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Techtalk: Wolkenkuckucksheim?

Datenwolken gibt es am Computerhimmel schon viele, nun ist auch noch eine „kreative“ von Adobe dazukommen. Ist das nun die Zukunft oder nur eine neuerliche Attacke auf die Autonomie der Produzenten?


Was ist die Cloud? Eine riesige Datenwolke. Bei Apple, Google und anderen lagert man dort seine Adressen, E-Mails, Notizen, Fotoalben, Musik und möglichst vieles andere auch: Briefe, Kalkulationen, Präsentationen – kurz alles, was der Normalnutzer an privaten und geschäftlichen Unterlagen so produziert. Natürlich ist das praktisch, schließlich kann man von überall auf der Welt auf alle wichtigen Dokumente und Informationen zugreifen.
Adobes Cloud Seit Einführung der Creative Suite 6 hat auch Adobe eine Cloud im Programm. Mit 20 Gigabyte Speicher zur Datensnychronisation lädt sie zwar auch dazu ein, Layouts, Ideen und Entwürfe mit Adobe ebenso wie mit dem eigenem Gerätepark zu teilen, doch ist die „Dropbox“-ähnliche Funktion nicht der Kern des Produkts, sondern eher der Namensgeber. Herzstück des ­Adobe-Cloud-Angebots ist jedoch ein Lizenzmodell für Software, das ab jetzt bindend sein wird. Man bekommt Zugang zu allen Adobe-Produkten der Master Col­lection und zu den Tools für mobile Geräte inklusive aller Updates – also im Grunde eine ­Adobe-Programmflatrate.

Der Gegenwert Und was kostet diese Programm-Flatrate mit Zusatzservices? Im Grundmodell rund 62 Euro pro Monat inklusive Mehrwertsteuer bei einem Jahresvertrag. Ist das viel? Das kommt auf die eigene Perspektive an. Wenn Sie zum Beispiel nur Photoshop nutzen, ist es zu teuer. Das weiß auch Adobe – und offeriert für solche Fälle günstigere Mini-Clouds für eine Anwendung zum Preis von 25 Euro.
Kalkulieren wir also ein wenig mit anderen Anwendungsmodellen, ausgehend von einem Zeitraum von vier Jahren, in dem man die Creative Suite kauft und einmal upgradet. Wer seinen grafischen Workflow auf Adobe Software aufbaut, erwirbt in der Regel die Creative Suite Design, Web oder Production Premium zum Straßenpreis von rund 2500 Euro plus ein Upgrade für rund 600 Euro. Damit ergeben sich beim konventionellen Modell Kosten von etwa 3100 Euro in vier Jahren. Bei der Cloud-­Lösung gibt es viel mehr Tools und Services, und es kommen in der Zeit nur knapp 2900 Euro zusammen. Erheblich günstiger sieht das Verhältnis aus, wenn man die enthaltene Master Collection für rund 3500 Euro und ein Upgrade für etwa 1000 Euro zugrunde legt. Und wenn man die „Adobe ­Digital ­Publishing Suite – Single Edition“ einmal im Jahr für eine App-Produktion nutzt, dann sind damit zusätzlich rund 400 Euro gespart.

Warum? Hinter diesem also vergleichsweise günstigen Angebot steckt offiziell eine „drastische Marktveränderung“, die solche Modelle von Kundenseite einfordert. Bis zu einem gewissen Grad kann man das nachvollziehen, etwa wenn man durch die Brille von IT-Verantwortlichen in großen Unternehmen blickt. Sicher ist aber auch Apples App-Store-Idee ein für Adobe höchst interessantes Vertriebsmodell, weil man hier auf lange Sicht viel mehr vom Endkundenumsatz behalten und gleichzeitig flexibler auf Kundenbedürfnisse eingehen kann, als dies bis dato beim Handel mit konventionellen Software-Boxen der Fall ist.
Für den einzelnen oder den in kleinen Gruppen arbeitenden Kreativen ist das Modell dagegen nicht ganz so naheliegend. Das zeigen auch die Reaktionen bei uns auf Facebook. Zwar ist es toll, alle Adobe-Tools nach Lust und Laune einsetzen zu können, aber es kostet auch sehr viel Zeit, bis man sie bedienen kann. Freie Zeit ist jedoch im Kreativ-Alltag oft nicht vorhanden. Was dagegen häufiger vorkommt, sind Auftrags- und damit einhergehend Finanzengpässe. Wer nun sein Werkzeug mietet und nicht kauft, läuft in schlechten Zeiten mit so einem Modell zusätzlich Gefahr, zu einem ohnehin ungünstigen Zeitpunkt auch noch produktionsunfähig zu werden.
Aber solche Befürchtungen ­spuken genauso wie die Skepsis bei anderen Cloud-Angeboten nur in den Köpfen übervorsichtiger Bedenkenträger herum. Wer an einem geleasten Rechner in einem gemieteten Büro arbeitet, zu dem er täglich mit einem finanzierten Auto fährt, macht sich doch keine Gedanken um Software, die er nur nutzen kann, wenn er eine monatliche Rate dafür zahlt, oder?
Munter bleiben!

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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