Unzugängliche Archive
Meine ersten Geschichten und – selten zwei Seiten übersteigenden – Romananfänge, die ich mit zehn oder zwölf Jahren verfasst habe, kann ich noch immer problemlos in alten Heften nachlesen. Zeichnungen, die ich im Alter von drei oder vier Jahren aufs Papier gebracht habe, haben meine Eltern den frühen Fotoalben beigelegt, die meine Kinderjahre dokumentieren; auch diese Werke sind bestens erhalten.
Versuche ich dagegen, meine ab 1984 geschriebenen Bücher und Artikel, Pixelbilder oder Datenbanken aufzurufen, ist das selten von Erfolg gekrönt. Dabei sind sie gerade mal halb so alt. Das liegt nicht an der oft beschworenen begrenzten Haltbarkeit der Datenträger. Ich habe meine Daten so exzessiv auf diversen Festplatten, CDs und DVDs verteilt, dass ich mit diesem Problem noch nie zu kämpfen hatte.
Nein, es liegt daran, dass sich die Dateien nicht mehr öffnen lassen. Kaum ein Programm ist in der Lage, mit frühen Versionen erfasste Dateien zu öffnen. Meine ersten Bücher habe ich Mitte der Achtziger mit der Software Ready-Set-Go produziert. Die gibt es schon lange nicht mehr. Aber InDesign denkt gar nicht daran, alte PageMaker-Files zu öffnen. Word macht aus frühen Dateien kryptischen Zeichensalat. Meine Datenbank FileMaker würde zahlreiche Konversionen mit früheren Versionen brauchen, die aber vom Betriebssystem längst nicht mehr unterstützt werden. Und so weiter und so fort.
Und Photoshop? Die meisten alten TIFFs und JPEGs lassen sich öffnen. Sogar eine aktuelle Dekomprimierungssoftware zum Auspacken uralter DiskDoubler-Archive habe ich im Web gefunden, mit denen ich Bilder aus den Achtzigern wieder öffnen kann. Aber ohne Not unterstützt Adobe etliche Formate seit Jahren nicht mehr. Bevor es erschwingliche Web-Quellen wie etwa Fotolia oder istock für Fotos gab, hatte ich mir ein Archiv von 800 CDs zugelegt, die Corel Stock Photo Library. Die Bilder sind im Format Kodak Photo-CD gespeichert, dessen Unterstützung Photoshop schon lange eingestellt hat. Auch alte Pict-Dateien kann ich nicht mehr öffnen. Gäbe es – für den Mac – nicht das praktische Programm GraphicConverter, wären alle diese Bilder für mich verloren. Nur – kann und darf sich Adobe (oder eine beliebige andere Firma dieser Art) darauf verlassen, dass andere schon die nötigen Hilfsmittel bereitstellen, damit sich die Dateien, die mit der eigenen Software erstellt wurden, auch später noch lesen lassen? Eine solche Einstellung passt ausgezeichnet zu einem Denken in Quartalsabschlüssen, zu mehr taugt sie nicht.
Meine Kinderzeichnungen und frühen Texte kann ich jederzeit anschauen, alte Bücher aus meiner Bibliothek auch dann noch, wenn die Hersteller von e-books sich aus Marketinggründen mal entschließen sollten, alte Formate nicht mehr darstellen zu können. Zugegeben, wenn sie mal einem Brand oder Wasserschaden zum Opfer fallen, sind sie unwiederbringlich verschwunden und ich kann auf keine Duplikate davon zurückgreifen. Aber wenn der Zugriffsversuch ohnehin nur wirre Zeichenketten generiert, ist das eigentlich auch egal.
Ich hatte mal eine Musikkassette. Da waren tolle Lieder drauf, aber die passt nun nicht mehr in das Laufwerk meines PCs. Wie unverschämt!???!
Daten sichern heißt immer auch sie hin und wieder dem neuen Format anzupassen (CD, Mp3)
Was soll das Gejammer? Einen Fotoausdruck von 1986 der noch heute genau so aussieht wie damals würde ich gern sehen, vor allem hätte ich gerne das Fotopapier!
Seh ich genauso. Manchmal muss man alte Formate halt in neue konvertieren, wo ist das Problem? DNG, TIFF oder EXR werden auch in 20+ Jahren noch gelesen werden und OBJ oder 3DS genauso. Nur spezielle Szenedateien von spezialisierten Grafikprogramme eben nicht. Das muss man halt im Hinterkopf behalten. Ich kann dieses Gemecker jedenfalls nicht nachvollziehen.
Ich kann in dem Beitrag kein Gejammer erkennen und einen „Fotoausdruck“ von 1986 möchte ich sehen, es kann sich allemal um einen Abzug, eine Vergrößerung handeln. Die Bilder in den Fotoalben meiner Eltern aus den 30ern sind jedenfalls noch in einem guten Zustand, meine Diapositive aus den 70ern auch. Ob z. B. das im Kommentar erwähnte DNG-Format in 20 Jahren noch gelesen werden kann, bezweifle ich stark, dass ist auch heute nicht mit allen Bildbearbeitungs-Programmen möglich.
Die Programme über die „gemeckert“ wurde, waren in den 80ern allesamt Standard und ich habe mir damals auch keine Gedanken über die Halbwertzeit der Daten gemacht. Das gilt übrigens auch für die 8“-Floppy-Disks meiner Berthold Fotosatzanlage, die noch auf dem Dachboden lagern.
Das Thema Datenverlust im digitalen Zeitalter und die Gefahr, dass das Kulturschaffen unsere Zeit verloren geht, wird ja hier nicht zum ersten mal angesprochen. Wenn dann alles nur noch in der Wolke gespeichert wird noch größer. Wehe dem Tag an dem sich diese Wolken auflösen.
Aber wenn, wie in diesen Tagen, 2000 Jahre alte Kulturgüter plattgemacht werden, spielt das wohl auch keine Rolle mehr.
Hallo David,
wo habe ich denn in meinem Text was von unveränderten Fotoausdrucken von 1986 geschrieben? Und, na klar, die 80.000 Bilder meiner Stock Photo Library kann ich ja locker mal nebenbei in aktuelle Formate konvertieren – wäre es da nicht einfacher, Photoshop würde ältere Formate weiter unterstützten? Und in welches Format hätte ich etwa meine Ready-Set-Go-Buchlayouts konvertieren sollen? PDF gab’s damals noch nicht (ebensowenig wie Fotoausdrucke übrigens). Viele Grüße, Doc
Hallo Doc!
Sorry, das hab ich dann wohl vermischt mit „Zu Papier gebracht“ und „den Fotoalben beigefügt“.
Ich wollte damit auch eigentlich nur am Beispiel der Musikkassette sagen, dass “ so exzessiv auf diversen Festplatten, CDs und DVDs verteilt“ manchmal nicht reicht, sondern dass man bei der Gelegenheit auch gleich in ein aktuelles Format konvertieren sollte. Und ja! Das kostet Zeit! Oder Geld!
Aber sich darauf zu verlassen, dass ein Programm immer alle Formate unterstützt? Und warum PS? Warum nicht GIMP, Paint.Net, Corel und und und.
Was ist, wenn die dann nicht mehr State of the Art sind?! (Wenn ich das richtig mitbekommen habe: Beipiel Apreture, das eingestellt wurde?!)
Und es gibt immer noch die Möglichkeit über VM auf die Steinzeit zurückzugreifen. Habe gerade zum Geburtstag ein PS 1.0 Tutorial gesehen…
Am Ende ist es eine Frage der Wirtschaftlichkeit: wie viel Prozent aller Nutzer bräuchten so ein Feature? Und würden wir sie ohne als Kunden verlieren? An welche Konkurenz? Ich bau doch in meine Autos auch nicht einen besonderen Motor ein, weil ich 10 Leute kenne die noch 100 Liter Super-Verbleit im Keller lagern 😉
Auf Bitmaps basierende Bildformate lassen sich noch relativ einfach konvertieren – zumindest so lange keine Kompression im Spiel ist. Ältere Vektordatenformate – auch das heutzutage kaum noch unterstützte PICT war (unter anderem) ein Vektorformat und früher das Standardformat auf dem Mac – machen schon mehr Probleme. Layoutdateien waren noch nie besonders konvertibel und dasselbe gilt für Datenbankdokumente wie die von FileMaker. Selbst wenn man eine alte FileMaker-Version auftreibt, könnte man zwar noch die Daten selbst exportieren, um sie in ein anderes Datenbanksystem zu übernehmen, aber das Layout und die Programmierung müssten völlig neu entwickelt werden.
Der wesentliche Punkt ist ohnehin ein anderer: Da hatte sich einst ein Entwickler die Mühe gemacht, eine Importfunktion für ein bestimmtes Dateiformat zu schreiben. Weil es ein inzwischen obsoletes Format ist, das sich nicht mehr ändern wird, braucht dieser Code nie mehr erweitert zu werden; man muss ihn insofern noch pflegen, als Änderungen beim Betriebssystem oder der Programmierumgebung Anpassungen erfordern, aber dieser Aufwand hält sich im Rahmen. Und nun ist die Frage, ob der Hersteller solche vorhandene Funktionalität schnöde herauskegeln sollte, nur damit künftig ein paar kleinere Anpassungen weniger nötig sind. Und das betrifft wohlgemerkt nicht nur fremde Dateiformate, sondern auch die Formate älterer Versionen der eigenen Software.