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Was für ein Bild ist das?

In letzter Zeit wird immer öfter gefordert, KI-generierte Bilder müssten als solche gekennzeichnet werden. Tatsächlich gibt es schon seit anderthalb Jahren einen konkreten und bereits heute praktikablen Vorschlag, ein solches Label in den IPTC-Standard zu integrieren.

Ein Label für die Genese von Bildern wäre aus verschiedenen Gründen nützlich. Es muss ja nicht einmal eine böse Absicht dahinter stecken, wenn die Natur veröffentlichter Bilder manchmal unklar bleibt. In Berichten über Raumfahrtprojekte beispielsweise wird oft munter zwischen den aus dem All übertragenen Fotos und aus Modellen gerenderten Bildern gewechselt, etwa weil man eine zukünftige Phase des Raumflugs visualisieren will oder weil für manche Ansichten einfach keine Kamera am richtigen Ort verfügbar ist. Man kann sich das mit dem nötigen Sachverstand zusammenreimen, obwohl die gerenderten Bilder immer realistischer wirken, aber viele Betrachter reagieren verwirrt.

Bei den von einer KI generierten Bildern wird in der Zukunft ein zunehmend massiveres Problem entstehen, weil die KI-Systeme ja mit Bildern aus dem Internet trainiert werden, sich im Internet aber immer mehr KI-Produkte finden. Der Input realer Bilder, mit dem sich die Leistungen der KI verbessern soll, wird immer geringer, und das Training strebt dem zu, was der Mathematiker den Fixpunkt einer Funktion nennt: f(x) = x, das heißt, die Anwendung der Funktion auf diesen Wert liefert denselben Wert zurück. Für ein auf neuronalen Netzen basierendes KI-System bedeutet es, dass es nichts mehr dazulernt, denn das Training mit seinen eigenen Bildern (und denen von seinesgleichen) bestätigt nur, dass es bereits alles richtig macht. Es wäre daher wichtig, KI-generierte Bilder aus dem Trainingsmaterial auszuschließen, und dazu müssen solche Bilder in den Metadaten als KI-Produkte gekennzeichnet sein.

Was für ein Bild ist das?
Mit einem erweiterten Vokabular für das IPTC-Metadatenfeld Digital Source Type lässt sich die Entstehung eines Bildes beschreiben, auch wenn es sich um KI-generierte Bilder handelt. (Quelle: IPTC)

Einen geeigneten Metadaten-Standard gibt es schon lange, nämlich IPTC – benannt nach dem International Press Telecommunications Council, das diesen Standard entwickelt hat und stetig weiterentwickelt. Bereits im April 2022 hatte das IPTC eine Erweiterung des Vokabulars für das Feld Digital Source Type vorgeschlagen und seinen Vorschlag jüngst noch einmal ergänzt. Einst war es für Angaben dazu gedacht, wie ein analoges Bild gescannt worden ist, aber es eignet sich ganz generell dazu, die Entstehungsweise digitaler Bilder zu beschreiben.

Neben klassischen Werten wie digitalCapture („Original digital capture sampled from real life“) und negativeFilm („Digitised from a negative on film“) sind nun Label wie trainedAlgorithmicMedia („Digital media created algorithmically using a model derived from sampled content“), algorithmicMedia („Media created purely by an algorithm not based on any sampled training data, e.g. an image created by software using a mathematical formula“) und compositeWithTrainedAlgorithmicMedia („The compositing of trained algorithmic media with some other media, such as with inpainting or outpainting operations“) vorgesehen. Die vollständige Liste der empfohlenen Werte finden Sie hier.

Fotografen, Bildbearbeiter, Digital Artists und KI-Künstler brauchen nicht abzuwarten, bis der IPTC-Vorschlag endgültig verabschiedet ist; sie können und sollten ihn schon jetzt anwenden und das jeweils passende Label in die IPTC-Metadaten ihrer Bilder eintragen – auch und gerade, wenn es sich um nicht oder nur behutsam bearbeitete Fotos handelt. Darauf drängt auch der FREELENS-Vorsitzende Marco Urban in einem Interview mit ProfiFoto: „Ich halte es für wenig hilfreich, nach Problemen zu suchen und immer mehr scheinbare Widersprüche aufzuzeigen. Damit kommen wir kein bisschen weiter. Einige sind ja der Meinung, dass die Magazine deshalb nicht als authentisch kennzeichnen sollten, weil sie ja auf jeden Fall authentisch sein müssen. Authentisch muss man kennzeichnen, um gar nicht gekennzeichnete Bilder zu deklassieren. Es ist ja auch so, dass selbst in Biomärkten die Bio-Ware entsprechend gekennzeichnet ist. In jedem Fall geht es ja auch darum, solche Label zu etablieren.“ Eine Lösung des Problems fehlender Kennzeichnungen existiert bereits, und es liegt an uns allen, sie durchzusetzen. Der Argwohn, so etwas sei vielleicht wünschenswert, aber unrealistisch, ist durchaus unangebracht.


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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