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Montagefehler mit schwebender Jungfrau

Montagefehler
Ein schwebendes Model ohne Bodenhaftung – ein grober Montagefehler? | Bild: Olaf Giermann

 

In seiner Bildkritik nimmt Doc Baumann seit vielen Jahren in jeder DOCMA-Ausgabe fehlerhafte Montagen auseinander. Dabei gibt es immer wieder Zweifelsfälle – weist ein Bild tatsächlich Mängel bei Schattenwurf, Perspektive oder Plausibilität auf? Ein solcher Fall war diese Szene mit einem Model, das ohne erkennbaren Bodenkontakt wie ein Luftballon über einer Pfütze schwebt. Typisches Beispiel für einen groben Montagefehler?

 

Wussten Sie, das Sie beim DOCMA Award nicht nur als Einsender eigener Digitalbilder zum jeweiligen Thema wertvolle Scanpreise gewinnen können, sondern auch, indem Sie Bilder von anderen einschicken? Allerdings geht das nur in einer speziellen Kategorie, und diese Bilder müssen nicht besonders gut, sondern besonders schlecht sein. Denn bei jeder Jury-Sitzung zum Award wird auch der „Bad Pixel Award“ für die schlechteste Montage aus den Medien vergeben: Die „Ehre“ der Auszeichnung kommt dem jeweiligen Auftraggeber beziehungsweise der verantwortlichen Agentur zu – den Preis dafür allerdings erhält der Einsender.

Beim Award 2017 etwa ging der Preis an den Media-Markt für eine Anzeige mit nicht nur einem Montagefehler. Ein Wacom Tablet als Preis erhielt der Einsender für seine Aufmerksamkeit und seinen kritischen Blick. Es lohnt sich also, in Zeitschriften und im Web die Augen offen zu halten und Ausschau nach Anzeigen oder Illustrationen zu halten, bei denen etwas nicht stimmt.

 


Wozu Bildkritik an Montagefehlern?


Auch, wenn es gelegentlich schwer fällt: Zielsetzung der Bildkritik ist nicht, die Monteure mit Spott zu überschütten. Es geht darum, die Qualität von Montagen zu verbessern. Und das lernt man nicht nur durch die Positivbeispiele, die die vielen Tutorials in DOCMA vermitteln, sondern auch aus den Fehlern anderer. Wer auf den Bildkritik-Seiten oft genug gesehen hat, welche Montagefehler man beim Zusammenfügen unterschiedlicher Elemente zu einem Bild machen kann, wird demnächst für eigene Arbeiten vielleicht besser darauf achten, dass Schlagschatten zur Beleuchtungsrichtung passen, die Perspektive eingefügter Objekte zu der der Hintergrundszene, benachbarte Gegenstände dieselbe Scharfe aufweisen sollten, die Lichtcharakteristika übereinstimmen – und überhaupt: die gesamte Bildlogik stimmt.

Denn manchmal mag alles das, was ich da aufgezählt habe, stimmen, und dennoch gibt es einen Fehler bei der Plausibilität. Nehmen wir ein Beispiel: Sie montieren ein haushohes Monster in eine Straßenszene; Sie achten darauf, dass keiner der genannten Montagefehler auftritt. Und dennoch kann das Bild völlig unplausibel sein – weil Sie nicht daran gedacht haben, dass Fußgänger und Autofahrer nicht ihren alltäglichen Verrichtungen nachgehen würden, wenn ein solches Ungeheuer ein paar Meter an ihnen vorbeistampft. Sie würden in Panik davonlaufen oder erschreckt nach oben blicken und sich durch Gesten gegenseitig darauf aufmerksam machen. Ist ds nicht der Fall, bleibt das Monster – bei aller technischen Montageperfektion – ein Fremdkörper im Bild.

 


Die schwebende Jungfrau – ein Montagefehler?


Eine Unstimmigkeit ganz anderer Art findet sich in dem hier besprochenen Bild. Das ist insofern bemerkenswert, als es von meinem DOCMA-Kollegen Olaf Giermann stammt. Der gestaltet ja nun seit langer Zeit Montagen und sollte eigentlich wissen, worauf dabei zu achten ist. Oder handelt es sich hier um ein Vorstadium zu einem großen Tutorial, das er demnächst plant: Wie lässt man Personen und Objekte überzeugend schweben?

Doch ich weiß, dass es hier nicht darum ging. Dabei weiß Olaf doch ganz genau: Die Bodenhaftung eines einmontierten Objekts steht und fällt mit den richtigen Schatten; ein Schlagschatten, passend zur Beleuchtungsrichtung, und (selbst bei diffuser Beleuchtung) ein Kontaktschatten, wo Objekt und Boden zusammentreffen.

Dabei ist ihm die schwierige Spiegelung perfekt gelungen. Warum also der Montagefehler dort, wo das Model auf dem Boden steht?

 


Die Lösung


Keine Sorge, Sie müssen Olafs Tutorials künftig nicht mit Zweifeln an seiner Qualifikation im Hinterkopf lesen. Das Bild ist völlig in Ordnung. Es ist nicht einmal eine Montage. Es ist ein schlichtes Foto – wenn auch eins, dass seine Betrachter ein wenig in die Irre führt. Was allerdings gar nicht beabsichtigt gewesen war, sondern sich erst später bei Betrachtung der Fotos herausstellte.

Das Model steht nicht nur mit beiden Beinen fest im Leben, sondern auch auf dem Kiesuntergrund am Rande der Pfütze. Allerdings liegt der Horizont – wegen der extrem niedrigen Kamerapositionierung – sehr tief, etwa in Höhe der Hosenumschläge. Darum ist nicht zu erkennen, dass der – im Bild – rechte Fuß auf einer Bodenwelle ruht, so dass vom Kamerastandort aus der Schlagschatten erst ein Stück weiter links zu sehen ist. Dazwischen verläuft er in einer leichten Senke. Und da die Füße zudem nicht mit der ganzen Sohle, sondern nur mit dem vorderen Ballen bei erhobener Ferse aufgesetzt sind, sieht es so aus, als schwebe das Model ein ganzes Stück über dem Boden.

Also, kein Montagefehler, keine mangelnden Plausibilität, kein Bruch der Bildlogik. Alles in Ordnung!

Wäre es doch immer so! Leider reichen die schlechten Beispiele in jeder DOCMA-Ausgabe für einige Seiten. Falls Sie also selbst in den Medien auf etwas Passendes stoßen: Senden Sie das Bild (mit genauer Angabe der Quelle oder des Links) mit Ihrem Kommentar dazu an [email protected]. Vielleicht gibt es am Ende einen wertvollen Preis für Ihre Aufmerksamkeit. Sie kennen ja sicherlich den Spruch: Nichts ist so schlecht, dass es nicht wenigstens noch als schlechtes Beispiel dienen kann.

 

Montagefehler
Wegen der niedrigen Kameraposition ist der Kontakt- und Schlagschatten des rechten Fußes nicht zu erkennen.
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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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3 Kommentare

  1. „Es ist nicht einmal eine Montage. Es ist ein schlichtes Foto – wenn auch eins, dass seine Betrachter ein wenig in die Irre führt“
    Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht beabsichtigt ist, dann ist es kein „schlichtes“, sondern ein „schlechtes“ Foto.
    Da man als Fotograf die reale, dreidimensionale Welt auf zwei Dimensionen schrumpfen lassen muss weiß man eben, dass man solche irreführenden Situationen dadurch vermeiden muss, dass man eben in so einem Moment _nicht_ auf den Auslöser drückt.

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