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Geil ist geil ist billig

DOCMA-Leser Frank Kue nimmt einen billigen Werbeslogan und sein gestalterisches Pendant auseinander.

„Oh, was regt mich die Werbung dieses Ladens, die regelmäßig als mehrseitige Beilage meine Tageszeitung vollspammt, schon seit geraumer Zeit auf. Ich habe den Eindruck, sie will mir sagen: Alles an mir ist billig (was ja nicht zwingend dasselbe bedeuten muss, wie „preiswert“). Ob das auf die beworbenen Produkte tatsächlich zutrifft, soll hier mal außer acht bleiben.   Fangen wir mit dem Slogan an: „geil ist geil“. Ist genau einen Buchstaben von dem Slogan entfernt, der vor ein paar Jahren zunächst schwer eingeschlagen hatte, nach einiger Zeit aber doch in der Öffentlichkeit ein derart negatives Geschmäckle bekommen hat, dass man sich zu einer Überarbeitung genötigt sah. Damit man dem Papagei das Plappern nicht völlig neu beibringen muss, kam also „geil ist geil“ heraus. Abgesehen davon, dass ich dieses Wort bei jeder sich bietenden Gelegenheit verwenden zu müssen – außer dort, wo es ursprünglich mal herkam vielleicht – extrem ungeil finde: Es ist ja ein völliger Blödsinn dabei herausgekommen: geil ist geil, Persil bleibt Persil, Hinz ist Kunz. Herr, wirf Hirn vom Himmel. Um hier einigermaßen beim Thema Bildbearbeitung zu bleiben, erspare ich mir weitere Kommentare zu der stets lieblos aufgemachten Nummernshow der beworbenen Produkte. Nur soviel: Hey, Layouter: das kann man eventuell auch schöner machen. Das hier ist, genau, billig. 
Ein besonderes Ärgernis in dieser Werbung ist ein früh ergrauter Herr in schwarzem Smoking und mit Fliege (Michael Buffer, eher in den USA als hierzulande als Ring-Ansager bei Kampfsportveranstaltungen bekannt), der aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen seit ein paar Monaten diesen Katalog des Grauens garniert. Warum um alles in der Welt soll meine Kaufentscheidung denn ausgerechnet durch so einen Gigolo-Ersatz positiv beeinflusst werden? Meine Güte, ich kann sie nicht mehr sehen, diese „Daumen-hoch“-Geste, die mir sagen will, dass alles, was ich hier sehe, allererste Sahne ist. Einmal in meinem Leben möchte ich an so einer Stelle einen Daumen nach unten oder einen Stinkefinger sehen.  
A propos "Sahne", und hier kommen wir nun endlich auch zum Thema Bildkritik: Die aktuelle Kampagne steht unter dem Motto „Absahnwahn“, und folgerichtig montiert man o.g. Herrn eine undefinierbare weiße Pampe, die vermutlich für Sahne stehen soll, in Gesicht und Hände. Nun, positiv formuliert: An einigen Stellen ist das gar nicht so schlecht gelungen, aber an anderen, z.B. rund um Stirn und Auge, mangelt es doch ein wenig an räumlicher Wirkung, Schattenwurf und Struktur, und man meint, das alles sei ja doch einfach nur irgendwie über das Bild drübergepinselt. Was es ja eigentlich vermutlich auch ist. An dritter Stelle wiederum dachte sich der Praktikant des Grafikers, hier muss ich dem Sahneklecks mehr Tiefe verpassen, und er ergänzte an der rechten Hand einen Schattenwurf, der einem Scherenschnitt zur Ehre gereicht hätte. Das Wichtigste aber merken wir uns für später: Der gute Herr trägt seinen Scheitel rechts, und das bedeutet, zumindest in Deutschland, er ist verheiratet. 
Auf einer der nächsten Katalogeiten begegnen wir dem Herrn nämlich wieder. Die „Sahne“ hat er sich inzwischen abgewischt, in der linken Hand hält er ein Stängelchen, das vermutlich ein Mikrofon sein soll und dessen kugeliges und orangefarbenes Ende eine merkwürdige Hutkrempe trägt. Die rechte Hand wirft mir endlich den penetrant erhobenen Daumen entgegen: super, alles klar. Nein, nicht alles ist klar in diese Bild. Ja, natürlich hat der Grafiker seine Hausaufgaben gemacht, denn dieses merkwürdige Mikrofon, diese alberne und nichtsnutzige Hutkrempe, zitiert natürlich das Logo seines Auftraggebers. Das ist sehr brav gemacht. Das selbe trifft auf die Farbe Orange zu, die jener des Firmenlogos entspricht. Eva Heller beschreibt übrigens diese Farbe in ihrem Buch „Wie Farben wirken“ mit den Attributen: „Die billige Modernität, die Aufdringlichkeit …“, nun, auch diese Aufgabe wurde also recht gut umgesetzt. Billig also. Wie die mit Hilfe des Mikrofons doch recht schlicht platzierten Verweise auf das Corporate Design. Was uns neben der quälenden „Daumen-hoch“-Geste auffallen sollte: An dieser Stelle trägt der Herr seinen Scheitel links und er ist gemäß hiesigen Gepflogenheiten verlobt und verheiratet zugleich. Jaja, der Ärmste, so schnell kann’s gehen. Wo trägt man eigentlich seinen Ring, wenn man zwischenzeitlich geschieden wurde?  
Am Ende des Prospekts begegnen wir dem Herrn ein letztes Mal. Jede Sehne der Gesichtsmuskulatur zum Zerreißen gespannt, etwas gequält und recht schmallippig zeigt er uns  – ja, genau, was sonst? –  wieder den erhobenen Daumen. Aber so verkniffen, wie er dreinschaut, möchte man den Eindruck haben, dass das überhaupt nicht sein eigener Daumen ist, so merkwürdig, wie dieser ins Bild ragt. Vielleicht hält der Assistent des Fotografen einfach nur seinen Arm ins Bild, vielleicht hat der Auftraggeber aber auch nur einfach einen Sack voll erhobener Daumen als Photoshop-Ebenen zur Verfügung gestellt. Das macht die Sache billiger. Ganz besonders freuen dürfen wir uns über die Tatsache, dass der Herr nun zu seinem ursprünglichen Stil zurückgefunden hat und seinen Scheitel wieder rechts trägt. Außerdem dürfen wir ihn zur neuen Gattin beglückwünschen, denn hier ist er wieder verheiratet, wie schön.  Alles in allem eine kleine Bilderserie, welche die tragische Familiengeschichte dieses Mannes hübsch erzählt. Und die eines Layouters, dem im Grunde genommen einfach alles recht und billig ist. Oder egal, was letztlich dasselbe ist. Ich vermute mal: Könnte man Tintenfische, Zecken oder Castor-Behälter auch in einen Smoking stecken und sie einen Daumen hoch halten lassen – dem Layout dieser Werbebeilage hätte es keinen Abbruch getan. Auch wenn er die Person mal im Original und mal seitenverkehrt montiert – wurschtegal! Aber warum eigentlich nicht auch auf dem Kopf? 
PS: Das Bildchen ganz oben ist übrigens ein Vorschlag von mir, wie man diesen lästigen und allgegenwärtigen facebook-Daumen "… gefällt das" ins Gegenteil ummünzen könnte.

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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