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Schärfentiefe oder Tiefenschärfe?

Wenn in Fotoforen einmal Langeweile herrscht, wird über kurz oder lang die uralte Streitfrage aufgewärmt, ob es „Schärfentiefe“ oder „Tiefenschärfe“ heißen müsse.

Die richtige Antwort ist „Schärfentiefe“ – gemeint ist schließlich die Tiefenausdehnung der Schärfenzone, nicht die Schärfe in der Tiefe. Diese Ansicht brauchte allerdings rund hundert Jahre, um sich durchzusetzen. Das lässt sich mit Googles Ngram-Viewer nachverfolgen, mit dem man nach der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Ausdrücke in einem riesigen Textkorpus suchen kann:

Schärfentiefe oder Tiefenschärfe?
Erst in diesem Jahrhundert überrundet „Schärfentiefe“ den ewigen Rivalen „Tiefenschärfe“ an Popularität, aber der Aufstieg der Smartphones lässt das Interesse an beiden Varianten schrumpfen.

Das Wort „Tiefenschärfe“ geht auf das 19. Jahrhundert und damit die Anfangszeit der Fotografie zurück, während „Schärfentiefe“ erst um 1900 auftaucht und sich im 20. Jahrhundert nie gegenüber der „Tiefenschärfe“ durchsetzen kann. Um die Jahrtausendwende beginnt dann aber der rasante Aufstieg der „Schärfentiefe“. 2006 überholt sie den Rivalen, der danach zunehmend seltener gebraucht wird. Aber auch mit der „Schärfentiefe“ geht es ab etwa 2012 bergab, wenngleich ihre Führung unangefochten bleibt. Man könnte vermuten, dass der Rückgang des Verkaufs „richtiger“ Kameras und der Aufstieg der Smartphones das Interesse an solchen Konzepten schwinden lässt: Wer mit dem Handy fotografiert, interessiert sich vermutlich nicht für Feinheiten der Fototechnik. Nur in den Fotoforen streitet man sich bis heute darüber, welcher Begriff zu bevorzugen sei.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Der Durchschnitts-Youtuber von heute labert schlicht von „Bokeh“, wenn es um einen unscharfen Hintergrund geht – nicht-wissend, dass dieser Begriff für die Art und Qualität der Unschärfe steht – und nicht nur für die Unschärfe an sich. *seufz*
    Da interessiert der Unterschied von „Schiefentärfe“ und „Tärfenschiefe“ doch eh keine Sau mehr. 😉 Oh, habe ich mich viellicht vertippt? ?

  2. Auch in Blogs scheint die Langeweile Einzug zu halten, sonst würde man das Streitthema nicht aus der Lade holen.
    Nicht nur die Handy-Fotografierer kümmern sich nicht um Feinheiten, wichtig sind „Bildlooks“, und sei es durch den Missbrauch des Raw-Entwicklers.
    Wobei Bildlooks die Wiedereinführung des durch den automatischen Weißabgleich der Digitalfotos überwunden gedachten Farbstichs der analogen Fotografie durch die Hintertür sind.

  3. …Nur weil es seit 2007 einen „Schärfentiefenhype“ gibt, der sich aber in letzter Zeit mächtig abschwächt, wird hier auf dem Begriff neuerdings rum geritten. Für mich heißt es immer noch Tiefenschärfe. Es heißt ja auch schon immer so – auch laut Googles Sprach Kurve.

  4. Da kann ich meinem Vorschreiber nur beipflichten. Wie Wittgenstein schon zur Logik der Sprache sagte: (sinngemäß) Wer auf einer Logik in der Sprache besteht, wird schlußendlich keine Milch mehr kaufen können.

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