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(ED) Wörter, Bilder und ausgeliehene ­Gewinnprämien


Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, warum es jede Menge Bücher und Workshops zu Photoshop gibt, die zeigen, wie man damit die tollsten Bilder und Montagen hinkriegt, aber (soweit ich weiß) kein einziges zu Word, das zugleich erläutert, wie man korrekt mit Grammatik und Stil umgeht oder das einem gar den Weg zur Schriftstellerei ebnen möchte?
Letztlich sind beides nur Werkzeuge, wenn auch sehr anspruchsvolle, und ähnlich, wie man mit Word sowohl Romane und Gedichte als auch Einkaufslisten tippen kann, lassen sich mit Photoshop Bilder von hohem ästhetischen Reiz oder simple nachgeschärfte Fotos vom Kindergeburtstag produzieren. Beide Programme dienen uns also als Hilfsmittel, um kreativ zu arbeiten, und dennoch führen uns nur die Bücher und Tutorials der bildbearbeitenden oder -erzeugenden Software über das rein Handwerkliche hinaus zur ästhetischen Praxis. Warum das so ist, weiß ich auch nicht ? vielleicht befassen sich einfach mehr Menschen beruflich oder als ­Hobby mit Bildern als mit Wörtern.
Ein Unterschied zwischen Fachbüchern und Zeitschriften besteht darin, dass man die ersten gezielt kauft, weil man sein Wissen in einem klar umrissenen Bereich erweitern möchte, während man bei den zweiten zwar den Rahmen kennt, aber eher erhofft, Hinweise und Informationen zu erhalten, nach denen man direkt nicht gesucht hätte. Man wusste ja noch gar nicht, dass es dies oder jenes überhaupt gibt. Diese Rolle erfüllen nicht nur unsere umfangreichen Workshops, sondern vor allem die Tipps und Tricks. ­Seien es solche, die wir für Sie zusammengestellt haben, weil wir bei der eigenen Arbeit mit Photoshop gemerkt haben, wie hilfreich eine Abkürzung ist, die vielleicht nicht jedem vertraut ist ? sei es, weil wir von Ihnen eine Nachricht mit Bitte um Hilfestellung erhalten, die sich mit wenigen Worten, Bildern und Schritten klären lässt. Nicht immer können wir die Lösung aus dem Ärmel schütteln (und mitunter gehen Wünsche über die Möglichkeiten der Software hinaus), aber eine Antwort kriegen Sie von uns immer.
Neben der Arbeit am Heft sind wir schon wieder intensiv mit der Vorbereitung des DOCMA-Awards 2009 beschäftigt. Sie erinnern sich, unter dem Thema ?Richtig falsch? wird es um digitale Bildfälschungen gehen (mehr auf Seite 105), und wir haben diesmal viele Partner: Spiegel online, die Zeitschriften c?t und Photographie, Wissenschaftler, Bildforensiker, das Bundeskriminalamt ?
Zu Letzterem fragte mich kürzlich ein Leser, wie ich denn mit denen zusammenarbeiten könne, wo ich doch sonst für Bürgerrechte und gegen Bespitzelung und Überwachung eintrete. Nun, ich kann ohne mich zu verbiegen gegen das neue BKA-Gesetz sein und die Behörde trotzdem in einem Bereich unterstützen, in dem unsere vertrauten Werkzeuge nicht ge-, sondern missbraucht werden. Bildfälschung betreibt man nicht, um ethisch hohe Ziele zu verfolgen. Somit habe ich keine Probleme damit, die Entwicklung von Gegenmaßnahmen zu unterstützen (und auch Sie dazu aufzurufen).
Übrigens ? eine andere Frage, die an mich gerichtet wurde ? lehne ich es aus demselben Grund ab, mich als vereidigter Gutachter in diesem Bereich zu betätigen: Dann wäre ich nämlich gezwungen, vor Gericht zu erklären, woran ich erkannt habe, dass ein Bild gefälscht ist, und damit dem Fälscher genau das Wissen zu vermitteln, das ihm zur Perfektion noch gefehlt hat. Nein danke!
Was Award-Prämien betrifft, habe ich vor ein paar Tagen eine völlig neue Variante kennengelernt: Bei den Hasselblad Masters gewinnt man nicht etwa eine Kamera dieses Herstellers, sondern darf sie für ein paar Monate benutzen. Auf die Nachfrage, ob das denn nicht ein bisschen peinlich sei bei einer weltweiten Ausschreibung und einer Firma mit Millionenumsätzen, wurde mir erklärt, wer eine solche Kamera besitzen wolle, könne sie ja kaufen. Das ist ein schöner Gedanke, und ich habe überlegt, ob wir das beim DOCMA-Award künftig auch so machen sollten. Sie gewinnen zum Beispiel Photoshop und dürfen es ein paar Wochen einsetzen ? und dann geben Sie es wieder zurück. Um die Wertigkeit zu unterstreichen, könnte man es auch so handhaben: Sie gewinnen eine Hasselblad (die können Sie behalten) und die aktuelle DOCMA-Ausgabe (die müssen Sie nach einem Vierteljahr zurückschicken ? aber bitte ohne Eselsohren!)
Kürzlich ? im Umfeld der Photoshop-­Convention ? wurde ich bei einem Interview gefragt, welchen Ratschlag ich für Photoshop-Künstler hätte, die gerade damit beginnen, dieses Programm zu nutzen. Diese Frage verwirrte mich doch etwas (vielleicht war ich aber auch noch durch das vorausgehende Gespräch mit L.d.R. verwirrt, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollte) ? ganz so, als hätte man von mir wissen wollen, was ich einem Schreinermeister empfehlen würde, der gerade seinen ersten Hobel erworben hat. Ich habe ja gar nichts dagegen, wenn Menschen, die Bildbearbeitungssoftware anwenden, damit etwas machen, das als Kunst gilt. Aber man wird umgekehrt gewiss nicht dadurch zum Künstler, dass man Photoshop einsetzt; nicht einmal dadurch, dass man es technisch hervorragend beherrscht. Wie auch immer man ?Kunst? definieren mag ? dazu gehört schon etwas mehr, als zu wissen, wie man ein Werkzeug effektiv einsetzt, sei das nun ein Bleistift, ein Pinsel, eine ­Kamera oder eine Software. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein gutes Jahr 2009!

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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