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Ist die Lichtfeldfotografie am Ende?

Das Start-up Lytro war nicht das einzige Unternehmen, das im Bereich der Lichtfeldfotografie aktiv war, aber Lytro hat am meisten dazu getan, diese Technologie bekannt zu machen und die Lichtfeldfotografie für die breite Masse zu öffnen. Dieser Versuch war schon vor zwei Jahren gescheitert, aber auch eine Neuausrichtung des Unternehmens hatte offenbar keinen Erfolg. Jetzt ist Schluss.

Lichtfeldfotografie
Lytros Kameras erregten zwar einiges Aufsehen, setzten sich jedoch nicht durch.

Nachdem ich schon seit mehr als zehn Jahren über Lichtfeldkameras schreibe, aus deren Aufnahmen man Bilder mit unterschiedlicher Fokussierung und Schärfentiefe berechnen und auch 3D-Modelle erzeugen kann, habe ich ja eine gewisse Affinität zu diesem Thema. Über Lytro habe ich zuletzt vor knapp zwei Jahren berichtet, als das Unternehmen eine Neuausrichtung weg vom Endkundengeschäft bekannt gab. Mit einer Lichtfeldkamera mit 755-Megapixel-Sensor wollte Lytro die Filmproduktion revolutionieren. Wie ich damals schrieb: „Statt Schauspieler vor einem Green Screen zu filmen, um das Grün des Hintergrunds durch ein anderes Bild zu ersetzen, kann man einen beliebigen Hintergrund verwenden. Aus den Lichtfelddaten ergibt sich, wo sich ein bestimmtes Detail befindet, und wenn die Schauspieler 2 Meter entfernt sind, kann man alle Teile des Bildes ausblenden, deren Distanz 2,5 Meter überschreitet. Es ist so, als sei das Bild von vornherein in Ebenen gestaffelt, die sich beliebig ein- und ausblenden lassen. Freistellen war noch nie so einfach.“ Für Fotografen war Lytro seitdem nicht mehr interessant, denn die erschwinglichen Modelle wurden nicht mehr produziert. Da bald auch die Website Geschichte war, auf der Kunden ihre Lichtfeld-Aufnahmen zeigen konnten, büßten die vorhandenen Kameras ihren Nutzen weitgehend ein.

Lichtfeldfotografie
Kein Szenenfoto aus „2001 – Odyssee im Weltraum“, sondern Googles Lichtfeld-Labor
Lichtfeldfotografie
Wo bleibt mein Raketenrucksack?

Und nun ist es ganz vorbei. Auf dem Lytro-Blog verabschieden sich die verbliebenen Mitarbeiter mit dem vulkanischen Gruß von ihren verbliebenen Kunden: Live long and prosper! Letzte Woche hieß es noch, Google plane, das Unternehmen zu einem Preis zwischen 25 und 40 Millionen USD zu übernehmen. Dabei geht es aber offenbar nicht darum, Lytros Produkte weiterzuentwickeln; vielmehr will man sich das Talent der Lytro-Entwickler sichern, die neue Arbeitsplätze bei Google finden werden – aber nicht unbedingt im Bereich der Lichtfeldfotografie, obwohl Google selbst auf diesem Gebiet forscht.

Die Lichtfeldfotografie als solche ist keineswegs tot, aber es ist nicht mehr damit zu rechnen, dass wir selbst in absehbarer Zeit diese Technologie nutzen können, um die Fokussierung und die Schärfentiefe erst im Raw-Konverter festzulegen. Die Lichtfeldfotografie geht den Weg des Raketenrucksacks, von dem man in meiner Kindheit träumte: Die Technologie existiert längst, sie funktioniert auch – prinzipiell –, aber sie ist nicht alltagstauglich und wird das vielleicht niemals werden.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Gestern konnte ich eine Lytro ersteigern, leider ohne die Bearbeitungssoftware. Die Site von Lytro ist tot und ich ein wenig ratlos wie ich meine Neue nutzen kann. Alle Links führen zu Lytro und damit ins Nirvana.
    Bleibt mir nun die Lichtfeldfotografie für immer verwehrt, oder seht ihr eine Möglichkeit heutzutage an geeignete Software zu kommen?
    PS. Ich arbeite auf Mac mit Adobe creativ cloud.
    Danke im Voraus für jeden Tip.

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