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Brauchen wir ein Geotagging in der Kamera?

Ein Beitrag zur Verknüpfung von GPS-Daten eines Smartphones mit den Aufnahmen einer Systemkamera inspirierte unseren Leser Prodrejo zu einem längeren Kommentar des Inhalts, dass die Kamerahersteller die durch die Satellitenortung gegebenen Möglichkeiten nicht oder jedenfalls nicht richtig nutzen würden. An diesem Vorwurf ist etwas dran, aber gehört Kameras mit GPS-Empfänger wirklich die Zukunft?

Die Funksignale von vier Satelliten sind in der Praxis nötig, um aus deren Laufzeiten die Position eines Empfängers auf der Erde zu bestimmen.

Meine (Boomer-) Generation argwöhnt ja, die Jüngeren hätten kein Orientierungsvermögen mehr und wären ohne ihre elektronischen Gadgets verloren. Drückte man einem verirrten Angehörigen der Generation Z einen patentgefalteten Falk-Plan in die Hand, würde er sich hilflos darin verheddern. Tatsächlich scheint sich das Orientierungsvermögen heutiger Kinder gegenüber früheren Generationen verschlechtert zu haben. Das aber hängt wohl auch damit zusammen, dass sie heutzutage selbst kurze Wege gefahren werden, statt auch mal einen Kilometer selbstständig zu Fuß oder zwei bis drei Kilometer mit dem Rad zu bewältigen, wie es für uns Ältere früher noch selbstverständlich war („OK, Boomer“, höre ich den Chor sarkastisch kommentieren).

Aber natürlich ist es praktisch, von GPS-Satelliten assistiert zu fahren und sich mit Google Maps auch in fremden Städten zurecht zu finden; ich nutze die Satellitennavigation ja selbst. Und es wäre auch unbestreitbar praktisch, wenn in den Metadaten der eigenen Fotos nicht nur der Aufnahmezeitpunkt, sondern auch der Ort und die Blickrichtung stünden. Bei meiner schon etwas älteren Pentax K-1 mit eingebautem GPS-Empfänger ist das auch der Fall: Ist dieser eingeschaltet und kann genug Satelliten für eine eindeutige Ortung empfangen, werden diese Informationen eingetragen. Doch die meisten aktuellen Kameras tun das nicht.

Eine Impression aus Rom – aber wo aufgenommen?

Vor einiger Zeit schenkte ich Freunden ein Foto, das ich vor etlichen Jahren in Rom aufgenommen hatte, und sie wollten wissen, wo genau das war. GPS-Metadaten waren nicht vorhanden. Nun gibt es in Rom natürlich viele bekannte Bauwerke, aber hier war keines davon im Bild. Immerhin erinnerte ich mich daran, dass ich beim Parlament vorbei gekommen und dann Richtung Süden gegangen war; so war ich zu einer Piazza gelangt, wo ich mich nach links wandte und dieses Foto gemacht hatte. Auf Google Maps war der gesuchte Platz, die Piazza Capranica, schnell gefunden, und mit Street View (die deutsche Verpixelungssucht ist in Italien glücklicherweise unbekannt) konnte ich den Aufnahmeblickwinkel annähernd rekonstruieren. 

Hatte man vor zehn Jahren noch vermutet, Empfänger für die Positionsdaten von Satelliten – nicht nur des amerikanischen GPS-Systems, sondern auch denen Russlands, Chinas und der EU – würden im Zuge des technischen Fortschritts langsam in alle Kameras einziehen, sieht die Realität heute ganz anders aus. Die Kamerahersteller scheinen immer mehr auf eigene Smartphone-Apps zu setzen, die Positionsdaten an die per Bluetooth gekoppelte Kamera übertragen.

Der Exif-Metadatenstandard ist schon vor Jahren um eine Fülle von Feldern für GPS-Daten erweitert worden. Neben der geografischen Länge und Breite des Aufnahmeorts kann man so die Höhe über Null, die Aufnahmerichtung, die Bewegungsrichtung und die Geschwindigkeit eintragen – und die von den Satelliten mit ihren Atomuhren übermittelte Uhrzeit, die allemal genauer als die Kamerauhr ist. Die Möglichkeiten werden aber auch dann nicht immer ausgenutzt, wenn ein GPS-Empfänger eingebaut oder als optionales Zubehör angeschlossen ist. Auf der anderen Seite fehlt es auch an einer vollständigen Unterstützung durch Software. Lightroom Classic beispielsweise zeigt zwar die Position auf einer Karte an, die Aufnahmerichtung aber nur auf acht Himmelsrichtungen (Nord, Nordost, Ost …) vergröbert, obwohl die Daten auf Bruchteile eines Grad genau eingetragen werden (zugegeben: Viel genauer als von Lightroom angegeben ist die Messung meist auch nicht). GraphicConverter macht es besser und zeigt die Aufnahmerichtung auch auf der Karte – aber nicht den ebenfalls bekannten Bildwinkel, wie Leser Prodrejo moniert. Dieser ließe sich ja leicht aus Brennweite und Sensorgröße berechnen.

Wenn ich die GPS-Daten des iPhone mit denen meiner „richtigen“ Kamera, der Pentax K-1, vergleiche, schneidet das Handy deutlich besser ab. Wenn die Kamera keine Satelliten findet, erkennt das iPhone immer noch seine geografische Position, und wenn beide Empfang haben, ortet sich das iPhone präziser und liegt meist nur wenige Meter daneben. Das heißt nicht unbedingt, dass Apple einen besseren Empfänger als Ricoh verbaut, aber Smartphones – nicht nur das iPhone, sondern auch solche mit Android-Betriebssystem – können mehrere Methoden der Positionsbestimmung kombinieren, weshalb sie robuster und präziser arbeiten.

Handys nutzen dazu unter anderem das Mobilfunknetz selbst, indem sie ihre Position zwischen den nächsten drei Funkmasten triangulieren – je höher die Feldstärke des Signals, desto näher muss ein Funkmast sein. Das ist zwar eine relativ grobschlächtige Methode und nicht sehr genau, aber sofern sich das Handy überhaupt ins Netz einbuchen kann, weiß es daher auch ungefähr, wo es sich befindet. Eine dritte Ortungsmethode basiert auf den bekannten Positionen von WLAN-Routern. Die Autos, die im Auftrag von Google und Apple Straßen in aller Welt befahren und Fotos für Google Street View und Apple Look Around aufnehmen, registrieren gleichzeitig alle empfangbaren WLANs und deren Kennung. Eine Triangulation zwischen diesen ermöglicht insbesondere in Städten mit einer hohen WLAN-Dichte eine präzise Ortung; auf dem Lande oder gar fern jeder menschlichen Ansiedlung bringt dieses Verfahren dagegen wenig bis nichts. In Kombination sind diese drei Methoden allerdings sehr leistungsfähig und verlässlicher als eine GPS-Ortung allein. Hier ein paar Beispiele anhand von Aufnahmen mit meinem iPhone 12 und ihren GPS-Daten, wie sie der GraphicConverter anzeigt:

Welches Stockholmer Café war es noch mal, dessen Eingangsbereich ich hier fotografiert hatte? Die GPS-Daten verraten es.
Da ich von einem Schiff aus fotografiert hatte, wurde nur eine niedrige Höhe von einem Meter über Null gemessen.
Die Aufnahmeposition am Ufer, nahe einem schmalen Holzbohlenweg, wurde präzise erkannt.
Selbst im Flugzeug funktioniert die Ortung noch, ist aber oft etwas weniger genau.
Innenräume wie hier im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe sind eine Herausforderung für GPS, da die Funksignale der Satelliten dort stark gedämpft sind. Hier hat es trotzdem geklappt; selbst die Aufnahmerichtung wurde halbwegs korrekt erkannt.

GPS-Empfänger in einer Kamera dürften da kaum mithalten können; meine K-1 zumindest kann ihre Position nicht so genau ermitteln, und in Gebäuden streikt die GPS-Ortung oft ganz. Dann wird auch nicht die kurz zuvor gemessene Position, sondern gar nichts eingetragen, was zwar einen Pluspunkt für Ehrlichkeit gibt, aber eher unpraktisch ist. Dabei verbraucht der Empfänger Strom, während mein Handy parallel dazu den gleichen Job macht – und dazu noch besser.

Ich glaube daher nicht, dass die Zukunft in Kameras mit GPS-Empfänger liegt. Das sowieso vorhandene Handy macht diesen weitgehend überflüssig. Eine halbwegs genaue Ermittlung der Aufnahmerichtung mit dem Smartphone setzt allerdings voraus, dass es fest mit der Kamera verbunden ist – eine Halterung für den Blitzschuh bietet sich dazu an. Eine Live-Übertragung der Positionsdaten an die Kamera kann über eine App erfolgen. Eine Alternative wäre eine Tracking-App, deren Daten sich nachträglich mit den Bildern zusammenführen lassen, wie an dieser Stelle von Christoph Künne beschrieben. Wie von unserem Leser Thomas Bach angeregt ist es empfehlenswert, bei jeder Foto-Session mit seinen „richtigen“ Kameras jeweils einmal die Handy-Uhranzeige zu fotografieren. Auf dieser Basis kann man die Aufnahmezeiten aller Bilder auf auf einen Schlag korrigieren – korrekte Aufnahmezeiten sind eine Bedingung für die präzise Zuordnung von Geodaten zu Bildern.

Übrigens: Vielleicht fragen Sie sich, warum ich oben geschrieben hatte, dass vier empfangbare Satelliten für die Positionsbestimmung nötig seien. Meist liest man ja, dass drei Satelliten genügten. Tatsächlich könnte man nach der Messung der Entfernung zu drei Satelliten mit bekannter Position seine eigene Position fast eindeutig bestimmen. Nur fast eindeutig, weil es zwei mögliche Positionen gibt, aber da sich eine davon in der Leere des Weltraums befindet, kann man sich sicher sein, dass es die andere ist. Diese Berechnung setzt aber voraus, dass man die Uhrzeit ebenso genau kennt wie die Satelliten; man bräuchte also eine Atomuhr, die aber kein handelsüblicher GPS-Empfänger hat. Stattdessen nutzt der Empfänger einen vierten Satelliten als unabhängige Zeitreferenz, weshalb er in der Praxis eben die Signale von vier statt nur von drei Satelliten auswerten muss.


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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3 Kommentare

  1. Da ich die Kamera nicht die ganze Zeit eingeschaltet lasse, sind für mich sind die ewig langen Zeiten für den Verbindungsaufbau zwischen Kamera und iPhone das größte Handicap. Auch habe ich immer wieder erlebt, dass die Verbindung zwischen den Geräten aus unverständlichen Gründen abbricht.
    Ich habe deshalb immer ein kleines Garmin GPS Gerät in der Tasche. Dieses Gerät läuft den ganzen Urlaub durch, außer wenn ich jeden Abend die Akkus wechsele. Die GPS Daten werden dann am heimischen Computer den Fotos hinzugefügt – fertig. Ich nutze dafür HoudahGeo.

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