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Hands on: Olympus OMD E-M1

Sind Kameras mit kleinen Sensoren überhaupt eine Option für ernsthafte Bildbearbeiter? Christoph Künne ist dieser Frage in einem Praxistest nachgegangen.


Die neue Olympus OMD E-M1 bietet eine ganze Menge an Vorzügen, die nicht nur den ambitionierten Amateur ansprechen, sondern auch professionell ausgerichtete Fotografen: Sie ist handlich, hat einen eingebauten 5-Achsen-Bildstabilisator, 16 Megapixel Auflösung und einen großen elektronischen Sucher. Das Gehäuse ist staub- und spritzwassergeschützt sowie „frostbeständig“. Man kann die mit WLAN ausgestattete Kamera ganz einfach aus der Ferne per Smartphone-App bedienen und sie ist kompatibel mit einer Vielzahl von bisweilen sehr hochwertigen, aber dennoch – relativ gesehen – preiswerten Objektiven unterschiedlicher Anbieter wie Leica, (bald) Schneider-Kreuznach, Voigtländer, Sigma, Panasonic und natürlich Olympus selbst.

Bei dieser Aufzählung fragt man sich fast unweigerlich, warum denn dann nicht jeder Profi so eine Kamera samt Objektivpalette ohne langes Zaudern kauft. Der Grund ist wahrscheinlich nicht der recht sportliche Preis von rund 1.500 Euro für das kleine Gehäuse, sondern eher der kleine Bildsensor. Im Gegensatz zum Vollformatchip mit seiner Fläche von rund achteinhalb Quadratzentimeter sind die knapp über zwei Quadratzentimeter der Four-Thirds-Senosrs geradezu winzig.
Wer meine „Techtalk“-Kolumne aus der DOCMA kennt, weiß, dass ich ein Verfechter möglichst großer Sensoren bin. Vollformat ist normalerweise das Minimum, lieber noch sind mir die Mittelformat-Größen. Warum? Im Wesentlichen wegen der damit einhergehenden Bildqualität, denn große Pixel beuten das vorhandene Licht besser aus. Aber die großen Sensor-Formate punkten auch mit eher emotionalen Vorzügen, wie ausgeprägtem Bokeh bei offenen Blenden und einer charmanten Bildanmutung, die sich speziell bei Porträts zeigt, wenn man aus der Nähe mit längeren Brennweiten arbeiten kann.

Als ich kürzlich das Angebot bekam, die neue OMD E-M1 in der Abgeschiedenheit eines irischen Landsitzes zu testen, begab ich mich mit einiger Skepsis auf die Reise. Zu oft hatte ich erlebt, wie bescheiden die Qualität der Bilddaten aus kleinformatigen Kameras war. Als Bildbearbeiter hat man schließlich etwas andere Anforderungen an ein Kamerasystem als ein „normaler“ Fotograf: So erweisen sich zum Beispiel ausgefuchste Belichtungsautomatiken, eingebaute Bildeffekte, Videofähigkeiten, ein präziser Weißabgleich oder eine eindrucksvolle Qualität der direkt in der Kamera gerechneten JPEG-Daten als völlig nebensächlich.
Was in technischer Hinsicht zählt, sind ein treffsicherer Autofokus, hervorragende Objektive, eine hohe Rauschfreiheit des Sensors auch bei wenig Licht und – am wichtigsten – eine „robuste“ Raw-Datenqualität. Was aber macht die Robustheit von Raw-Daten aus? Am einfachsten lässt es sich erkennen, wenn man Raw-Dateien bei der Entwicklung in Camera Raw oder Lightroom betrachtet. Je robuster die Daten sind, desto stärker kann man die Regler „Lichter“, „Tiefen“ und „Klarheit“ auf ein Bild anwenden, ohne dass das Ergebnis künstlich erscheint. Robuste Daten bilden auch bei heftigen Kontrastkorrekturen nur minimale Tonwertabrisse oder andere Artefakte und die Details bleiben weitestgehend erhalten.

War ich bisher der Ansicht, die Attribute „klein“ und „gut“ vertrügen sich in der Fotografie des digitalen Zeitalters einfach noch nicht, so bin ich bei diesem Ausflug in die Welt des Kleinformats eines Besseren belehrt worden. Was mich besonders überzeugt hat, war die Qualität der OMD-Roh-Daten. Trotz der geringen Sensor-Größe ließen sich die Bilder ohne merkliche Verluste selbst dann noch außerordentlich stark nachbearbeiten, wenn sie mit Empfindlichkeiten jenseits von 1000 ISO aufgenommen wurden. Und das, obwohl die Algorithmen der Raw-Entwicklung für die OMD E-M1 in Photoshop und Lightroom bisher offiziell nur den Status einer Betaversion haben.
Die Bildqualität ergibt sich zweifelsohne aus der Kombination des neuen Sensors und des neuen TruePic VII-Bildprozessors. Unterstützt wird sie natürlich auch von der eindrucksvollen Detailzeichnung der bei diesem Test verwendeten Olympus Festbrennweiten Zuiko Digital 45mm f/1.8 und Zuiko Digital ED 75mm f/1.8.
Hier muss man dem Four-Thirds-System eine generelle technische Überlegenheit gegenüber den heute erhältlichen Vollformatsystemen attestieren: Bei der Entwicklung des Systems Anfang der Nuller-Jahre legten die Ingenieure viel Wert darauf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichten, dass die Lichtstrahlen auf den Sensor im 90-Grad-Winkel auftreffen, um so eine optimale Nutzung der Technik zu gewährleisten. In der Folge wurden die verfügbaren Objektive alle neu entwickelt und auf diese Belange abgestimmt.
Im Gegensatz dazu arbeiten die Anbieter größerer Sensorformate mit zumeist alten Objektiven, deren Rechnungen aus den 80er und 90er Jahren, also aus der vordigitalen Zeit stammen. Sie gleichen schräg einfallende Lichtstrahlen durch Linsen auf den Bildsensoren aus, die das Licht „geraderichten“ sollen. Das geht zwar im Prinzip recht gut, hat aber oftmals deutlich sichtbare Schärfe- und Detailverluste außerhalb der Bildmitte zur Folge.
Der Autofokus der OMD E-M1 arbeitet sowohl mit den für das Micro-Four-Thirds-System entwickelten Objektiven zusammen, deren Scharfstellung auf einer Kontrasterkennung direkt auf dem Sensor basiert, als auch mit den Four-Thirds-Objektiven des E-Systems, die als Speigelreflexobjektive auf das ältere System des Phasenvergleichs setzen.
Aus Sicht des Bildbearbeiters ist es nach der Scharfstellung jedoch besonders wichtig, die volle Auflösung des Sensors auszunutzen. Dazu verhilft neben hochwertigen Objektiven, die präzise fokussieren, vor allem ein Bildstabilisator, wenn man nicht mit einem Stativ arbeiten will. Die OMD verfügt über einen im Gehäuse verbauten Stabilisator, der den Bildsensor und nicht das Objektiv gegen das Verwackeln justiert. Der Stabilisator arbeitet laut Marketing-Angaben fünfdimensional und kompensiert so zwischen vier und fünf Blenden. Im Test hat er einfach nur gut funktioniert.

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Wer mit großen Formaten fotografieren will, muss schleppen. Wenn ich mit meiner Canon 5D MkIII ausgehe, trage ich normalerweise mit L-Festbrennweite und Batteriegriff etwas mehr als zwei Kilo umher. Die Olympus OMD wiegt in ähnlicher Konfiguration gerade mal die Hälfte. Genauso verhält es sich beim Volumen. Man hat weit weniger in der Hand und es ist erheblich leichter.
So eine Verschlankung hat Nebenwirkungen: Auf einer Reise zum Beispiel ist die OMD sicher der angenehmere Begleiter, denn sie trägt rundum weniger auf. Außerdem wird man bei ihrer Benutzung nicht sofort als „Berufsfotograf“ eingestuft und kann unauffälliger agieren. Auch bei Porträtsitzungen mit Modellen, die wenig Kameraerfahrung mitbringen, ist so eine kleine Kamera ebenfalls von Vorteil, da sie weniger einschüchternd wirkt.
Nachteile entstehen natürlich, wenn man mit einer OMD einen Kunden beeindrucken will oder von seiner Umwelt als Profi-Fotograf wahrgenommen werden möchte. In beiden Fällen geht nichts über eine Mittelformatkamera oder zumindest eine Kleinbildausrüstung mit extra-langen, farblich auffälligen Teleozooms.

Im Gegensatz zum Vorgänger-Modell (der OMD E-M5) liegt die Neue griffiger in der Hand und hat einen deutlich verbesserten elektronischen Sucher, der sich in seiner Größe kaum von dem einer Vollformat-DSLR unterscheidet. Obwohl mit der Größe auch die Darstellungsqualität gestiegen ist, kann der neue Sucher nicht darüber hinwegtäuschen, dass er auf einem Bildschirm basiert: Bei schnellen Bewegungen gibt es immer noch irritierende Darstellungsfehler, weil die Technik etwas zu träge arbeitet. Die Farbigkeit im Sucherbild ist den Voreinstellungen der Effektprogramme angepasst. Man sieht also hier auf Wunsch zum Beispiel die Schwarzweißumsetzung des Motivs. Ein unbestrittener Vorzug ist die mit der Technik des elektronischen Suchers einhergehende präzise Voransicht der Tiefenschärfe, die optische Systeme so nicht bieten können. 
Ein Elektro-Sucher verbraucht Strom, was dazu führt, dass eine Batterieladung bei der OMD nur für rund 300 Belichtungen ausreicht. Es ist also angeraten, gleich mehrere Akkus zu ordern und vielleicht auch noch den passenden Batteriegriff, der besonders beim Einsatz von schweren Objektiven die Handlichkeit verbessert.

Um Ihnen einen Eindruck von der technsichen Qualität der OMD zu vermitteln und gleichzeitig Besitzern der Kamera bei der Nachbearbeitung in Lighroom beim Zeit sparen zu helfen, haben wir ein Lookbook zusammengestellt, das mit der OMD aufgenommene Bilder zeigt, die mit fünf verschiedenen, Lightroom-Presets bearbeitet wurden.

Regsitrierte und angemeldete DOCMAtiker können das PDF und die Presets kostenlos herunterladen.

Lookbook 02Mystery Castle (PDF)
Lightroom PresetsOMD E-M1 (ZIP) – kompatibel ab Lightroom 4

Für die meisten fotografische Einsatzbereiche in der Welt der Bildbearbeiter ist die OMD E-M1 ein durchaus erstzunehmender Ersatz für eine „richtige“ DSLR-Ausrüstung. Wer viel unterwegs ist, wird die Leichtigkeit und Kompaktheit des Systems schnell zu schätzen wissen, zumal er bei der Bildqualität kaum Abstriche hinnehmen muss. Problematisch ist ihr Einsatz nur bei professionellen Produktionen, bei denen es auf maximale Auflösung ankommt, beim Eindruckschinden, wenn der Kunde einer Produktion beiwohnt, oder bei anderen anspruchsvollen Projekten, die in hoher Auflösung in Formaten deutlich über 30 mal 40 Zentimeter ausgedruckt werden sollen. Schwertun werden sich auch die Freunde des ausgeprägtem Bokehs und der Bildanmutung, die mit größeren Formaten einhergeht. Für sie ist die neue OMD aber dennoch eine interessante Zweitkamera zum unbeschwerten Reisen.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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