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Eine Renaissance der Schwarzweißfotografie?

Zwei Produktankündigungen von Ricoh und Leica im Abstand weniger Stunden zeigen, dass die digitale Schwarzweißfotografie gekommen ist, um zu bleiben. Zwar bleibt sie eine Nische im Kameramarkt, in der bislang nur drei Hersteller – neben den Genannten noch Phase One – aktiv sind, aber dieser Nischenmarkt könnte groß genug sein, dass sich die Entwicklung digitaler Schwarzweißkameras lohnt. Und sei es nur, um zu demonstrieren, dass sich manche Hersteller auch um Minderheiten wie die der passionierten Schwarzweißfotografen kümmern.

Eine Renaissance der Schwarzweißfotografie?
Bei der Pentax K-3 Mark III Monochrome setzt der Hersteller auch bei der Beschriftung der Bedienelemente und der Hintergrundbeleuchtung des Statusdisplays auf Schwarzweiß. (Bild: Ricoh)

Aber wie immer, wenn eine rein monochrome Kamera wie jetzt die Pentax K-3 Mark III Monochrome oder die Leica M11 Monochrom angekündigt wird, stellen viele Fotografen infrage, dass man so etwas überhaupt braucht. Schließlich kann man auch aus einem Farbfoto ein Schwarzweißbild erzeugen, und wenn man die Schwarzweißumsetzung erst im Raw-Konverter oder noch später in der Bildbearbeitung vornimmt, hält man sich alle Optionen offen. Warum sollte man sich mit einer Kamera selbst beschränken, die keine Farben, sondern nur Helligkeiten unterscheidet, zumal man dafür auch noch einen Aufpreis zahlen muss?

Eine Renaissance der Schwarzweißfotografie?
Die Leica M11 Monochrom (Bild: Leica)

Diese Debatte gab es schon vor 11 Jahren, als Leica erstmals eine monochrome Version der M (damals der M9) vorstellte, und sie wiederholte sich mit weitgehend denselben Argumenten, als die M Monochrom (Typ 246), die M10 Monochrom und die Q2 Monochrom folgten. Die neue M11 Monochrom ist schon das fünfte Schwarzweißmodell dieses Herstellers. Für Ricoh, die mit ihrer Marke Pentax beharrlich an der Spiegelreflextechnologie festhalten, während sich andere Hersteller aus diesem Bereich zurückziehen, ist dieser Bereich noch Neuland, aber nachdem sie schon bisher Mut zur Nische bewiesen haben, kommt so ein Schritt nicht überraschend. Wenn man den Kameramarkt nicht überrollen kann, muss man eben mit etwas Besonderem überzeugen. Besonders ist auch der Preis, denn mit rund 2500 Euro ist die Pentax K-3 Mark III Monochrome die bislang erschwinglichste Schwarzweißkamera. Die Leica M11 Monochrom soll 9450 Euro kosten, und wer nicht bereits M-Fotograf ist, wird für die Objektive noch einmal deutlich mehr ausgeben müssen.

Wie gesagt: Eigentlich braucht man keine Schwarzweißkamera, um Schwarzweißbilder zu erzeugen. Der Weg von den Rohdaten eines Farbsensors bis zu einem Schwarzweißbild ist allerdings weit. Die Pixel eines Farbsensors sind meist von einem Rot-, Grün- oder Blaufilter bedeckt und registrieren daher nur Wellenlängen in einem Teil des sichtbaren Spektrums – allein Sigmas Foveon X3-Sensoren bilden eine Ausnahme. Die Helligkeit im gesamten Spektrum, wie sie für ein Schwarzweißbild benötigt wird, wird also in keinem Sensorpixel gemessen. Wenn ein blauempfindliches Sensorpixel beispielsweise wenig Licht registriert, kann es an dieser Stelle dennoch ein helles Gelb geben, aber das wird nur von den rot- und grünempfindlichen Sensorpixeln erkannt. Vor der Schwarzweißumsetzung kommt daher das Demosaicing, das aus den Rohdaten, die nur Helligkeitswerte für den Bereich jeweils einer Grundfarbe enthalten, ein vollständiges RGB-Bild macht. Dazu werden die Werte der beiden fehlenden Grundfarben aus den für diese empfindlichen Nachbarpixeln interpoliert. Wie jede Interpolation reduziert auch diese die Schärfe, und während man dem noch durch das obligatorische Nachschärfen abhelfen kann, ist der Auflösungsverlust nicht mehr rückgängig zu machen. (Ein Demosaicing per KI erzeugt zwar feinere Details, die aber nur plausibel hinzuerfunden werden und daher nicht mit den tatsächlichen Motivdetails übereinstimmen müssen.)

Nach dem Demosaicing durchlaufen die Bilddaten noch einen Weißabgleich und weitere Bearbeitungsschritte; erst danach können sie schließlich in die Helligkeitswerte für ein monochromes Bild umgerechnet werden. Im Raw-Konverter kann man die Anteile der einzelnen Farben im Farbmischer frei wählen und damit bestimmen, wie hell diese Farben abgebildet werden sollen. Das ist der große Vorteil dieses Verfahrens, denn aus einem Farbbild lässt sich eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Schwarzweißumsetzungen erzeugen.

Ein Ausschnitt aus einer Aufnahme der ersten Leica M Monochrom von 2012 lässt die feinen Strukturen erkennen, die ihr 18-Megapixel-CCD auflöst.

Ein so erzeugtes Schwarzweißbild hat allerdings dieselbe reduzierte Auflösung wie das interpolierte Farbbild. Seine effektive Auflösung entspricht annähernd der Zahl der grünempfindlichen Sensorpixel, die bei Verwendung des Bayer-Farbfiltermusters 50 Prozent ausmachen – bei Fujis X-Trans-Muster sind es noch etwas mehr. Dieser Auflösungsverlust lässt sich im Zuge der Schwarzweißumsetzung nicht mehr ungeschehen machen.

Neben der Auflösung geht auch Licht verloren, denn die Farbfilter der Sensorpixel absorbieren ja alles Licht außer dem der Grundfarbe, die sie durchlassen. Die Grünfilter haben durchweg den breitesten Durchlassbereich und schlucken nur etwa die Hälfte des Lichts; die Blaufilter lassen am wenigsten Licht durch, weshalb es im Blaukanal zumeist am stärksten rauscht. Da die Empfindlichkeit eines Sensors von den empfindlichsten seiner Pixel bestimmt wird – also den grünempfindlichen –, ist der ISO-Wert des Sensors etwa halb so groß, wie er es ohne die Farbfilter wäre. Wenn man nun noch in die Schwarzweißumsetzung eingreift, indem man den Anteil mancher Farben herunterregelt und den Anteil anderer dafür verstärkt, verstärkt man damit auch das Rauschen, so dass man oft noch mehr als eine Blendenstufe verliert. Man kann das stärkere Rauschen auch nicht durch eine großzügigere Belichtung kompensieren, denn damit würde man einige Farbbereiche überbelichten und dort Lichterzeichnung verlieren.

Ein weiterer Nachteil äußert sich etwas subtiler. Auch unabhängig von der Farbmischung bei der späteren Schwarzweißumsetzung kann man leicht einzelne Farbkanäle überbelichten. Das passiert bei Motiven in gesättigten Grundfarben, aber in noch extremerem Maße, wenn farbige Scheinwerfer das Motiv beleuchten. An diesen Stellen geht die Zeichnung vollkommen verloren und lässt sich auch auf Basis der Raw-Daten oft nicht mehr zurückholen. Mit einer Schwarzweißumsetzung kann man dann ebenfalls nichts mehr retten.

Ein monochromer Sensor hat keinen dieser Nachteile. Er hat keine Farbfilter (sondern stattdessen transparente Filter, damit sich der Strahlenverlauf gegenüber einem Farbsensor nicht ändert) und registriert daher mit allen Pixeln vollständige Helligkeitswerte. Ein Demosaicing und damit eine auflösungsmindernde Interpolation ist unnötig, und so liegt seine effektive Auflösung etwa beim Doppelten der Auflösung eines Farbsensors gleicher Pixelzahl. Dabei fallen aber nicht mehr Daten an, was bedeutet, dass man aus der gleichen Zahl von Daten doppelt so viele Helligkeitsinformationen gewinnt. Da es keine lichtschluckenden Filter mehr gibt, verdoppelt sich auch die Grundempfindlichkeit des Sensors, verglichen mit einem ansonsten identisch aufgebauten Farbsensor.

Eine Renaissance der Schwarzweißfotografie?
Schon die Leica M Monochrom (Typ 246) von 2015 erzeugte selbst bei ISO 25.000 nur ein sehr feines Rauschen (hier ein Ausschnitt des Testbilds).

Schon deshalb bekommt man beim gleichen ISO-Wert nur halb so viel Rauschen, aber der tatsächliche Vorsprung ist noch größer. Das Rauschen in den Sensordaten erzeugt ja neben dem Luminanzrauschen auch noch ein Farbrauschen: Wenn der Wert eines rotempfindlichen Pixels aufgrund des Rauschanteils größer ist, als er sein sollte, ergibt das ein helleres, aber auch ein röteres Pixel. Und nicht nur eines, denn im Zuge der Interpolation greift dieser Effekt auch auf die Nachbarpixel über. Eine Schwarzweißumsetzung lässt dieses Farbrauschen nicht etwa wieder verschwinden, sondern rechnet es in ein zusätzliches Luminanzrauschen um. Bei einem monochromen Sensor passiert das nicht; zudem ist sein aufgrund der höheren Empfindlichkeit geringeres Luminanzrauschen auch noch feinkörniger. Selbst bei sehr hohen ISO-Werten wirkt dieses feine Rauschen eher unaufdringlich und lohnt kaum eine Rauschunterdrückung. Das störendste Rauschen ist das niedrigfrequente grobe Rauschen, und das entsteht einerseits durch das Demosaicing und andererseits durch die Rauschunterdrückung selbst – das Erste entfällt bei einer monochromen Kamera und auf das Zweite kann man getrost verzichten.

Der gefürchtete Zeichnungsverlust durch eine Überbelichtung einzelner Farbbereiche ist bei einem monochromen Sensor fast ausgeschlossen. Auch stark gesättigtes Licht nur einer Wellenlänge müsste schon extrem hell sein, um einen solchen Sensor überzubelichten.

All dem steht zumindest ein Nachteil gegenüber: Da es keine digitale Schwarzweißumsetzung mit einem Farbmischer gibt, muss man auf die klassischen Farbfilter vor dem Objektiv zurückgreifen, um den Anteil der Farben am Schwarzweißbild zu steuern – also so, wie es die Älteren unter uns von der analogen Schwarzweißfotografie her kennen, für die man Rot-, Orange-, Gelb- und Grünfilter in der Fototasche hatte. Man muss sich daher schon vor der Aufnahme entscheiden, wie das Schwarzweißbild aussehen soll, statt im Raw-Konverter verschiedene Varianten ausprobieren zu können. Ein Filter auf dem Objektiv schluckt auch Licht, womit der Vorsprung beim Rauschen teilweise wieder zunichte gemacht wird. Dem kann man allerdings oft mit einer längeren Belichtungszeit entgegen wirken, denn anders als beim Farbsensor droht dabei keine partielle Überbelichtung einzelner Grundfarben.

Man kann auch argumentieren – wie es Leica schon länger tut –, dass die Schwarzweißfotografie erst mit einer monochromen Kamera zu einem ernsthaften Projekt wird, da sie dann dazu zwingt, sich vorher zu überlegen, was für ein Bild man anstrebt – statt erst im Nachhinein mit einer Schwarzweißumsetzung zu spielen, oder überhaupt nur bei vermeintlich misslungenen Aufnahmen auszuprobieren, ob sie nicht wenigstens in einer monochromen Variante vorzeigbar wären. Die Fotografie mit einer Schwarzweißkamera ist eine bewusstere Fotografie, ganz ähnlich wie die Fotografie mit nur einer oder einer geringen Zahl von Brennweiten.

Die folgenden Fotos sind vor 11 Jahren mit der ersten Leica M Monochrom entstanden:

Eine Renaissance der Schwarzweißfotografie?
Eine Renaissance der Schwarzweißfotografie?

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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10 Kommentare

  1. Kann man mit Farbfiltern in der Nachbearbeitung, z. B. die Fotofilter in Photoshop, das gleiche Ergebnis wie mit Farbfiltern direkt vor dem Objektiv erreichen oder wirkt sich das anders aus?

    1. In Grenzen schon, sofern es um Farbbilder geht, die man in ein Schwarzweißbild umsetzen möchte. Im Farbmischer kann ich die Wirkung von Farbfiltern vor dem Objektiv nachbilden, indem ich etwa zur Simulation eines Rotfilters den Anteil von Blau und Grün zurück nehme. Dass es aber nicht immer funktioniert, hatte ich bereits angerissen: Das Phänomen einer Überbelichtung eines der Farbkanäle – das ganz schnell und erst einmal unbemerkt auftreten kann, etwa wenn man eine rote Rose fotografiert –, kann man teilweise auch im Farbmischer beheben, aber wenn der Rotkanal tatsächlich schon in den Rohdaten überbelichtet ist, bringt auch der Farbmischer keine Zeichnung mehr zurück. Auch der blaue Himmel kann überbelichtet werden und ist dann weiß; der Farbmischer kann dann keine Farbe mehr herausfiltern, weil die Farbe verschwunden ist. Bei einer Schwarzweißkamera würde das Problem meist gar nicht erst entstehen.

      Wenn man von einer Schwarzweißkamera ausgeht, kann man auf deren Bilder keinen Farbmischer anwenden, weil es ja von Anfang an keine Farben gibt, zwischen denen man differenzieren könnte.

      1. Danke für die ausführliche Info.
        Ich habe bitte noch eine Frage zu den Farbfiltern in der Schwarzweißfotografie: welche werden da in erster Linie verwendet? Folienfilter wie früher oder Schraubfilter? Folienfilter erscheinen mir bei hochwertigen Objektiven eher kontraproduktiv und Schraubfilter findet man jedoch kaum.

        1. Neben Schraubfiltern gibt es ja noch die Einsteckfiltersysteme, aber auch bei denen ist das Angebot bereits ziemlich dünn; Filter für die Schwarzweißfotografie sind leider kaum noch marktgängig. Heliopan hat solche Schraubfilter aber immer noch im Sortiment, und ein guter Händler sollte sie bestellen können (manchmal findet man sie auch noch auf dem Grabbeltisch, und mit etwas Glück mit dem richtigen Gewindedurchmesser). Rot-, Gelb- und Grünfilter sind empfehlenswert, gegebenenfalls auch ein Orangefilter, weil Gelb oft zu schwach und Rot zu extrem ist.

  2. Für technisch interessierte Fotografen ist es sicher sehr interessant diese Unterschiede zwischen SW- und Farbsensoren vor Augen geführt zu bekommen, vielen Dank.

    Doch rechtfertigt dieses wirklich für eine wirtschaftlich nützliche Anwendung den Bau oder Kauf einer SW-Kleinbildkamera? Selbst im Luftbildwesen wird min. Pansharpening mit kleineren Farbsensoren auf den SW-Sensor aufgesetzt. Ein schon vor gut 10 Jahren groß angelegtes Untersuchungsprojekt der DGPF hat gezeigt, dass diese Großkameratechnik in der geometrischen Genauigkeit der Bayermosaikensorik von Mittelformatskameras nicht überlegen ist. Aber die schon Mitte des letzten Jahrhunderts gelehrte Information, dass unser Auge nur etwa 600 SW gegenüber mehreren 10 000 Farbtönen mit entsprechender Steigerung der Assoziationvielfalt unterscheiden kann, lässt jeden Zweifel an der Überlegenheit der Farbfotografie für Sachinterpretationszwecke erhaben sein und Erstere ins Mußedasein abstellen!

    Schon die Preise der SW-Systemkameras zeigen die Verkaufserwartungen der Kamerahersteller und die Verkaufszahlen werden geflissentlich verschwiegen. Leica lebt ja nun schon seit Jahren von Nostalgie und Eitelkeit seiner Kunden. Technisch und ökonomisch würde doch sonst kein Mensch mit nüchternem Menschenverstand mehr diese Kleinbildkameras kaufen! So erscheint mir die jetzige Propagierung der SW-Fotografie in so vielen Fotopublikationen doch mehr ein romantisches Aufbäumen einer Wohlstandsüberdrussguppe unserer überalterten Kleinbildfotografengesellschaft im Niedergang als die Festigung der digitalen SW-Bildtechnik bei Minderheiten.

    1. Der Ausgangspunkt dieses Blog-Beitrags war ja die Vorstellung zweier neuer Schwarzweißkameras. Da diese Nische nun also schon seit etlichen Jahren weiter mit neuen Modellen bedient wird und mit Ricoh sogar ein weiterer Hersteller hinzu gekommen ist, scheint es sich für die Kamerahersteller zu lohnen. Der Entwicklungsaufwand ist ja nicht groß; Schwarzweißsensoren muss man nicht erst entwickeln, sondern kann sie aus dem Sony-Katalog bestellen, und bei der Firmware muss man nichts hinzu programmieren, sondern nur etwas weglassen. Ricoh hat sich immerhin noch besondere Mühe gegeben und das Design so angepasst, dass ihre Schwarzweißkamera auch schwarzweiß aussieht. Der größte Aufwand fällt im Marketing an, denn es gibt nun ein neues Produkt, von dessen Vorzügen man Kunden und Händler überzeugen und dessen Unterschiede zu anderen Modellen man allen erklären muss.

      Was eine Schwarzweißkamera dem Fotografen bringt, habe ich hier ausführlich dargelegt. Wie man die Vor- und Nachteile individuell gewichtet, hängt von den jeweiligen Vorlieben und Prioritäten ab; das muss jeder selbst entscheiden.

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