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Die Panoramafreiheit vs. die Usurpatoren des öffentlichen Raums

Im jüngst hier zu lesenden Gastkommentar von Herbert Becke ging es um die Panoramafreiheit, die Fotografen hierzulande genießen, auch wenn sie manchmal die Polizei rufen müssen, um sie zu verteidigen. Aber trotz dieses Rechtsanspruchs kann die Fotografie im öffentlichen Raum bisweilen verboten sein, wie sich letzte Woche in Hamburg zeigte.

Die Panoramafreiheit vs. die Usurpatoren des öffentlichen Raums
Die HafenCity Zeitung spitzte es zu: Für gut eine Woche herrschte im Hamburger Hafen und angrenzenden Gebieten ein (kommerzielles) Fotografierverbot.

Wer in der letzten Woche im Hamburger Hafen, der HafenCity, der Speicherstadt und angrenzenden Gebieten fotografieren wollte, stieß an die Grenzen der Panoramafreiheit. Der Lichtkünstler Michael Batz (übrigens auch der Autor des „Hamburger Jedermann“, der jeden Sommer in der Speicherstadt aufgeführt wird) hatte wieder mal den Hafen in die Lichtskulptur „Blue Port“ verwandelt – mit Tausenden blauer Lampen an den Fassaden von Gebäuden, an Brücken, Kränen und anderen Objekten. Selbst der „Michel“, eine von Hamburgs Hauptkirchen, wurde mit einbezogen. Das sah gut aus und wurde gern fotografiert, aber dabei gab es ein Problem: Da es sich um eine temporäre Kunstinstallation handelte, griff die Panoramafreiheit in diesem Fall nicht. Man durfte zwar fotografieren – ein vollständiges „Fotografierverbot“ gab es nicht –, aber man durfte seine Fotos nicht ohne eine Lizenz des Künstlers veröffentlichen. Und da es im Hafen, wohin man auch schaute, überall blau leuchtete, brauchte man seine Kamera ab Eintritt der Dämmerung gar nicht erst auszupacken – in einem mehrere Quadratkilometer großen Gebiet, das auch das Weltkulturerbe Speicherstadt und Kontorhausviertel umfasste.

Die Panoramafreiheit vs. die Usurpatoren des öffentlichen Raums
Die Hamburg Port Authority warnte, dass die Panoramafreiheit nicht für den „Blue Port“ gilt.

In diesem Fall kam noch ein anderes Problem hinzu, denn auf das vergangene Wochenende fielen auch die Hamburger „Cruise Days“ mit einem großen Auftrieb an Kreuzfahrtschiffen auf der Elbe. Mehrere davon gehörten, wie am typischen „Kussmund“ am Bug leicht zu erkennen, der Reederei AIDA Cruises, die bereits einen Anbieter von Landausflügen wegen einer Verletzung des Urheberrechts verklagt hatte, nachdem dieser mit dem Fotos eines Schiffs der AIDA-Flotte geworben hatte. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im April dieses Jahres und damit für dieses Event noch rechtzeitig entschieden, dass solche Fotos durch die Panoramafreiheit gedeckt sind – obwohl die Schiffe naturgemäß nicht ortsfest sind, wie es §59 des Urheberrechtsgesetzes eigentlich verlangt. Sonst wären die Fotogelegenheiten in diesen Tagen noch weiter eingeschränkt gewesen.

Die Panoramafreiheit vs. die Usurpatoren des öffentlichen Raums
Die AIDA Prima mit dem charakteristischen „Kussmund“, der die Schiffe von AIDA Cruises auszeichnet.

Dass die Panoramafreiheit gemäß §59 nicht uneingeschränkt gilt, ist durchaus sinnvoll, aber wie man am Beispiel des „Blue Port“ sieht, kann ein Künstler ganze Stadtviertel in ein Kunstwerk verwandeln und die Fotografie im öffentlichen Raum damit erheblich behindern. Auch Unternehmen wie AIDA Cruises versuchen, Fotos von öffentlichen Plätzen einzuschränken – wobei ihre Schiffe so groß wie Hochhausblöcke sind und selbst dann leicht auf ein Bild geraten, wenn sie gar nicht das Hauptmotiv sind. In diesem Fall hat der BGH diesem Ansinnen Einhalt geboten, aber zu Fällen wie dem „Blue Port“ gab es noch keine Klage und daher auch keine Gerichtsentscheidung. Ob der besondere Schutz temporär ausgestellter Kunstwerke tatsächlich gerechtfertigt ist, wenn das Stadtbild selbst zum Kunstwerk wird, halte ich für zweifelhaft – aber ich bin ja auch kein Jurist.

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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4 Kommentare

  1. Da lese ich einerseits vom Verbot des Abfotografierens farbig ausgeleuchteter Stadtviertel . . . und im Radio höre ich, dass der europäische Gerichtshof eben erst entschieden hat, das generelle Gentech-Mais-Anpflanz-Verbot in Europa aufzuheben . . . es ist vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der Begriff «gesunder Menschenverstand» wegen Nicht-Mehr-Gebrauchs aus der Liste der deutschen Redewendungen entfernt wird?

  2. Vielleicht sollte man das fotografieren generell verbieten?
    Die Kameraindustrie und mein „Labor“ aka Print Dienstleister werden sich freuen.

    Ernsthaft Leute, so langsam macht das Ganze keinen Spass mehr!

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