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Das Ende der photokina

Manche sagen, die photokina sei mit, wenn auch nicht an COVID-19 gestorben, während andere sie mit einem Rest Hoffnung bloß im künstlichen Koma wähnen. Die Realität ist aber wohl, dass die einstige Weltleitmesse der Fotografie schon vor zwei Jahren von uns gegangen ist.

Das Ende der photokina
Offiziell ist die – zuletzt für Mai 2021 geplante – photokina nur ausgesetzt, aber es erscheint unwahrscheinlich, dass es jemals wieder eine photokina geben wird.

Das Siechtum der photokina zog sich lange hin. Als Anfang vom Ende erwiesen sich die 2017 verkündeten hochfliegenden Pläne, die bis dahin in einem zweijährigen Turnus veranstaltete Messe ab 2020 in einem jährlichen Rhythmus stattfinden zu lassen. Erschien diese Entscheidung noch nachvollziehbar, da in den ungeradzahligen Jahren eine große Messe zu fehlen schien und die IFA diese Lücke kaum füllen konnte, war eine zweite Neuerung kontroverser. Die photokina sollte von ihrem bewährten Termin im September verschoben werden in den Mai. Die Sinnhaftigkeit dieser Verschiebung wurde allgemein in Zweifel gezogen.

Heftiges Kopfschütteln löste allerdings das Konzept aus, schon acht Monate nach der photokina 2018 die erste Messe im neuen Rhythmus zu veranstalten. Die Kosten eines Messeauftritts sind immens, und sie nach so kurzer Zeit erneut stemmen zu müssen, war vielen Unternehmen der Fotoindustrie nicht vermittelbar. Bis zum Dezember 2018 wurde es offensichtlich, dass es einer photokina 2019 an Ausstellern mangeln würde, weshalb man die Reißleine zog und die Messe um ein Jahr auf den Mai 2020 verschob.

Dass auch diese photokina ausfiel, war natürlich der Corona-Pandemie anzulasten, aber die Veranstalter dürften darüber durchaus erleichtert gewesen sein, denn wichtige Hersteller wie Leica, Nikon und Olympus hatten schon lange vorher abgesagt. Anfang 2019 war von Industrievertretern zu hören, dass es wohl keine weitere photokina mehr geben würde, was sich nun offenbar bewahrheitet.

Geht man nach dem Wortlaut der aktuellen Pressemeldung, hat sich die Koelnmesse in Abstimmung mit dem Photoindustrie-Verband entschieden, „die Durchführung der photokina am Standort Köln vorerst auszusetzen“. Während „vorerst“ eine Wiederbelebung der photokina zu einem späteren Zeitpunkt nicht auszuschließen scheint und „am Standort Köln“ suggeriert, dass der Schauplatz der Messe wechseln könnte, ist die Wahrheit wohl, dass es nie wieder eine photokina geben wird. Oder jedenfalls keine Messe der Art, für die der Name „photokina“ seit 70 Jahren stand.

Schon in den letzten Jahren zeichnete es sich ab, dass die photokina entgegen ihrem eigenen Anspruch nicht länger die „Weltleitmesse“ der Fotoindustrie sein würde. Immer weniger Hersteller stimmten ihre Produktankündigungen auf den Messetermin ab, und in den – meist japanischen – Konzernzentralen verlor man zunehmend das Interesse. Die deutschen oder europäischen Vertretungen mochten eine Messepräsenz organisieren, wenn sie das für wichtig hielten, sollten die Kosten dann aber aus dem eigenen Budget bestreiten. Oberflächlich gesehen wäre noch immer die ganze Welt zu Gast in Köln gewesen, aber tatsächlich wäre die photokina zu einer bestenfalls europäischen und schlimmstenfalls rein deutschen Messe geworden, für die kaum noch jemand einen Interkontinentalflug gebucht hätte. Diese Schmach ist der photokina erspart geblieben.

Und nun? Von Kundenseite ist oft zu hören, dass sich das Konzept einer Messe überlebt hätte. Über neue Produkte informiert man sich im Internet oder auf Hausmessen der Händler, und für alle darüber hinausgehenden Bedürfnisse gibt es regionale Foto-Events wie in Zingst (horizonte zingst), Oberstdorf (Fotogipfel) und Duisburg (Foto+Adventure). Die hat in Japan zwar niemand auf dem Schirm, aber das stört die wenigsten. Momentan haben wir ja ohnehin kaum Gelegenheit, uns mit anderen an Fotografie Interessierten zu treffen, aber wenn die Gefahr von SARS-CoV-2 erst einmal gebannt ist, wird sich herausstellen, ob und für wen das Ende der photokina eine Lücke reißt. Und dann wird man sich gegebenenfalls auch überlegen müssen, wie sie zu schließen wäre.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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