvertierung oder solche mit Quantenpunkten für dieselbe Aufgabe könnten Ähnliches erreichen. Beim Rauschabstand und beim Dynamikumfang würden sich die Ergebnisse dann vielleicht um eine Blendenstufe verbessern.

Das gilt aber vor allem dann, wenn man den Sensor entsprechend seiner Grundempfindlichkeit belichtet, denn nur dann wird die vergrößerte Speicherkapazität seiner Pixel auch wirklich ausgenutzt. Sobald man den ISO-Wert etwas heraufsetzt, wird der Rauschabstand wieder schlechter. Immerhin: Der Dynamikumfang steigt zunächst noch, wenn man zwar knapper belichtet, die Sensorsignale aber nicht zusätzlich verstärkt, doch beim Umschaltpunkt des Dual Conversion Gain werden die Ladungsspeicher ohnehin wieder künstlich verkleinert, um bei kleinen elektrischen Ladungen höhere Spannungen herauszuholen. Eine Verbesserung der Bildqualität bei hohen ISO-Werten ist auf diesem Wege nicht zu erwarten.

Eine Reduzierung des Rauschens erfordert zwingend mehr Licht, und das ist gleichbedeutend mit niedrigen ISO-Werten. Als einziger technologischer Kniff bleibt die Verrechnung mehrerer Belichtungen in schneller Folge, wobei das in jeder Einzelbelichtung gesammelte Licht effektiv addiert wird. So erreichen Smartphones ja heute schon erstaunliche Leistungen bei schlechten Lichtverhältnissen, die man ihren kleinen Sensoren gar nicht zugetraut hätte. Auf einen Wundersensor, der das High-ISO-Rauschen wegzaubert, werden wir dagegen vergeblich warten.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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