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Digitalfotografie: Wie alles anfing

Sagt Ihnen der Name Steven J. Sasson etwas? 1975 hatte dieser Kodak-Ingenieur die erste Digitalkamera gebaut, aber damals nicht geahnt, was daraus werden würde und wie schnell die Digitalfotografie den Film – das Kerngeschäft seines Arbeitgebers – überflügeln sollte.

Digitalfotografie: Wie alles anfing
Zwei Mal Steven J. Sasson – zur Zeit seiner Erfindung und heute (Quelle: Kodak)
Digitalfotografie: Wie alles anfing
Die erste, noch 3,6 Kilo schwere Digitalkamera. Das Objektiv stammte aus einer Super-8-Filmkamera, als Speichermedium diente eine Kompaktkassette. Quelle: Kodak

Steven Sasson ist Fotografen vielleicht nicht so bekannt wie sein Kollege Bryce E. Bayer, nach dem das verbreitetste Farbfiltermuster der Bildsensoren benannt ist, aber er ist der eigentliche Erfinder der Digitalkamera. 1978 wurde Kodak das US-Patent 4.131.919 für diese Erfindung erteilt. Der Elektroingenieur Sasson arbeitete seit 1973 in der Entwicklungsabteilung von Kodak, und 1974 erhielt er den Auftrag, Anwendungsmöglichkeiten für das damals gerade erfundene CCD zu finden – ein Chip, mit dem man – damals noch niedrig aufgelöste – Schwarzweißbilder aufnehmen konnte. Sassons Prototyp brauchte 23 Sekunden, um ein Bild auf einer Kompaktkassette zu speichern (für die Jüngeren: eine Kompaktkassette enthielt ein Magnetband, das zur Aufzeichnung von Musik diente, aber auch zur Datenspeicherung zweckentfremdet werden konnte). Die Bilddaten dann abzurufen und auf einem Fernsehbildschirm anzuzeigen, beanspruchte erneut 23 Sekunden. Die Kamera wog 3,6 Kilo und war alles andere als tragbar.

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Aus Kodaks Patent auf eine „Electronic Still Camera“, erteilt 1978

Es stimmt also ganz und gar nicht, dass Kodak, das Unternehmen, das die Fotografie einst zum Hobby der breiten Masse gemacht hatte, deren Digitalisierung verschlafen hätte. Kodak hat die Digitalkamera erfunden und gehörte in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu den ersten Herstellern, die erschwingliche Digitalkameras auf den Markt brachten – auch an deren Entwicklung war Steven Sasson beteiligt.

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Ende der 70er Jahre ließen die ersten Digitalbilder noch nicht ahnen, wie leistungsfähig und allgegenwärtig diese Technologie werden würde. Quelle: Kodak

Wie schnell sich die Digitalfotografie auf dem Markt durchsetzen würde, hatte Sasson nicht vorausgeahnt. Wie er jüngst in einem Interview erzählte, „hatte man immer angenommen, dass die kommerzielle Nützlichkeit von Digitalkameras begrenzt sein würde, so lange ihre Auflösung, ihr Preis und ihre Anwenderfreundlichkeit nicht mit der film-basierter Kameras vergleichbar wäre. Es waren dann aber andere Eigenschaften digitaler Kameras, wie die Möglichkeit, Bilder gleich nach der Aufnahme zu betrachten und elektronisch zu übertragen, die diese Technologie schließlich den Film überflügeln ließ.“ Wie schnell und wie weitgreifend diese Entwicklung sein würde, hat ihn selbst überrascht: „Ich hätte nie gedacht, wie allgegenwärtig Bilder von schlichtweg allem werden würden. Fotos sind zum universellen Medium der alltäglichen Kommunikation geworden. In jeder Umgebung finden wir heute Kameras, selbst zu Hause. Ich habe völlig unterschätzt, wie schnell wir an diesen Punkt kommen würden.“

Sasson, der sich vor sieben Jahren mit einem Beratungsunternehmen selbstständig gemacht hat, sagt, dass er aus solchen Erfahrungen gelernt hätte, und zitiert Mark Twain: „Es sind nicht die Dinge, die man nicht weiß, die einen in Schwierigkeiten bringen. Es sind die Überzeugungen, derer man sich absolut sicher ist, obwohl sie gar nicht stimmen.“

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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