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Weißabgleich: Die im Dunkeln sieht man doch

Nein, man sieht nicht nur die im Lichte, auf die der Weißabgleich der Kamera üblicherweise abgestimmt wird, und die Schatten stellen ihre eigenen, oft ganz anderen Anforderungen an den Weißabgleich. Aber schon in Lightroom können Sie für neutrale Farben in hellen wie dunklen Bildbereichen sorgen.

Auf den ersten Blick scheint der Weißabgleich eine einfache Sache zu sein. Das Licht, das unser Motiv beleuchtet, ist nicht immer neutral, enthält also nicht immer alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts in annähernd gleichen Anteilen. Wenn bestimmte Wellenlängenbereiche und damit Farben überwiegen, muss man den Weißpunkt in deren Richtung schieben, um den Farbstich zu kompensieren. In Lightroom (und Camera Raw) gibt es dafür die Regler »Temperatur« und »Tonung«, die den Weißpunkt zwischen Blau und Gelb beziehungsweise Grün und Violett festlegen. Der Königsweg zum perfekten Weißabgleich scheint über eine Lichtmessung zu führen: Man fotografiert die Lichtquelle mit einer Diffusorscheibe und stimmt den Weißpunkt darauf ab.

Weißabgleich
Der Schneemann in der Sonne ist weiß, während der Schnee im Schatten einen Blaustich aufweist – er reflektiert das Licht des blauen Himmels.

Spätestens im Winter stellt man aber fest, dass das nicht die ganze Geschichte sein kann. Wenn der erste Schnee fällt, macht der automatische Weißabgleich Probleme, denn Schneelandschaften zeigen in vielen Fotos einen heftigen Blaustich. Und das ist ja auch ganz logisch, denn wenn der Schnee im Schatten liegt, reflektiert er statt des direkten Sonnenlichts vor allem das Licht des blauen Himmels, und das ist nun einmal blau. Schnee macht dieses Phänomen augenfällig, weil er das Licht fast vollständig reflektiert und auch im Schatten noch relativ hell ist, aber dasselbe Problem gibt es auch im Sommer: Schatten sind generell bläulich und haben einen ganz anderen Weißpunkt als die Bildbereiche, die vom direkten Sonnenlicht getroffen werden.

Wer jemals versucht hat, sein Model unter dem Blätterdach von Bäumen zu fotografieren, kennt das ganz ähnliche Problem, dass die Schatten vom reflektierten Licht getroffen werden – reflektiert von grünen Blättern und daher mit einem Richtung Grün verschobenen Weißpunkt. Wann immer man in einer Szene mit einer dominierenden Hintergrundfarbe fotografiert, muss man berücksichtigen, dass von diesem Hintergrund reflektiertes Licht eine andere Farbe als das direkte Licht hat.

Weißabgleich
Im Panel »Kamerakalibrierung« lässt sich ein Grünstich in den Schatten beseitigen.

Die Weißabgleichsregler im Raw-Konverter können hier zwar nicht helfen, aber nachdem man damit den richtigen Weißpunkt für die Lichter gewählt hat, gibt es andere Möglichkeiten, einen zweiten Weißabgleich für die Schatten durchzuführen. In Lightroom bietet unter anderem das Panel »Kamerakalibrierung« eine solche Option: Hier können Sie eine grüne oder violette »Tonung« der Schatten einstellen, die sich beispielsweise gut eignet, einen Farbstich bei Aufnahmen im Grünen zu kompensieren, indem Sie den Regler in Richtung Violett verschieben.

Weißabgleich
Der durch Reflexionen des Laubs verursachte Grünstich (links) wird mit einer violetten Tonung in der »Kamerakalibrierung« entfernt (rechts).
Weißabgleich
Eine leichte »Teiltonung« ist zur Korrektur aller möglichen Farbstiche in den Schatten geeignet.

Zur Korrektur aller anderen Farbstiche in den Schatten empfiehlt sich das Panel »Teiltonung«. Dazu wählen Sie unter »Schatten« einen »Farbton«, der der Komplementärfarbe des Farbstichs entspricht, und erhöhen dann behutsam die »Sättigung«, bis Ihnen das Ergebnis hinreichend neutral erscheint. Gegebenenfalls müssen Sie noch mit dem »Abgleich« dafür sorgen, dass nur die farbstichigen Schatten von der Korrektur erfasst werden.

Weißabgleich
Der Blaustich der Burgmauer (links) verschwindet dank einer »Teiltonung« der Schatten (rechts).

In unserer Jubiläumsausgabe DOCMA 80, die am 6. Dezember 2017 erscheint, finden Sie noch mehr Tipps und Tricks rund um den Weißabgleich in Lightroom.

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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