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CIPA, Corona und die Zukunft der Kameraindustrie

Auch in diesem Jahr sehen die Verkaufszahlen auf dem Kameramarkt wenig erfreulich aus, aber diesmal schlagen auch noch die Auswirkungen der Pandemie durch. Die Spiegelreflexkamera könnte zum Corona-Opfer werden. Wie sieht die Zukunft der Kameraindustrie aus?

CIPA, Corona und die Zukunft der Kameraindustrie
Kameraindustrie – Die Kamera-Verkaufszahlen im ersten Quartal dieses Jahres: Der jahreszeitlich übliche Aufschwung im März blieb diesmal aus. (Quelle: CIPA)

Januar und Februar sind traditionell schwache Monate für die Kamerahersteller, aber im März ziehen die Verkaufszahlen normalerweise an; in den letzten drei Jahren war es noch so, auch wenn die Verkäufe im Jahresmittel von Jahr zu Jahr zurückgingen. Nicht so in diesem Jahr, wie die jetzt veröffentlichten CIPA-Zahlen für das erste Quartal zeigen.

Die Gründe sind offensichtlich: Erst mussten einige der chinesischen Produktionsstätten während der COVID-19-Pandemie zeitweise schließen, was die Einführung mancher neuer Produkte verzögerte. Kaum war die Produktion aber wieder hochgefahren, lahmte der Absatz. Der Lockdown in vielen Ländern führte zur Schließung vieler Ladengeschäfte, und unter dem Damoklesschwert von Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust war auch die Neigung zum Onlinekauf nicht so groß wie gewohnt.

Während die Verkäufe aber in allen Bereichen und Märkten zurückgehen, fällt auf, dass die Spiegelreflexkameras gegenüber den spiegellosen Systemkameras immer weiter zurückfallen. Im März entfiel – nach Wert gerechnet – fast zwei Drittel des Umsatzes auf die Modelle ohne Spiegel. Zudem ist die typische spiegellose Kamera ein höherwertiges Produkt als die typische DSLR; es sind offenbar vor allem die billigen Einsteigermodelle, die im Spiegelreflexmarkt noch Erfolge versprechen. Wer eine Kamera für höhere Ansprüche sucht, schaut in das Regal mit den spiegellosen Modellen. Dazu passt auch Canons Hype um die scheibchenweise vorgestellte EOS R5: Die spannenden neuen Entwicklungen der Kameraindustrie finden im spiegellosen Segment statt.

Der amerikanische Historiker David Herlihy hatte vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Schwarze Tod, die Pestepidemie von 1348/49, die in Europa wohl zwei Drittel der Bevölkerung dahinraffte, zum Motor der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung wurde und damit einen Modernisierungsschub einleitete (David Herlihy: „Der Schwarze Tod und die Verwandlung Europas“, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1998). Durch den Mangel an Arbeitskräften bekamen Menschen berufliche und Bildungschancen, die ihnen eine verknöcherte Tradition zuvor verwehrt hatte. Gleichzeitig setzten sich neue, produktivere Produktionsweisen durch.

Die aktuelle Pandemie hatte bislang keine so dramatischen Folgen und wird sie wohl auch in Zukunft nicht haben, aber es steht zu vermuten, dass auch der durch die Wirtschaftskrise verursachte Anpassungsdruck manche Entwicklungen beschleunigen wird.

Wer weniger verkauft und sich daher mit schrumpfenden Einnahmen abfinden muss, wird bei den Kosten sparen, und es stellt sich für die Kamerindustrie die Frage, wie lange größere Investitionen im Spiegelreflexbereich überhaupt noch zu rechtfertigen sind. Dass der Trend generell zu den spiegellosen Kameras geht, ist schon lange klar, aber nun könnte es noch schneller gehen als bisher erwartet.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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