Die Welt in der Puppenstube: Richard Tuschmans Vision des alten Krakau
Die Bilder des New Yorker Künstlers Richard Tuschman entstehen in einer Mischung aus Modellbauer-Handwerk und Bildmontage in Photoshop. Charakteristisch für seine Arbeitsweise ist die Serie Once Upon a Time in Kazimierz (Es war einmal in Kasimir), die ich in der aktuellen DOCMA 74 vorstelle.
Kazimierz (deutsch „Kasimir“) war einst das jüdische Viertel Krakaus, das Anfang des 20. Jahrhunderts über 150.000 Einwohner zählte. In den 20er Jahren begann der Niedergang; die vermögenderen Einwohner zogen in andere Teile Krakaus und in Kazimierz blieben die Armen und die Ultraorthodoxen zurück. 1939 besetzten deutsche Truppen Krakau; 1941 wurde die jüdische Bevölkerung in ein Ghetto deportiert und bis 1944 fast vollständig ausgelöscht. Nur rund 500 der Juden Krakaus haben den Völkermord überlebt.
Richard Tuschmans Bilder erzählen von einer fiktiven Familie im Kazimierz des Jahres 1930. Die Stimmung der Szenen erinnert an Träume, ganz ähnlich den Geschichten der Erzählungsfolge Die Zimtläden (1933) des polnischen Schriftstellers und Malers Bruno Schulz (1892–1942), die in der gleichen Zeit und einem ähnlichen Milieu spielen. In den einzelnen Motiven findet man Verweise auf Künstler, die Tuschman beeinflusst haben – Maler wie Vermeer, Rembrandt, van Gogh, Balthus und Di Chirico, oder auch der Fotograf Bill Brandt. The Potato Eaters (Die Kartoffelesser) spielt schon im Titel auf van Gogh an.
Richard Tuschmans Arbeitsweise erinnert an klassische Techniken des Filmtricks. Für die Hintergründe nutzt er Fotos selbstgebauter Dioramen in der Art von Puppenstuben, in die er mit Hilfe von Photoshop Bilder von Models montiert. Wie das Motiv Die Kartoffelesser entstanden ist, beschreibe ich in der DOCMA 74 ab Seite 104.
In DOCMA zeigen wir noch weitere Motive aus Richard Tuschmans Vision des alten Krakau, die auch die Vielfalt der Vorbilder Tuschmans illustrieren.