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Computational Photography: Die „Wahrheit“ und die Smartphone-Fotografie

Smartphone-Kameras liefern inzwischen eine beachtliche Bildqualität ab. Das ist angesichts der winzigen Sensoren nur möglich, weil ein Foto nicht einfach aus einer einzelnen Belichtung stammt, sondern „computational“ aus mehreren, ohne Zutun des Anwenders erzeugten Einzelaufnahmen zusammengefügt wird. Das kann zu skurrilen Fotos führen.

Keine Fotomontage, sondern ein „ganz normales“ iPhone-Foto. Vergleichen Sie die Armhaltung der Braut im Vordergrund mit denen der Spiegelungen. © Tessa Coates. Computational Photography
Keine Fotomontage, sondern ein „ganz normales“ iPhone-Foto. Vergleichen Sie die Armhaltung der Braut im Vordergrund mit denen der Spiegelungen. © Tessa Coates

Computational Photography: Überblick

Bei der herkömmlichen Fotografie wird Licht optisch auf einen Film oder Sensor gelenkt und damit eine Szene eingefangen. Bei der Computational Photography beginnt der Prozess genauso, beschränkt sich aber nicht darauf. Denn dabei werden mehrere Aufnahmen aus einem Kameramodul oder auch aus den unterschiedlichen Kameramodulen unterschiedlicher Brennweite miteinander verrechnet. Das kann mit Zutun des Anwenders geschehen (etwa durch Einschalten eines Panorama-Modus) oder auch vollautomatisch.

Unterstützt durch NPUs (Neural Processing Units), „KI-chips“ mit hoher Rechenleistung in den Smartphones, werden dadurch ermöglicht:

  • Panorama-Aufnahmen
  • ein höherer Dynamikumfang
  • eine Erhöhung der Bildauflösung und mehr Details
  • simulierte Langzeitbelichtungen frei Hand – ohne Verwacklungen
  • das Erzeugen einer Tiefenkarte und damit eine – auch nachträglich mögliche – Reduzierung der Schärfentiefe
Eine solche Aufnahme out-of-camera wäre ohne aufwendige Nachbearbeitung einer vom Stativ aufgenommenen Raw-Datei oder ohne Belichtungsserie nicht möglich. Mit dem Smartphone war es kein Problem, diesen großen Dynamikumfang freihändig bei wenig Licht zu meistern. Das Foto zeigt sogar Sterne! © Olaf Giermann, iPhone Pro 14 Max. Computational Photography
Eine solche Aufnahme out-of-camera wäre ohne aufwendige Nachbearbeitung einer vom Stativ aufgenommenen Raw-Datei oder ohne Belichtungsserie nicht möglich. Mit dem Smartphone war es kein Problem, diesen großen Dynamikumfang freihändig bei wenig Licht zu meistern. Das Foto zeigt sogar Sterne! © Olaf Giermann, iPhone Pro 14 Max
„Langzeitbelichtungen“ aus der Hand sind mit Smartphones kein Problem. Tatsächlich werden dabei viele Einzelbilder zusammengefügt. © Olaf Giermann, iPhone 14 Pro Max. Computational Photography
„Langzeitbelichtungen“ aus der Hand sind mit Smartphones kein Problem. Tatsächlich werden dabei viele Einzelbilder zusammengefügt. © Olaf Giermann, iPhone 14 Pro Max

Die Computational Photography hat damit viele Vorteile gegenüber der traditionellen, rein optischen Methode – kann aber durch die Verrechnung der Bilderserien zu skurrilen Ergebnissen führen.

KI-Fakes

Wie bekannt wurde, sorgte Samsung bei seinen Smartphones für einen schöneren Mond, indem es unscharf fotografierte Flecken auf dunklem Grund ( = am Nachthimmel) einfach per KI durch ein höher auflösendes Bild des Mondes ersetzen ließ. Kann man machen, ist dann aber keine Computational Photography, sondern schlicht eine Mogelpackung – auch wenn es beim Mond jetzt keine große Rolle spielen dürfte. Denn von dem sehen wir immer nur die gleiche Seite (durch die Libration keine 50 %, sondern 59 Prozent der Mondoberfläche). Mehr zur „Samsung und der Mond“-Geschichte: „Samsung brüstet sich mit „Space Zoom“ und kristallklaren Mond-Fotos – ein Nutzer findet heraus: alles Fake.“

© Olaf Giermann. Computational Photography
© Olaf Giermann

Witzige Panoramen

Bei bewegten Objekten im Bild ergeben sich beim Aufnehmen eines scrollenden Panoramas mit dem Smartphone durch das fehlerhafte Zusammenfügen mitunter lustige Deformationen, Verkürzungen und Verlängerungen der bewegten Protagonisten oder Objekte:

Quelle: Unbekannt
Quelle: Unbekannt

Weitere, mehr oder weniger geplante Panorama-„Unglücke“ finden Sie hier.

Außergewöhnlicher Zufall durch die Computational Photography

Keine Panorama-Aufnahme, kein kombiniertes Live-Foto und auch keine nachträgliche Bildmanipulation ist dieses iPhone-Foto, auf dem die Braut im Vordergrund und ihre zwei Spiegelungen völlig unterschiedliche Posen zeigen:

Ein solches Foto mit einer einzigen Auslösung zu erhalten, dürfte man sehr selten erhalten. Es zeigt aber wunderbar, dass die Computational Photography eben nicht auf einer einzelnen Belichtung basiert. Hier müssen die Lichtbedingungen in den Spiegelungen unterschiedlich genug gewesen sein, dass sich die Smartphone-Algorithmen entschieden haben, diese kompletten Bereiche aus unterschiedlichen Belichtungen zusammenzusetzen. Nachzulesen ist die ganze Geschichte bei Petapixel.


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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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