Blog

Unschärfen

Hallihallo, Olaf hier. In der DOCMA 60 ging es in meinem Fokus-Workshop um Unschärfen – unter anderem auch um das Bokeh. In diesem Zusammenhang stoßen wir auch gleich auf eine weitere Art der Unschärfe: die sprachliche.

Unschärfen …  Foto: Olaf Giermann
Unschärfen … Foto: Olaf Giermann

Erstaunlich viele Begriffe in der Fotografie werden falsch oder ungenau verwendet. So eben auch das Wort Bokeh – das häufig schlicht synonym zu „Unschärfe“  verwendet wird. Tatsächlich bezeichnet man damit jedoch die Charakteristik der Unschärfe. Im deutschsprachigen Raum wird der aus dem Japanischen stammende Begriff meistens korrekt ausgesprochen – zumindest dabei haben wir mehr Glück als etwa unsere Englisch sprechenden Freunde. 😉

Wie auch immer: Wenn jemand auf solche Kleinigkeiten hinweist, wo doch – natürlich! – jeder weiß, was gemeint ist, dann wird schnell mal die „Klugscheißerkeule“ geschwungen. Dabei ermöglichen klare Begriffe doch erst eine klare und effektive Kommunikation. Das Dilemma ist in den Medien, auf Diskussionsplattformen und in meinem E-Mail-Postfach zu beobachten: Schon mehrfach wurden Fotos mit einem Menschen drauf schon als „Selfie“ bezeichnet, dabei meint es doch nur ein Selbstporträt.

Schärfentiefe/Tiefenschärfe/Tiefen­unschärfe … wir dürfen gespannt sein, wie sich das weiterentwickelt. „Dodge & Burn“ steht heute schon nicht mehr nur für die entsprechende Dunkelkammertechnik oder das Vorgehen in Photoshop (in DOCMA 58 hatte ich übrigens die verschiedenen aktuellen Möglichkeiten mit Ebenen und Einstellungsebenen dafür zusammengefasst) sondern oft schon für jeden hochkontrastigem Look. Ähnlich beliebig wird mit „HDR“ alles mögliche an Looks und Techniken bezeichnet, aber nur selten das, was der Begriff eigentlich meint. Wenn jemand, der nichts mit 3D-Programmen oder komplizierten Licht-Situationen zu tun hat, interpretiere ich die Erwähnung von „HDR“ mittlerweile nur noch als „Hoch Die Regler!“.

Interessant ist auch, dass heute kaum noch Fotomontagen erstellt werden, denn das sind immer häufiger „Matte paintings“, obwohl mitunter kein Stück gemalt wurde und das Werk auch nicht als Hintergrund für eine Filmproduktion gilt.

Sollten Sie versuchen, diese sprachlichen Unschärfen bei anderen zu verbessern, merken Sie sich: Das bringt nichts. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Aber ich will ja gar nicht jammern. 😉 Ich stelle nur fest. Dabei geht es sicher nicht nur uns Bilder-Machern und Bilder–Bastlern so. An sich ist das „Problem“ ja irgendwie lustig (der ursprüngliche Erfolg von Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ basierte primär wohl auf dem Konzept, die völlig von ihrem Wissen, Talent und ihren Fähigkeiten überzeugten Personen, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Unfähigkeiten zu erkennen, bloß zu stellen).

Immer, wenn man sich ein wenig intensiver mit einer Sache auseinandersetzt als die meisten anderen, erkennt man, wieviel Nonsens und nicht nachvollziehbarer Technobabble ausgetauscht wird – oft nur, um (unbewusst?!) Eindruck zu schinden. Erstaunlicherweise lassen sich nicht wenige Menschen von so etwas tatsächlich gern mal blenden.

Einleitende Phrasen wie „Wissenschaftler haben herausgefunden, dass …“ und „Laut dem Experten XY …“ lassen mich bezüglich der danach folgenden Aussagen schon einmal präventiv die skeptische Spock-Augenbraue hochziehen, weil dann oft nur substanzloses Geschwurbel folgt – und sich genau das mit ein wenig Recherche schnell bestätigt.

Das finde ich unscharf. 😉

Aber wenn jeder von uns selbst ein kleines Bisschen darauf achtet, welche Begriffe er wie einsetzt, und auch einmal zugibt, sich in einem bestimmten Wissensbereich nicht auszukennen, dann erleichtert sich der Gedankenaustausch zwischen uns Auslöserdrückern und Pixelschubsern jeden Tag ein bisschen mehr.

Ihr Olaf Giermann

PS und unter uns: Ich kenne mich in Photoshop und Bildbearbeitung ziemlich gut aus. Von Print und Druckvorstufe habe ich aber mal (denke ich) so gar keinen Plan. Es interessiert mich auch schlicht nicht und deshalb halte ich zu solchen Themen auch meine Klappe. 😉

Zeig mehr

Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

Ähnliche Artikel

Kommentar

  1. Ich habe beim Lesen immer mehr gelacht – der Artikel bringt die Sache genau auf den Punkt. Und es ist wirklich sinnlos, Personen, die solchen Unsinn von sich geben, auf die Fehler hinzuweisen. Die Herrschaften sind meist so von sich überzeugt, dass solche Anmerkungen einfach abprallen. Also, einfach reden lassen und sich seinen Teil denken…. wie heißt das? ach ja: munter bleiben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Das könnte Dich interessieren
Close
Back to top button