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Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10

Das Smartphone als Studiokamera in Verbindung mit dem Profoto B10 – ist das die Zukunft? Wohlmöglich, wenn man die neuesten Entwicklungen betrachtet. Christoph Künne ist der Frage nachgegangen, wie Smartphone-Blitzen in der Praxis tatsächlich funktioniert.

Praxis-Test mit Exponaten: Museumspädagogin Silke Straatman unterstützt die DOCMA-Aktion im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg. Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10
Praxis-Test mit Exponaten: Museumspädagogin Silke Straatman unterstützt die DOCMA-Aktion im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg.

Ist der Einsatz einer Kombination von Studioblitz und Smartphone wirklich sinnvoll oder doch eher eine Schnapsidee? Ich dachte noch darüber nach, als ich mich zum Kaffeetrinken mit Dr. Christoph Hinkelmann, einem der Kuratoren des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg traf. Eigentlich hatten wir ein ganz anderes Thema. Doch am Rande des Gesprächs erzählte ich ihm von meinen Versuchen, eine sinnvolle Anwendung für die neue Technik zu finden. Er zeigte mir gerade stolz einen Königsberger Farbenkopf. Dabei handelt es sich um eine inzwischen selten gewordene Haustaubenrasse mit „belatschten“ Füßen.

Die Theorie

Er wüßte da schon ein Problem, das man mit den Vorzügen eines Smartphones lösen könnte, sagte er nach kurzer Überlegung. Aber um das zu erklären, müsste er etwas ausholen.

Der Königsberger Farbenkopf aufgenommen mit einem 35-Millimeter-Objektiv im Vollformat bei Blende f/8. Obwohl Auge und das typische Gefieder nur wenige Zentimeter Tiefe trennt, treten erhebliche Unschärfen auf. Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10
Der Königsberger Farbenkopf aufgenommen mit einem 35-Millimeter-Objektiv im Vollformat bei Blende f/8. Obwohl Auge und das typische Gefieder nur wenige Zentimeter Tiefe trennt, treten erhebliche Unschärfen auf.

Das Problem begann mit dem Verbot von „Arsenseife“ als Konservierungsmittel bei der Tierpräparation in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seither geht zwar von den neueren Präparaten keine Gesundheitsgefährdung mehr aus, dafür ist aber die Gefahr merklich gestiegen, dass die teuer aufgestellten Tierhäute durch Fraßinsekten, wie Motten oder dem sogenannten „Museumskäfer“ unbrauchbar werden. Damit man später zumindest Bilder von den anfälligen Präparaten hat, werden sie regelmäßig fotografisch dokumentiert. Und weil es hier um Details geht, ist das Thema Schärfe besonders wichtig.

Bisher gibt es aber mit „normalen“ Kameras vor allem bei kleineren Tieren ein Problem mit der Schärfentiefe, weshalb hauptsächlich wenig eindrucksvolle Seitenansichten aufgenommen werden.

Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10

Bilder mit einer interessanteren Perspektive, die man vielleicht auch für andere Zwecke nutzen könnte, entstehen nicht. Es bestünde also die Chance mithilfe der Smartphone-Studiofotografie Bilder zu bekommen, die sich – nach dem vorzeitigen Ende des Präparats – selbst als Ausstellungsstück nutzen ließen. Und bis dahin vielleicht in der Kommunikation des Museums. Das könnte ein echter Vorzug sein, denn viele Tiere sind inzwischen so selten, dass man nicht einfach ein neues als „Dermoplastik“ bezeichnetes Präparat bestellen kann. Zudem wäre so eine Smartphone-Ausrüstung billiger und umfänglicher nutzbar als eine klassische Spiegelreflexkamera.

Das war eine sinnvolle Nutzung – keine Frage. Also zumindest theoretisch. Wir verabredeten einen Termin für Testaufnahmen, um die Theorie mit der Praxis abzugleichen.

Die Praxis

34 Grad Außentemperatur bei schweißtreibender Schwüle. Ich sitze im Dachgeschoss des Museums vor einer Auswahl mittelgroßer Vogelpräparate. Auf dem soliden Kurbelstativ vor mir ist eine wackelige Handyhalterung verschraubt, die später meine beiden mitgebrachten Test-Smartphones aufnehmen wird.

Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10
Zur Ausleuchtung dient der neue Profoto B10-Studioblitz. Er steht mit einem wabenbestücktem Beautydish vor dem kleinformatigen, grauen Hintergrundkarton.

Der Profoto B10 lässt sich, wie sonst nur sein leuchtstärkerer Kollege B10X, als erster echter Studioblitz am Markt von einem handelsüblichen Smartphone ohne Zusatztechnik auslösen. Weil die passenden Apps für iOS und Android erst seit kurzem verfügbar sind, komme ich mir in diesem Moment vor wie ein Zukunftsforscher, der heute schon einen Blick auf das Morgen werfen darf.

Warum blitzen mit dem Smartphone und dem Profoto B10?

Während mir die Rahmenbedingungen des Experiments den Schweiß auf die Stirn treiben, frage ich mich immer wieder: Warum sollte man eigentlich ein Smartphone mit Studioblitz einsetzen wollen? Vor allem, wenn schon der dafür nötige Profoto B10 Blitz rund 2000 Euro kostet?

Unser Ansprechpartner beim Hersteller hatte es so ausgedrückt: „Bald werden auch die Mobilfotografen erkennen: Das Licht macht das Bild, die Kamera zeichnet es nur auf.“ Ich weiß, dass er damit inhaltlich recht hat. Doch, wenn es danach ginge, müssten sich die Blitz- und Dauerlichtleuchtenanbieter dumm und albern verdienen. Das ist aber nicht so und vermutlich war es das auch nie. Fakt ist, die meisten der Anbieter stehen seit Jahren wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand; sofern es sie überhaupt noch gibt. Ist das Smartphone-Blitzen also nur ein letzter Versuch, das alte Geschäft in die Zukunft zu retten?

Technische Vorzüge

Blicken wir also auf die technischen Vorzüge: Ein Smartphone hat einen winzigen Sensor. Das ist im Grunde ein riesengroßer Nachteil, denn die winzigen Pixel hochauflösender kleiner Sensoren können rein physikalisch kaum Licht sammeln und sind daher erheblich auf die nachträgliche Bildverarbeitung in der Kamera angewiesen. Die errechnet allerdings heute auch aus extrem mäßiger Bildinformation technisch eindrucksvolle Bilder. Wenn man nun mit einem Studioblitz arbeitet, wird der Nachteil des Lichtmangels ein Stück weit ausgeglichen, denn damit steigt die Ausgangsqualität der Bildinformation.

Vollformat, 35 Millimeter Brennweite, F/16. Der Bürzel der  weiblichen Stockente bleibt unscharf. Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10
Vollformat, 35 Millimeter Brennweite, F/16. Der Bürzel der weiblichen Stockente bleibt unscharf

Ein weiteres Merkmal kleiner Sensoren ist die konstruktionsbedingt hohe Schärfentiefe. Unter normalen Umständen ist sie so ausgeprägt, dass inzwischen fast alle Hersteller mit künstlich zuschaltbarem Bokeh arbeiten. Die als natürlich empfundene Unschärfe macht die Ergebnisse optisch gefälliger. Zudem gibt sie dem Fotografen die Chance, einen Vordergrund auch schärfentechnisch vom Hintergrund zu trennen und somit zu gewichten.

Leider kein Vorzug: Bei 6 Millimeter Brennweite und Blende f/2 tritt auch nicht mehr Schärfentiefe auf. Abblenden geht bei Smartphones bauartbedingt nicht. Einziger Vorzug: man braucht weniger Licht. Smarte Studiofotografie mit dem Profoto B10
Leider kein Vorzug: Bei 6 Millimeter Brennweite und Blende f/2 tritt auch nicht mehr Schärfentiefe auf. Abblenden geht bei Smartphones bauartbedingt nicht. Einziger Vorzug: man braucht weniger Licht.

Eine hohe Schärfentiefe ist allerdings bei bestimmten Motiven von großem Vorteil. Zum Beispiel muss man in der Makrofotografie weniger Belichtungen mit unterschiedlichen Schärfepunkten erzeugen, um nach dem Makro-Stacking am Rechner ein insgesamt scharf abgebildetes Objekt aufs Bild zu bekommen.

In Zahlen ausgedrückt: Um bei der Aufnahme eines Objekts in 50 Zentimetern Entfernung denselben Schärfeeindruck wie bei einem Vollformatfoto mit Blende f/16 zu erzielen, ist bei vergleichbarer Brennweite bei einem 1/3-Zoll großen Smartphone-Bildsensor nur f/2.1 nötig. Hier steckt also möglicherweise Potenzial für Makrofotos. Vielleicht sogar ohne das lästige Stacking.

Die technische Seite

Der schwedische Hersteller Profoto ist der erste, der eine Lösung anbietet, um mit Smartphones Studioblitze auszulösen. Aktuell handelt es sich dabei um die Modelle Profoto B10 (für Profis) und den C1 (für die anderen).

Es ist in technischer Hinsicht ein recht anspruchsvolles Unterfangen. Von dem Smartphone aus muss das Auslösesignal drahtlos an den Blitz übertragen werden. Zur Wahl stehen prinzipiell entweder Bluetooth oder Funk per W-LAN. Um mit Funkfrequenzen zu arbeiten, müsste man zunächst ein Netz aufbauen beziehungsweise Sender und Empfänger in ein vorhandenes Netz einbinden. Als Ansatz möglich, aber aufwendig. Bluetooth als Übertragungsweg ist weniger kompliziert, aber auch etwas langsamer in den Reaktionszeiten. Das kann zum Problem werden, wenn es – wie bei der Belichtung in der Fotografie – um Sekundenbruchteile geht. Die Entwickler von Profoto haben einen Weg gefunden, die Bluetooth-Verzögerung in der Steuersoftware „vorwegzunehmen“. Das hat aber den Nachteil, dass man mit speziellen Apps fotografieren muss.

Die Apps

Wir haben uns zum Test zwei Blitze ausgeliehen. Zum einen den B10 mit 250 Wattsekunden Leistung und „richtiger“ Blitzröhre. Zum anderen den C1 Plus mit LED-Leuchtmitteln und rund einem Zehntel der Lichtleistung. Beide Geräte lassen sich mit kostenlosen Apps für iOS und Android steuern. Beim iPhone 11 Pro gibt es eine App, die sowohl den Blitz hinsichtlich seiner Einstellungsparameter regelt und gleichzeitig als Fotoapparat mit Blitzauslöser funktioniert. Das Huawei p40 pro, das als Kandidat aus der Android-Fraktion antritt, braucht zwei Apps. Eine um den Blitz einzustellen und eine weitere zum Fotografieren.

Nachdem man in beiden Welten allerlei Zugeständnisse an die Datenweitergabe gemacht hat, kann es losgehen. Die Apps erkennen in Bluetooth-Entfernung angeschaltete Geräte und verbinden sich fast vollautomatisch.

Un dann kommen die Einschränkungen: So ziemlich alles, was die Hersteller an Intelligenz in deren eigene Foto-Apps gesteckt haben, funktioniert hier nicht. Bei der Profoto Apple-App, kann man immerhin zwei der drei im Smartphone verbauten Objektive nutzen.

Bei der Profoto Android Foto-App besteht nur Zugriff auf das Hauptobjektiv. Es gibt keine Blendensimulation, kein Zoom, kein Raw, nicht alle manuellen Einstelloptionen und keine Möglichkeit auf die Hi-Res-Funktion zuzugreifen. Im Klartext: Man hat eine Kamera mit circa 28 Millimeter Brennweite (oder beim iPhone optional zusätzlich 50 Millimeter) und erhält komprimierte Sensor-Daten. Zumindest, wenn man blitzen will. Bei Dauerlicht ist man nicht auf die Profoto-Apps angewiesen und kann alle Fotofunktionen anderer Foto-Apps nutzen. Nur braucht man dazu auch keine teure Profoto-Leuchte.

iOS Profoto App-Interface. Rudimentäre Funktionen, aber immerhin kann man zwei Brennweiten nutzen.
iOS Profoto App-Interface. Rudimentäre Funktionen, aber immerhin kann man zwei Brennweiten nutzen.

Ernsthaft fotografieren mit dem Smartphone

Etwas gewöhnungsbedürftig ist bereits die Arbeit mit Smartphone und Stativ. Das Ziel der Übung besteht darin, maximal scharfe, weil verwackelungsfreie Bilder herauszubekommen. Im Freihand-Modus ist das schwer, da sich Smartphones trotz aller Stabilisierungstechnik beim Auslösen nicht so ruhig halten lassen wie „richtige“ Kameras. Allerdings hat uns der Test gezeigt: Mit einer handelsüblichen Smartphonehalterung aus Kunststoff, die auf den Stativkopf geschraubt wird, ist das Verwacklungsproblem nicht automatisch behoben.

Auch diese Konstruktion ist relativ instabil, wenn man den Auslöser auf dem Bildschirm oder über eine der Lautstärke-Tasten betätigt.

Bei der Schärfe sollten Smartphones wegen ihres kleinen Sensors ja eigentlich keine Probleme bereiten. Bei Makroaufnahmen wie diesen tun sie es aber. Ein Teil des Bildes bleibt angesichts der Kombination aus Brennweite, Motivgröße und Entfernung immer relativ unscharf. Könnte man die Blende steuern, wäre das in den Griff zu bekommen. Aber Smartphones kennen nur eine einzige Blendenstufe: die Offenblende. Auch wenn sich die Schärfe per Touch auf den Screen steuern lässt, erweist es sich als äußerst schwierig, den Fokuspunkt genau zu setzen. Als Ausgleich kann man aber das Ergebnis dank des großen Displays sofort gut kontrollieren und solange herumprobieren, den richtigen Punkt zu treffen, bis der Blitzakku geleert ist.

Apropos Blitzen: Bei der Arbeit mit dem iPhone sorgt die Belichtungsautomatik im Zusammenspiel mit einem und auch mit beiden Blitzen für ordentliche Ergebnisse. „Ordentlich“ bedeutet in diesem Fall aber nur, dass die Automatik verlässlich richtig belichtet. Das Huawei mit der Profoto-Android-App beherrscht das (noch) nicht so gut. Hier gab es zwar auch Belichtungstreffer, aber es kam häufig zu unerklärlichen Mehrfachblitzen, die dafür sorgten, dass der Akku des B10 unnötig schnell geleert war – und die meisten Bilder stark überbelichtet.

Die Ergebnisqualität

Die Ergebnisse, die wir bei der Arbeit mit Smartphone und Studioblitz erzielt haben, fallen definitiv nicht in die Kategorie „Pixelpeepers Digest“. Wer hier ganz genau auf die Details schaut, hat wenig Freude. Relativ gesehen. Aus Sicht eines analogen Kleinbildfotografen ist die Bildqualität super. Ist man aber heute gewöhnlich mit Vollformatkameras jenseites der 24 Megapixel Auflösung unterwegs, lassen sich kaum Worte der Wertschätzung finden. Zumal, und dass muss man bei der Beurteilung im Auge behalten, die hier getesteten Smartphones in der 1000-Euro-Klasse liegen. Dafür gibt es auch eine ältere Vollformat-Kamera mit Standardobjektiv.

Als großes Plus muss man die Tiefenschärfe zählen. Auch wenn es nur die eine Offenblende gibt, kommt diese doch in der Schärfeanmutung an eine Vollformat Blende f/16 heran. Kleinere Blenden geben die meisten aktuellen Objektive auch nicht mehr her.

Während in diesem Setting unter Dauerlichtbedingungen sehr ordentliche Bilder entstehen, ist der Einsatz des Blitzlichts schwer kalkulierbar und so für die Arbeit im improvisierten Museums-Studio wenig nützlich.

Damit die Exponate von vorne bis hinten scharf dargestellt werden, ist zumindest ein klein wenig Fokus-Stacking nötig. Diesem Motiv liegen zwei Aufnahmen mit unterschiedlichen Schärfepunkten zugrunde.
Damit die Exponate von vorne bis hinten scharf dargestellt werden, ist zumindest ein klein wenig Fokus-Stacking nötig. Diesem Motiv liegen zwei Aufnahmen mit unterschiedlichen Schärfepunkten zugrunde.

Fazit

So ist das, wenn man in die Zukunft blicken will: Die Idee, das Smartphone auch im Studio einsetzen zu können, ist großartig. Die Umsetzung (noch) nicht. Sie zeigt sich einerseits als sehr teuer und andererseits als technisch noch nicht ausgereift.

Diese Early-Adopter-Einschätzung ist bei einem Test Ende August 2020 entstanden. Sie kann sich schlagartig erledigt haben, wenn Profoto einen Weg findet, das Zusammenspiel ihrer Apps mit den Blitzen und den Kameras in den Smartphones zu optimieren. Dazu würde neben einer komplett manuellen Steuerung auch der Zugriff auf alle technisch verfügbaren Features – wie etwa aller in den Telefonen verbauten Objektive, Belichtungsreihen für eine erhöhte Schärfentiefe oder der Hi-Res-Funktionen – zugänglich zu machen. Aber aktuell ist das Zukunftsmusik.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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