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Dresden 1945 – Interview mit Yadegar Asisi

Eine kurze Geschichte der Rundbilder

DOCMA: Panoramen galten vor der Erfindung des bewegten Bildes als Volksunterhaltung, die man auch auf Jahrmärkten bestaunen konnte. 

Asisi: Da muss ich einhaken: Das Panorama besitzt eine ganz besondere Wirkung und Kraft, die maßgeblich von seiner Größe ausgeht. Aus diesem Grund hat es im Grunde nichts mit den transportablen, kleinformatigen Panoramadarstellungen zu tun, die man früher auf Jahrmärkten anschauen konnte. Erfunden – und patentiert – hat das Panorama in den 1780er Jahren der Ire Robert Barker. Seine Idee bestand darin, den Betrachter in eine maßstabsgetreue 360-Grad-Umgebung zu stellen, die aus Gemälden bestand. In den 1790ern baute er bereits Rotunden mit 30 Metern Durchmesser und 15 Metern Höhe für seine Gemälde. Das waren richtige Gebäude, also nichts, mit dem man von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen konnte.

Barker wollte, dass man im Panaorma „in der Landschaft steht“ und projizierte die Umgebung daher auf einen Zylinder, in dem sich der Betrachter auf Horizonthöhe befand. So ergibt sich ein räumlicher Effekt – auch für Gruppen.

DOCMA: Wie kamen Sie auf die Idee, diese Kunstform nach 100 Jahren im Dorrnröchenschlaf wieder zum Leben zu erwecken? 

In ihrer Hochzeit waren sie Massenunterhaltungsmedien. Von Aktiengesellschaften betreiben, hatten sie sich strukturell längst von den einzelnen Künstlern gelöst, die sie gestalteten. Sie erzählten von großen geschichtlichen Ereignissen, zeigten Stadansichten, erzählten biblische Geschichten oder zeigten fremde Länder. Das Ende der Ära der Panoramen wurde im Jahr 1900 mit der Erfindung des Films eingeläutet. Als mir die Schwarzweiß-Reproduktion eines Panoramas der Stadt Rom im Jahr 312 in die Hände fiel, begeisterte ich mich schnell für die Idee, das inzwischen zerstörte Panorama in Farbe „wiederzubeleben“. Mich faszinierte in einer Zeit effektüberladener Bildwelten die Idee der Entschleunigung, die ausgiebige Beschäftigung mit einem Bild und seinen vielen Details. Glücklicherweise bin ich damit nicht allein. Die durchschnnittliche Zeit, die unsere Besucher in dem Panoramen verbringen, liegt zwischen 30 und 45 Miunten. Einige vertiefen sich aber auch bis zu fünf Stunden in die Betrachtung. Die emotionale Wirkung, die dabei entsteht, erkläre ich am liebsten mit dem Verhalten von Schulklassen: Fast immer sind die Kinder und Jungendlichen so überwältigt von der Bildwirkung, dass sie für die Zeit des Besuchs fast verstummen.

DOCMA: Waren Sie der erste, der diese Form des öffentlichen Panoramas wiederbelebt hat? 

Asisi: Nein, ganz ausgestorben sind Panoramen nie, sie haben nur massiv an Populrität eingebüßt und an Themevielfalt. Im 20. Jahrhundert übelebten sie vornehmlich im Form von Schlachtenmalereien, die der politischen Bildung dienten und wurden zur Heroisierung der Nationen genutzt. Besonders beliebt waren sie im ehemaligen Ostblock, zum Beispiel in Polen, China und Nordvietnam.

DOCMA: Herr Asisi, wir danken für das Gespräch.

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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