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Da stimmt doch was nicht …

41 Bus
Foto: Manfred B., Frankfurt am Main

In jeder DOCMA-Ausgabe finden Sie meine Rubrik „Bildkritik“, in der ich schlecht gemachte Montagen aus den Medien, insbesondere aus der Werbung, unter die Lupe nehme. Ein eher untypisches Beispiel möchte ich Ihnen hier vorstellen – und ein weiteres verteidigen.

Von einem unserer besonders treuen und geschätzten Leser, Manfred B., erhielt ich kürzlich eine – wie sich später herausstellte: scheinheilige – Mailanfrage mit einem angehängten Foto: „Liebe Docmatiker, anbei ein Bildchen, mit der Frage: Ist es eine gute Montage oder einfach nur ein Foto?“

Ich schaute mir die Datei lange am Monitor an; wegen der überzeugenden Spiegelung des Busses im Wasser und wegen der sehr echt aussehenden Bug- und Heckwellen tendierte ich zu „Foto“ – schränkte aber vorsichtshalber ein: „Solche Reflexionen bekommt man höchstens mit einem 3D-Programm passend hin, und danach sieht es eigentlich nicht aus. Aber zugegeben – ganz sicher kann man heute bei gar nichts mehr sein …“

Und erhielt wenig später zur Antwort: „Lieber Doc, danke für die Analyse, Du hast recht, es ist keine Montage. In Budapest waren wir mit einer Fremdenführerin unterwegs; die zeigte uns den Bus auf der Straße und sagte, der fährt auch im Wasser. Ich dachte, die erzählt uns einen Witz. Als wir wieder auf dem Schiff waren und ich zufällig zum Fenster raus schaute, fuhr der Kerl in der Tat auf dem Wasser. Ein schneller Griff zur Kamera, und das Bild war gemacht.“

Da habe ich ja noch mal Glück gehabt – ich hätte mich ja auch blamieren können. Wenn eine digitale Bildfälschung wirklich professionell gemacht ist – unter Berücksichtigung all der Kleinigkeiten, die in der Bildkritik-Rubrik immer wieder Anlass zur Rüge geben –, ist es ohne aufwendige technische Datenanalyse mit bloßem Auge kaum möglich, eine Fälschung eindeutig zu identifizieren.

Bei den von unseren Lesern für die „Bildkritik“ eingesandten Beispielen ist allerdings das Gegenteil der Fall: Da wird heftig gegen die Gesetze der Plausibilität verstoßen, Perspektive und (Un)Schärfe werden ebenso ignoriert wie die Regeln von Beleuchtung und Schattenwurf. Ein besonders krasses Beispiel dafür vom Wir-sind-doch-nicht-blöd-Media-Markt zeige ich Ihnen in DOCMA 67 auf Seite 100. Aus der Analyse solcher Fehler kann man nicht nur für die eigene Praxis lernen – die eingesandten Bilder werden beim nächsten Bad Pixel Award von der Jury begutachtet, und der Einsender der schlimmsten Montage erhält wieder einen wertvollen Preis. (2015 war das ein teurer Drucker.)

Mitunter missverstehen manche Leser den Ansatz der Bildkritik aber auch. Nicht alles, was von einer naturalistischen Abbildung der Wirklichkeit abweicht, ist schlecht – die Frage ist immer, ob diese Abweichung ungewollt und unkontrolliert „reingerutscht“ ist oder eine Funktion für die Bildaussage hat. So wurde etwa meine Illustration zu meinem Blog-Beitrag vor zwei Wochen zur Bonner TeleGen-Ausstellung auf der DOCMA-Seite von den Lesern Ralf und Frank mit den Worten kritisiert: „Das Bild zum Artikel hätte einen Platz in der kommenden DOCMA verdient, Abteilung ,Bildkritik‘.“

Und in der Tat, wenn man es kritisch betrachtet, gibt es eine Menge „Fehler“ darin: Staffelei und Fernseher sind viel zu groß, das TV-Gerät hat keine Tiefe, sondern ist flach wie eine Platte, die Schatten der Staffelei stimmen nicht … Aber mal im Ernst: Glaubt Ihr wirklich, dass solche Abweichungen von der Realität jemandem, der seit Jahren seine Bildkritiken verfasst, einfach so unterlaufen? Die Illustration ist ein Zitat von Bildern des Surrealisten René Magritte, in denen Gemälde das auf ihnen Dargestellte (mutmaßlich) verdecken, die Größenverhältnisse nicht stimmen und so weiter. Klar, ich hätte auch plakativ drunterschreiben können: Hommage à Magritte – aber das wäre mir dann doch etwas plump erschienen. Was allerdings tatsächlich daneben gegangen ist, ist der Anschluss der Schlagschatten auf dem Boden an die Staffelei.

39 TV2
Retro-TV with wooden case: tomispin – Fotolia; übrige Fotos und Montage: Doc Baumann
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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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2 Kommentare

  1. Lieber Doc Baumann,

    da bin ich aber froh, dass Sie das Thema noch mal aufgreifen. Und das hat genau zwei Gründe:
    1. ich teile Ihre Meinung, das der Zweck sich ggf. über die techn. Korrektheit hinwegsetzt. Das gilt auch für Werbemotive. Beispiel gefällig? Docma 61, Abteilung Bildkritik: King Kong und der Wolkenkratzer. Technisch falsch, aber für die zu vermittelnde Botschaft korrekt. Halt eine Frage des Betrachtungswinkels.
    2. Auch dem Profi unterlaufen Fehler, künstlerische Aussage hin oder her. Im Bild Retro-TV gibt es im Schatten der Staffelei zwei Querstreben. Die Staffelei selbst hat aber nur einen. Und auch das der Schatten an der Rasenkante abrupt aufhört ohne vorher das hochstehende Gras zu beschatten erscheint mir nicht schlüssig.

    Wir sind halt ale nur Menschen…

    Und um keine falschen Schlüsse aufkommen zu lassen. Ich verdiene meine Brötchen nicht mit Bildbearbeitung, aber bin leidenschaftlicher und truer Leser der Docma.

    LG Ralf

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