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100 Jahre GDL/DFA

Ich liebe es ja, Ausstellungen großartiger Fotografie zu empfehlen, aber manchmal soll es offenbar nicht sein. Die Ausstellung zum hundertjährigen Jubiläum der Gesellschaft deutscher Lichtbildner (GDL), heute die Deutsche fotografische Akademie (DFA), die mit einer Jubiläums-Festwoche im Haus der Photographie gefeiert werden sollte, endete leider schon nach fünf Tagen.

100 Jahre GDL/DFA
Presserundgang mit Kuratoren und Fotografen

Von der Ausstellung „1000 Wirklichkeiten – 100 Jahre GDL/DFA“ in den Hamburger Deichtorhallen hatten Christoph Künne und ich eher zufällig erfahren. Dass das nicht an unserer Unaufmerksamkeit lag, merkten wir beim Presserundgang vor der eigentlichen Ausstellungseröffnung am letzten Mittwoch, denn außer uns war nur ein Kollege von der BILD-Zeitung gekommen. So hatten wir die Kuratoren und die ausstellenden Fotografen – so weit vor Ort – weitgehend für uns. Mit dem Chefkurator Wolfgang Zurborn unterhielten wir uns über die unterschiedlichen Ansätze dokumentarischer Fotografie in den USA und in Deutschland (drüben haben die Fotografen keine Scheu, auch eine eigene Haltung zu zeigen, während man hierzulande mehr Distanz wahrt), über Walter Benjamins Diktum, „Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird … der Analphabet der Zukunft sein“, über Roland Barthes und Heinrich Zimmer.

100 Jahre GDL/DFA
Vereinsgeschichte in der Gegenüberstellung von Original und Porträtfoto

Die Ausstellung präsentierte Werke von rund 150 Fotografen. Die GDL/DFA, der Fotografen wie Alfred Renger-Patzsch, Robert Häusser, Otto Steinert, F.C. Gundlach angehörten beziehungsweise angehören, kann natürlich aus einem riesigen Bestand schöpfen. Der Versuch, einer so großen Zahl von Künstlern gerecht zu werden, geht oft schief, aber durch die Gliederung in mehrere Themenwelten und eine Präsentation, in der sich große und kleine Formate abwechselten, wurde daraus ein spannendes Ganzes. Die Mehrzahl der Fotos waren der künstlerischen Fotografie zuzurechnen, wie es der Zielsetzung des Vereins entspricht, aber es gab auch Beispiele für eine mehr dokumentarische Fotografie – und dann eben doch eine Fotografie mit Haltung nach amerikanischem Vorbild. Einen herausgehobenen Platz hatten die Bilder von Ute Mahler und Werner Mahler, denen anlässlich der Festwoche die diesjährige David-Octavius-Hill-Medaille der DFA verliehen wurde.

100 Jahre GDL/DFA
Erinnerungen an einen Genozid: Textilfasern aus der Kleidung von Opfern des Völkermords in Ruanda wurden in Diarähmchen gefasst und über ein Foto der Kirche projiziert, in der die einstigen Träger dieser Kleidung grausam abgeschlachtet wurden.

Durch die Kombination unterschiedlicher fotografischer Ansätze und Fotos aus unterschiedlichen Jahrzehnten war es eine abwechslungsreiche und trotz der Fülle der Bilder keineswegs chaotische Ausstellung. Schade nur, dass die Festwoche, während der auch verschiedene Veranstaltungen zu Themen rund um die Fotografie stattfanden, auf fünf Tage begrenzt war und schon am Sonntag endete.

Ein Seitengang der Halle war der Dokumentation der Geschichte der 1919 gegründeten Gesellschaft deutscher Lichtbildner gewidmet. Dabei wurde auch die Zeit des Nationalsozialismus nicht ausgespart, als „nichtarische“ Mitglieder ausgeschlossen wurden – widerwillig und nicht ohne Bedauern, aber in der Überzeugung, dass es nun einmal sein müsse. Zeugen der Wiederbelebung des Vereins in der Nachkriegszeit konnten noch von ihren Erfahrungen berichten. Bilder einer Jurysitzung erinnerten uns an den DOCMA Award – wie damals allgemein üblich bewerten auch wir die eingesandten Bilder noch ganz „oldschool“ anhand großformatiger Prints. 

100 Jahre GDL/DFA: Die Ausstellung im Haus der Photographie ist zwar beendet, aber auf der Website der DFA finden Sie dauerhaft eine sehenswerte Portfoliodatenbank der Mitglieder, die sich nach verschiedenen Kriterien durchsuchen lässt.

100 Jahre GDL/DFA
Peter Thomanns Foto einer Stute mit ihrem Fohlen ist das vermutlich meistkopierte Foto der Welt. Der Fotograf musste lange kämpfen, um sein Urheberrecht in aller Welt durchzusetzen.
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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