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eVscope: Das digitale Teleskop

Wollten Sie immer schon mal wirklich eindrucksvolle Fotos ferner Galaxien schießen? Das digitale Teleskop eVscope ist ein interessantes, innovatives Konzept – wenn nur der Preis nicht wäre.

KickStarter wirbt regelmäßig mit gesponsorten Beiträgen in meiner Facebook-Timeline, aber die Projekte, die dort gehyped werden, können mich selten begeistern – „Was haben die sich denn bloß dabei gedacht“, denke ich mir, denn in der Regel geht es um Produkte, die kein Mensch braucht. Auf das eVscope bin ich auch nicht durch die Werbung aufmerksam geworden, sondern durch einen Hinweis von Southern Stars, deren Projekt eines Nano-Satelliten ich vor ein paar Jahren mitfinanziert hatte. Der Satellit SkyCube wurde damals tatsächlich gestartet und kariolte ein paar Monate um die Erde, aber mangels voll entfalteter Solarpanele blieb er stumm. Der aktuelle Hinweis galt einem ganz anderen Projekt eines anderen Teams, das mit SkyCube nur das Thema „Weltraum“ gemeinsam hat – eine völlig neue Art von Teleskop für astronomische Beobachtungen, speziell für Deep-Sky-Objekte wie Galaxien.

eVscope
Das eVscope ist sehr einfach aufgebaut: Der Hauptspiegel projiziert ein Bild auf einen CMOS-Sensor. Die daraus ausgelesenen Daten werden vom Prozessor verarbeitet und auf einem elektronischen Sucher mit OLED-Display angezeigt. (Quelle: Unistellar)

Das eVscope ist gewissermaßen eine spezialisierte Digitalkamera für die Astronomie. Übliche Teleskope, wie sie Amateurastronomen einsetzen, haben an ihrem Ende einen großen Parabolspiegel, der das einfallende Licht bündelt, und einen kleineren Sekundärspiegel, der das Licht zum Okular umlenkt. Neben austauschbaren Okularen mit unterschiedlicher Vergrößerung für die visuelle Beobachtung kann man eine Kamera einschrauben, entweder ein spezielles Kameramodul für die Astrofotografie, eine DSLR oder eine spiegellose Systemkamera.

eVscope

Das eVscope ist optisch viel einfacher aufgebaut. Es gibt nur den Hauptspiegel mit einem Durchmesser von 4,5 Zoll, dessen Licht direkt von einem Sensor aufgefangen wird, einem Sony IMX224. Das ist ein 1/3-Zoll-CMOS-Sensor mit 1,2 Megapixeln, wie er auch in manchen Kameramodulen für Teleskope verwendet wird. Er misst zwar nur wenige Millimeter, aber seine Pixel sind relativ groß und lichtempfindlich. Der Prozessor des eVscope liest den Sensor aus – etwa so, wie es eine spiegellose Kamera tut, um eine Live-Ansicht zu zeigen –, und der Benutzer betrachtet die Live-Bilder in einem elektronischen Sucher.

Um die Lichtempfindlichkeit zu verbessern und Objekte wie Galaxien in den leuchtenden Farben zu zeigen, wie man sie aus Fotos, aber kaum durch direkte visuelle Beobachtungen kennt, nutzt das eVscope ein Stacking-Verfahren. Der Prozessor verrechnet jeweils mehrere nacheinander ausgelesene Bilder, korrigiert dabei den Bildstand und verbessert den in der Nähe großer Städte meist niedrigen Kontrast. Verglichen mit herkömmlichen Teleskopen soll das eVscope daher schon im Sucher deutlich eindrucksvollere Bilder anzeigen und auch als Digitalbilder speichern können.

Der Prozessor bietet jedoch noch mehr Funktionen. Während Digitalkameras oft eine Gesichtserkennung haben, ist das eVscope in der Lage, Muster im Sternenhimmel zu erkennen. Mit den GPS-Daten eines verbundenen Smartphones, das auch zur Steuerung des Teleskops dient, kann das eVscope selbsttätig bestimmen, wie es ausgerichtet ist, und daraufhin mit seiner motorischen Montierung beliebige Himmelsobjekte, die man beobachten möchte, anpeilen.

eVscope
Das Celestron NexStar 5, ein Spiegellinsenteleskop vom Schmidt-Cassegrain-Typ. (Quelle: Celestron)

Das klingt wie eine logische Weiterentwicklung des Teleskops mit den Technologien der Digitalfotografie, aber das eVscope hat auch Nachteile. Es ist beispielsweise relativ lang – länger als seine für astronomische Teleskope kurze Brennweite von 450 mm. Spiegellinsenteleskope vom Schmidt-Cassegrain- oder Maksutov-Cassegrain-Typ können auch mit einer längeren Brennweite kürzer gebaut werden, weil ihr Strahlengang durch den Sekundärspiegel gefaltet ist. Solche herkömmlichen, rein optischen Konstruktionen bieten auch mehr Flexibilität, weil man mit mehreren Okularen oder einem Zoom-Okular unterschiedliche Vergrößerungen und Bildwinkel wählen kann; das eVscope hat dagegen nur eine Art Digitalzoom. Und vor allem ist da der Preis: Wenn Sie sich in den nächsten Tagen zur Unterstützung der Crowd-Funding-Kampagne entscheiden, zahlen Sie 1499 USD. Dazu kommen Versandkosten und auf alles die deutsche Mehrwertsteuer – insgesamt knapp 1600 Euro nach aktuellem Wechselkurs. Angesichts seines relativ einfachen Aufbaus erscheint dieser Preis recht hoch.

Ein Schmidt-Cassegrain-Teleskop NexStar 5 SE GoTo von Celestron beispielsweise hat einen etwas größeren Spiegel sowie eine längere Brennweite – und Sie bekommen es schon zu einem Straßenpreis von unter 1000 Euro. Meade hat ähnliche Modelle im Sortiment. Die einmalige Ausrichtung dieser Teleskope erfordert nur einen geringfügig größeren Aufwand und sie können dann wie das eVscope alle gewünschten Objekte selbsttätig anfahren. Zwar gehört keine Kamera zum Lieferumfang, aber Sie können Ihre eigene Kamera adaptieren – beim eVscope ist das nicht möglich. Selbst im Bundle mit einem Kameramodul für die Astrofotografie wäre der Preis eines herkömmlichen Teleskops noch geringer.

Die Idee hinter dem eVscope, ein Teleskop als Digitalkamera mit elektronischem Sucher zu konstruieren, hat eine Menge Charme, aber die konkrete Umsetzung überzeugt mich noch nicht und der Preis des eVscope ist leider nicht konkurrenzfähig.

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Es ist alles eine Frage der Sichtweise, wenn man den Preis betrachtet (und betrachtet, was man vielleicht schon besitzt…). Ich habe mich mal eben im „Markt“ umgeschaut und nach AZ-GoTo-Montierungen mit Billig-Newton zwischen 4,5 und 6 Zoll gesucht. Da stoße ich dann auf Preise zwischen 400 und 700 EUR und weiß nicht, ob das Teleskop auch „Foto-tauglich“ ist. Rechnet man noch eine ATIK Infinity-Farbkamera zu knapp 1100 EUR dazu, liegt man für etwas „Vergleichbares“ bei 1500 bis 1800 EUR. Ich selbst habe bereits eine AG-GoTo-Montierung und einen 6″-Newton (gut 700 EUR „Vorinvestition“…), der auch Kamera-tauglich ist, dann wären es auch noch 1100 EUR und — wie mein Astrohändler auf Befragen zum eVscope schrieb — eine flexiblere Kombination und kein „Spielzeug“ (wie er es nannte…). Trotzdem würde er sich vielleicht dieses Spielzeug zulegen! Und ich habe mich auch, leider für 1499 $, beteiligt — in der Hoffnung, dass es die Einfachheit dieser „All-in-One“-Lösung ist, die mir Freude machen werden wird.

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