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Sechs Stunden Facebook-Fasten

Ich weiß nicht, ob es jemand bemerkt hat, aber am Montag waren alle Server des Zuckerberg-Konzerns für rund sechs Stunden aus dem Netz verschwunden. Technische Störungen sind aber nicht das größte Problem, dem sich Facebook & Co. gegenüber sehen.

Letzten Montag war nachmittags plötzlich nicht nur Facebook untergetaucht; auch Instagram und WhatsApp waren nicht mehr erreichbar. Selbst Anbieter außerhalb des Mutterunternehmens Facebook, Inc. hatten darunter zu leiden, wenn sie auf den Facebook-Login zur Identitätskontrolle ihrer Kunden zurückgriffen. Für Facebook besonders ärgerlich war der gleichzeitige Ausfall der intern verwendeten Systeme einschließlich der E-Mail; anscheinend blieb manchen Mitarbeitern selbst der Zutritt zum Büro verwehrt, weil die Zugangskontrolle nicht mehr mitspielte.

Sechs Stunden Facebook-Fasten
Sechs Stunden lang blieben Facebooks Server im Internet unerreichbar – hier ein Datacenter im dänischen Odense. Bild: Facebook

Der Grund war relativ offensichtlich, denn der Zugriff auf Facebooks Systeme scheiterte nicht daran, dass die Server nicht antworteten – die Server waren gar nicht mehr sichtbar. Will heißen: Der Domain Name Service, der zu Adressen im Internet den zuständigen Computer findet, kannte sie nicht mehr. Das hätte durch einen Denial-of-Service-Angriff einer Hacker-Gruppe bewirkt worden sein können, aber die Erklärung war banaler: Facebooks Techniker hatten sich bei einer Umkonfiguration der Router versehentlich selbst ins Aus geschossen. (Nachdem sie Facebook dauernd im laufenden Betrieb kaputt basteln, kann ich nur sagen: Recht geschieht’s ihnen!)

Ein unbeabsichtigter Distributed-Denial-of-Service-Angriff kam dann noch hinzu, denn Milliarden vergebliche, weltweit verteilte Kontaktversuche der Nutzer ließen die Domain-Name-Server heißlaufen – man kam immer noch nicht bei Facebook, Instagram oder WhatsApp hinein, aber es dauerte immer länger, das herauszufinden.

Böswillige könnten vermuten, dass es Mark Zuckerberg gar nicht so unlieb war, einmal für ein paar Stunden von der virtuellen Bildfläche zu verschwinden. In den Medien, die technisch nicht von der Facebook-Infrastruktur abhängig waren, war zur selben Zeit viel von Facebook und Instagram die Rede, nachdem sich die Whistleblowerin Frances Haugen enttarnt hatte. Die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin hatte sich dem Wall Street Journal anvertraut und den Stoff für eine Artikelserie geliefert, die Facebook, Inc. in ein unvorteilhaftes Licht rückte. Gestern hat sie zu diesem Thema auch vor dem US-Senat ausgesagt.

Die Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber laufen darauf hinaus, dass Facebook, Inc. recht skrupellos agiert, wenn es um die Maximierung des Betriebserlöses geht. Die Algorithmen, die die Nutzer der sozialen Medien gezielt mit Beiträgen füttern, sind dazu geeignet, die Gesellschaft zu polarisieren und verschiedene Gruppen gegeneinander aufzuhetzen – Wut klickt gut. Man könnte die Zusammenstellung der Newsfeeds auch anders, eher deeskalierend steuern, aber das brächte weniger Interaktionen und folglich geringere Werbeeinnahmen. Auch dass Instagram selbst nach eigenen Erkenntnissen für Nutzer im Teenager-Alter schädlich ist, weil die Posts gerade bei Mädchen die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper befördern, hat das Management nicht zum Umdenken gebracht.

Natürlich ist eine so kaltschnäuzige Geschäftspolitik nicht die Erfindung Mark Zuckerbergs. Der Axel Springer Verlag beispielsweise beutet so ein Geschäftsmodell schon seit Jahrzehnten mit seinen Zeitungen und neuerdings auch mit einer Art Fernsehsender aus. Spaltung und Polarisierung zahlen sich aus, und man tut gut daran, die Empörung durch halbe oder ganze Unwahrheiten am Kochen zu halten.

Das könnten wir doch auch mal probieren. Ob man lieber mit Photoshop oder Affinity Photo, Capture One oder Lightroom, Canon oder Sony arbeitet, das ist ja eigentlich Geschmackssache. Vielleicht ließe sich aber viel mehr Aufmerksamkeit erregen, wenn wir uns auf jeweils eine Seite schlagen und gegen die andere eine Kampagne fahren würden. Nicht nur gegen die jeweiligen Hersteller, sondern im Interesse einer maximalen Konfrontation auch gegen diejenigen, die deren Produkte vorziehen. Klar, wir würden einen Teil unserer Leser vor den Kopf stoßen und damit verlieren, aber bei den anderen herrschte eine süchtig machende Dauerempörung, die wir auf einem hohen Niveau halten könnten. Bloß: Uns wäre das zu blöd. Wir wissen ja, dass alle konkurrierenden Produkte ihre Vor- und Nachteile haben.

Die sozialen Medien – nicht nur die unter dem Dach des Facebook-Konzerns – machen das ohnehin viel cleverer. Sie stellen sich selbst auf keine Seite, sondern fördern jegliche Provokation, Konfrontation und Polarisierung – so wie ein Rüstungskonzern, der seine Waffen an beide Seiten verkauft.

Und man kommt leider nicht um sie herum. Schon als ich vor vielen Jahren Facebook-Nutzer wurde, hatte ich darüber gescherzt: Alle reden von Facebook, aber niemand tut etwas dagegen. Die sozialen Netze sind nun mal die virtuellen Plätze, an denen man sich trifft, und wer sie meidet, bleibt einsam. Jedenfalls online. Aber immerhin: Die sechs Stunden Facebook-Fasten habe ich ohne Entzugserscheinungen überstanden …

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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