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Kein Zoom mit dem Smartphone

Mit ihren ein, zwei oder drei Kameramodulen fordern Smartphones dedizierte Kameras heraus. Eines findet man bei Smartphones jedoch kaum: ein echtes, optisches Zoom. Kein Zoom mit dem Smartphone: Was passiert tatsächlich, wenn man mit mit einer Kamera-App „zoomt“?

Die ersten Handys mit integrierter Kamera hatten ein einziges Objektiv mit fester Brennweite. Wenn man das Livebild mit zwei Fingern größer zog, wurde das Sensorbild einfach hochskaliert, also ein Digitalzoom angewandt. Auf dem Display sah das Ergebnis noch ganz passabel aus, aber tatsächlich war das Bild grob gepixelt und bestenfalls für Facebook oder Twitter geeignet.

Kein Zoom mit dem Smartphone
Wenn das zweite Kameramodul eine besonders lange Brennweite haben soll, lässt es sich nur dank der Periskopbauweise mit abgeknicktem Strahlengang in einem Smartphone unterbringen.

Heutzutage versprechen die Smartphone-Hersteller meist ein echtes Zoom, aber das bedeutet nicht, dass ein Objektiv variabler Brennweite verbaut wäre. Unter einem Zoom-Objektiv versteht man ja landläufig eines, bei dem sich durch die Verschiebung von Linsengruppen die Brennweite ändert, aber dafür fehlt in Smartphones der Platz. Relativ gängig ist mittlerweile die Kombination zweier Kameramodule, deren Brennweite einem Weitwinkel- beziehungsweise einem Normalobjektiv entspricht. Das Huawei P30 (Pro) hat sogar ein echtes Teleobjektiv, das sich nur unterbringen lässt, weil es als Periskopobjektiv einen mit einem Prisma um 90 Grad abgeknickten Strahlengang hat – übrigens eine Technik, die es schon vor 15 Jahren in besonders flachen Kompaktkameras gab. Zwei Festbrennweiten machen aber noch kein echtes, optisches Zoom.

Wenn man die Brennweite eines der beiden Kameramodule wählt, speichert das Smartphone das Bild des jeweils passenden Moduls. Was aber passiert bei den Zoomstufen dazwischen? Das Weitwinkelmodul erfasst einen zu großen Winkel und erfordert eine Ausschnittvergrößerung, die Auflösung kostet. Das Normal- oder Telemodul bildet umgekehrt einen zu kleinen Winkel ab, diesen aber mit einer mehr als ausreichenden Auflösung. Das Smartphone muss beide Bilder kombinieren. Im Randbereich liefert nur das Weitwinkelmodul Pixel, die aufgrund des Digitalzooms keine hohe Auflösung versprechen. Abhilfe kann das Verfahren der Superresolution bringen, das mehrere Aufnahmen miteinander verrechnet – so macht es das Huawei P30. Im inneren Bereich des Bildes liefert das Telemodul Bilddaten, so dass die Auflösung hier weit höher ist.

Zoomt man dagegen noch über die längste Brennweite der Kameramodule hinaus, bleibt wiederum nur ein Digitalzoom, möglicherweise unterstützt durch Superresolution. Bei meinem iPhone X habe ich es mir deshalb angewöhnt, nur noch die echten Brennweiten zu nutzen. In Apples App wähle ich keinen variablen Zoomfaktor, sondern tippe gegebenenfalls auf „1x“, womit das Zoom auf „2x“ und damit den Bildwinkel der Normalbrennweite springt (und ebenso zurück). In Lightroom CC hat man im DNG-Modus sowieso nur die Wahl zwischen „W“ (Weitwinkel) und „T“ (Tele – faktisch die Normalbrennweite).

Und ein ein richtiges, wahrhaftiges, optisches Zoom? Vor 15 Jahren schafften es die Kamerahersteller, immerhin echte 3-fach-Zooms in Periskopbauweise in flachen Kompaktkameras unterzubringen. Diese maßen allerdings noch rund 15 Millimeter, hatten recht schwachbrüstige Akkus – und telefonieren konnte man damit auch nicht. Heutzutage kann man vieles verkleinern, Objektive jedoch nach wie vor nicht. Wenn der Platz knapp ist, muss man Verzicht üben, und bislang müssen sich Smartphone-Fotografen mit der Simulation eines echten Zooms bescheiden.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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