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Die neuen CIPA-Zahlen: Auf und ab

Die neue CIPA-Statistik zur Entwicklung des Kameramarkts bis einschließlich Mai 2019 bestätigt den generellen Abwärtstrend, aber ein genauerer Blick auf die CIPA-Zahlen führt zu einem differenzierteren Bild.

CIPA-Zahlen
Die neuen CIPA-Zahlen

Die Verkaufszahlen, die der japanische Industrieverband CIPA monatlich veröffentlicht, sorgten jüngst meist für Endzeitstimmung, denn Monat für Monat wiesen sie deutlich niedrigere Werte als im jeweiligen Vormonat 2018 aus – und die waren schon niedriger als die Zahlen von 2017. Ich hatte an dieser Stelle darüber berichtet. Die jetzt veröffentlichte Statistik für den Mai dieses Jahres liegt auf der Linie der bisherigen Reports. Die Absatzzahlen von Januar bis Mai zeigen den üblichen saisonalen Verlauf: Im Mai beginnt die Saure-Gurken-Zeit des Kameramarkts, denn im Sommer wird zwar viel fotografiert, aber es werden kaum Kameras und Objektive gekauft. Das ist die Zeit, in der die Hersteller mit der Wurst nach dem Schinken werfen und Konsumenten mit Cashbacks locken. Vom erwartbaren Tiefpunkt im Juli werden die Zahlen dann bis zum Herbst wieder anziehen. Die Kurve für dieses Jahr (rot) spiegelt die der Vorjahre (2018 schwarz, 2017 blau gestrichelt), nur sind die Zahlen in jedem Jahr geringer. Das zeigt sich bei den Gesamtzahlen der Kameraverkäufe ebenso wie für die nach Kompakt- und Systemkameras aufgeschlüsselten Statistiken, wobei der jüngste Rückgang bei den Kompaktkameras geringer ausfällt – aber in diesem Bereich begann der Einbruch der Verkaufszahlen ja auch schon früher. So weit, so (erwartbar) schlecht, aber das ist nicht die ganze Geschichte.

Interessanter als die aggregierten Zahlen sind die nach Stückzahl, Wert, Kameragattung und Region aufgeschlüsselten Werte. Im Vergleich zwischen Mai 2019 und Mai 2018 gingen die Stückzahlen abgesetzter Spiegelreflexkameras auf 68,1% zurück, nach Wert gerechnet sogar auf nur 57,6% – eine 2019 verkaufte DSLR war also im Mittel ein preisgünstigeres Modell als noch im Vorjahr. Die Stückzahlen verschiffter spiegelloser Systemkameras ging ebenfalls zurück, nämlich auf vergleichsweise moderate 85,3%, während nach Wert gerechnet ein respektabler Zuwachs auf 120,2% zu verzeichnen ist. Bei den Spiegellosen geht der Trend also zu den hochwertigeren Modellen. Auch in diesem Bereich erkennt man zwar einen Abwärtstrend, aber nur nach Stückzahlen – der Umsatz mit spiegellosen Systemkameras steigt. Besonders rosig sieht es auf den Absatzmärkten Europa und Amerika (Nord-, Mittel- und Südamerika) aus, wo die Stückzahlen verkaufter spiegelloser Systemkamera annähernd gleich blieben und der Umsatz um mehr als 30% wuchs.

Wer als Kamerahersteller nur im spiegellosen Segment aktiv ist und nicht mit anderen, von der allgemeinen Marktentwicklung unabhängigen Problemen kämpft (ich muss hier keine Namen nennen …), hat derzeit keinen Grund zur Beunruhigung. Anders sieht es bei den DSLR-Herstellern aus. Als typische DSLR kann heute ein Modell wie die Canon EOS 4000D gelten, die inklusive Standardzoom für rund 350 Euro angeboten wird. Viel zu verdienen ist daran nicht, und der Hersteller kann auch nicht unbedingt damit rechnen, dass der Kamerakauf über kurz oder lang den Erwerb weiterer Objektive nach sich ziehen wird. Wer zu so einem Preis einsteigt, wird es oft mit dem Standardzoom genug sein lassen. Natürlich gibt es weiterhin auch die professionellen Modelle zu einem vielfach höheren Preis, und diese werden auch künftig ihre Käufer finden. Mit den Spitzenmodellen war aber selbst zu den besten Zeiten nicht viel Geld zu verdienen. Viel lukrativer waren die Modelle der Einsteiger- und Mittelklasse, deren Verkäufe überhaupt erst das Geld erwirtschafteten, mit dem sich die Forschung und Entwicklung für die Profimodelle finanzieren ließ. Nachdem nun dieser Markt einerseits schrumpft und andererseits die Margen immer geringer sein dürften, gerät – das zeigen die neuen CIPA-Zahlen – dieses Ökosystem in Gefahr. Falls die Weiterentwicklung von Profi-DSLRs irgendwann eingestellt werden sollte, dann vermutlich nicht, weil sie niemand mehr haben will, sondern weil das Biotop austrocknet, das sie bisher am Leben hält.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Wenn ich die „Kinder“ meiner Freunde – alle zwischen 22 und 32 Jahren alt – frage, wie und mit was sie fotografieren, dann ist die Antwort unisono: Handy. Manche haben auch noch eine kleine Kompaktkamera. Aber KEIN EINZIGER hat eine DSLR oder beabsichtigt, sich eine zu kaufen. Es ist eben auch die schnellstlebige Generation, die es je gab. Man nimmt sich keine Zeit, um ein Foto zu machen, man knipst schnell eine Serie runter. Oder macht ein Video, das das Handy dann gleich selbst schneidet und mit Musik unterlegt. Geht auch mit Fotos. Man sieht es sich einmal an, teilt es über die üblichen Kanäle und das war es dann auch schon. Sie leben im wahrsten Sinn des Wortes im Moment, die Fotos sind nur selten Erinnerungen. Spricht man die Qualität der Fotos an, ernted man Achselzucken: wieso, das reicht doch… Ich bin der festen Meinung, dass große Kameraequipments in Zukunft fast nur noch von Profis und den Hobbyfotografen genutzt werden. Die breite Käuferschicht wird völlig abschmelzen.

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