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Digilog

„Warum geht Andreas Weidner digital?“ Nein, mir ist nicht das Sprachvermögen abhanden gekommen. Ich zitiere nur den Titel des Vorworts eines neuen Buches von Fineart-Autor Andreas Weidner.

"Warum geht Andreas Weidner digital?" Nein, mir ist nicht das Sprachvermögen abhanden gekommen. Ich zitiere nur den Titel des Vorworts eines neuen Buches von Fineart-Autor Andreas Weidner. Weidner, seines Zeichens Evangelist der analogen Fototechnik, hat im Jahre 18 nach Photoshop eine Offenbarung gehabt: Plötzlich kehrt er davon ab, Digitalfotografen ? wie in früheren Publikationen ? als Träger von "Pixelbelichtungskästen" zu schmähen und wettert nun ganz vorsichtig gegen die "Berührungsscheu vor dem digitalen Labor". Seiner Ansicht nach gelingt hochwertige Fineart-Fotografie auch heute noch nicht so richtig mit digitalen Fotoapparaten, aber man kann jetzt immerhin seine Ergebnisse verbessern, wenn man guten analogen Film als Ausgangsmaterial im digitalen Workflow verwendet. "Bravo! Es geht doch!", möchte man ihm zurufen, "Der Weg ist steinig, die Materie komplex, aber Du schaffst es!" Zum Ende des Vorworts steigert er sich noch und räumt ein, HDR-Fotografie sei wegen mangelnder Passgenauigkeit bei Analogaufnahmen eine Domäne der Digitalfotografie. Jetzt ist man fast geneigt, den peinlichen Pseudo-Anglizismus der Überschrift zu verziehen.
Doch die Freude über seine Bekehrung währt nicht lange. Weidner nähert sich dem Thema Photoshop wie ein Verfechter des Pferdefuhrwerks einem modernen Kleinwagen: Vornehmlich geprägt von der eigenen Erfahrung und ohne Kenntnis der Standards einer Welt die er bisher verachtete. Das kann nicht gutgehen und es geht nicht gut. Im einseitigen Kapitel "So bekommt Photoshop mehr Power" erfahren wir, dass man seine Festplatte (unter Windows XP) in vier Partitionen aufteilen sollte: Eine für die Programme (80 GB), eine fürs System (10 Gigabyte), eine für Daten und eine für die Auslagerungsdatei (10 GB). Die Begründung: Das System kann dann kaputtgehen, ohne dass man die Programme neu installieren muss. Diese Idee ist fast ebenso naiv wie zu glauben, eine Festplattenpartition für die Photoshop-Auslagerungsdateien sei so gut wie eine zweite physikalische Festplatte, die ein Stück weiter oben zur RAID-Konfiguration empfohlen wird. Zum Schluss rät Weidner, die Protokollaufzeichnung von 20 auf 400 Schritte hochzusetzen. Das bremst Photoshop nachhaltig, denn zur Beschleunigung reduziert man die Rückwärts-Schritte. Nach drei Seiten Photoshop-Einführung in Tastenkürzeln geht er ans Eingemachte. Die folgenden sieben Kapitel tragen Namen wie "Vik", "Pors Pin" oder "Quiberon". In ihnen bearbeitet Weidner verschiedene Bildprojekte, ohne dass man in der willkürlichen Themenzusammenstellung eine didaktische Struktur erkennen könnte. Im letzten Kapitel lernen wir, dass mit Weidners Epsondrucker "das Drucken einer Datei einfach" ist und er berichtet im Anschluss ein wenig von seinem Druckertreiber.
Hätte Weidner dieses 80-Seiten-Buch in den neunziger Jahren vorgelegt, wäre es wegen seiner thematischen Konzentration noch als interessanter Ansatz durchgegangen. Zehn, fünfzehn Jahre später ist es einfach nur peinlich. Warum also musste Andreas Weidner digital gehen?      
Digilog
von Andreas Weidner
Broschiert, 80 Seiten,
Lindemanns 2008
19,80 Euro
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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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