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X100VI: Das Comeback der Kult-Kamera

Fujis X100VI ist der lang erwartete Nachfolger der X100V, die im vergangenen Jahr kaum noch verfügbar und um so höher gehandelt war. Was bringt nun die X100VI und was bedeutet das für die zuletzt etwas vernachlässigte Klasse der Edelkompakten?

Die Fuji X100VI in Silber – es gibt sie auch in einer schwarzen Version. (Bild: Fujifilm)

Edelkompakte, also Kameras mit einem fest verbauten Objektiv fester Brennweite und einem großen (APS-C- oder Kleinbild-) Sensor, sind rar geworden. Sony und Zeiss haben dieses Segment längst aufgegeben (und was Zeiss betrifft den Kamerabau überhaupt), und die Ricoh GR III (x) ist nun auch schon fünf Jahre alt. Immerhin ist Leica am Ball geblieben und hat vor einem Jahr die Q3 eingeführt, aber dieses Modell mit einem 60-Megapixel-Kleinbildsensor spielt bei einem Verkaufspreis von knapp 6000 Euro in seiner eigenen Liga. Nach der Leica X1 (2009) hatte die Fuji X100 (2011) die Edelkompaktklasse mit APS-C-Sensor einst mitbegründet, aber die X100V als fünftes Modell dieser Baureihe war nach vier Jahren reif für die Ablösung durch einen zeitgemäßen Nachfolger. Jetzt ist die X100VI da, und vor zwei Wochen konnte ich sie schon einmal in Augenschein nehmen.

Äußerlich gleicht die X100VI dem Vorgängermodell, nur die Position der rückwärtigen Tasten hat Fuji behutsam optimiert. Das Display lässt sich um 90 Grad nach oben und um 45 (statt wie bisher 30) Grad nach unten kippen.

Auf den ersten Blick gleicht die X100VI der X100V aufs Haar. Sie ist kaum merklich dicker geworden, was den Einbau eines 5-Achsen-Bildstabilisators zuzurechnen ist, der nun um bis zu 6 EV längere Belichtungszeiten ohne Verwacklungsunschärfen erlaubt, und unwesentliche 43 Gramm schwerer. Während Fuji früher gerne mal von Modell zu Modell mit unterschiedlichen Anordnungen der Bedienelemente experimentiert hatte, ist diesmal fast alles beim Alten geblieben – und das ist gut so.

Geblieben ist auch das f/2 23-mm-Objektiv (entsprechend 35 mm im Kleinbildformat), das zuletzt für die X100V neu gerechnet worden war – offenbar schon im Hinblick auf höhere Sensorauflösungen, wie sich jetzt zeigt. Schließlich gab es auch keine Änderungen beim Hybridsucher – dem definierenden Merkmal der X100-Baureihe –, der wahlweise ein optischer Sucher mit überlagerten digitalen Informationen oder ein elektronischer Sucher sein kann. Das optional in das optische Sucherbild einblendbare digitale Schnittbild macht die Kamera zur Messsucherkamera, wenngleich man sich wohl meist auf den Autofokus verlassen wird.

Das Objektiv der X100VI ist das der X100V; auch die Weitwinkel- und Telekonverter des Vorgängers lassen sich weiter verwenden.

Im Aluminium-Gehäuse der X100VI steckt allerdings die Elektronik einer X-T5, mit einer Firmware auf dem Stand der zuletzt eingeführten Mittelformatkamera GFX100 II. Der Sensor löst 40 Megapixel auf und dessen Daten werden vom X-Prozessor 5 verarbeitet; den Pufferspeicher hat Fuji vergrößert, so dass im Serienbildmodus trotz der höheren Auflösung nun mehr als doppelt so viele Bilder in Folge aufgenommen werden können. Der Autofokus mit einer KI-gestützten Motiverkennung ist auf dem Niveau der GFX100 II, und diese Verbesserungen werden auch den schon eingeführten X-Modellen der aktuellen Hardwaregeneration zugute kommen, also der X-H2, X-H2S, X-T5 und X-S20 – entsprechende Firmware-Updates sind angekündigt. Damit wird dann auch die Filmsimulation Reala Ace nachgerüstet, die Fuji ebenfalls mit dem Mittelformatmodell eingeführt hatte; die X100VI hat sie natürlich schon ab Werk.

Die X100IV unterstützt auch Adobes Frame.IO, kann also Fotos und Filme direkt in die Cloud hochladen – eine praktische Sache insbesondere für Profis. Firmware-Upgrades, mit denen auch die X-H2 und X-H2S dieses Feature erhalten, hat Fuji angekündigt, für die X-T5 und X-S20 scheint bislang kein solches Upgrade geplant zu sein.

Die X100VI nutzt weiterhin den Akku NP-W126S des Vorgängermodells.

Die nahezu unveränderten Gehäusedimensionen ließen keinen größeren Akku zu, wie ihn mittlerweile die meisten aktuellen Fuji-Modelle haben. Es bleibt beim NP-W126S des Vorgängermodells, der nun aber für 450 statt 430 Aufnahmen (jeweils mit optischem Sucher) gut sein soll – der neue Prozessor ist nicht nur leistungsfähiger, sondern spart auch Strom. Der SD-Kartensteckplatz unterstützt weiterhin nur UHS I; der noch schnellere Standard UHS II wird laut Fuji selbst für den neuen 6,2K-Videomodus der X100VI nicht gebraucht und ein dafür geeigneter Chip wäre größer und leistungshungriger gewesen – teurer natürlich auch.

Apropos teurer: Wenn die X100VI Ende des Monats in einer silbernen und einer schwarzen Version in den Handel kommt, wird sie rund 1800 Euro kosten, 300 Euro mehr als das Vorgängermodell. Die Preissteigerung ist vor allem der Inflation geschuldet, aber auch der verbesserten Ausstattung zuzurechnen. Unabhängig von ihrem UVP wurde die X100V zuletzt zu teilweise absurd hohen Preisen gehandelt, sowohl neu als auch gebraucht, nachdem die Halbleiterkrise die Produktion ins Stocken gebracht hatte. Es bleibt zu hoffen, dass die X100VI nun ab Markteinführung problemlos lieferbar sein wird. Dass die Produktionsstätte der Kamera nun in China statt in Japan liegt, könnte ihre Verfügbarkeit verbessern; irgendwelche Nachteile der Produktionsverlagerung, wie sie manche befürchteten, konnte ich nicht feststellen.

Auch Zweifel daran, ob das gegenüber der Vorgängerversion unveränderte Objektiv dem 40-MP-Sensor gewachsen wäre, kann ich nicht bestätigen. Selbst bei offener Blende kann man sein Motiv nahe dem Bildrand platzieren.

Übrigens: Die Raw-Dateien der X100VI werden seit heute von Lightroom Classic, Lightroom und Camera Raw unterstützt.


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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