Antike Montagetechnik
Eigentlich gab es in der Antike schon vieles von dem, was unsere heutige digitale Welt ausmacht: Computer, Pixel und sogar Bildmontagen. Wenn auch nicht ganz so, wie wir das heute kennen.
Dass es im antiken Griechenland bereits so etwas wie Computer gab, wird manchen überraschen. Aber Taucher haben im Jahr 1900 tatsächlich einen Mechanismus gefunden, der seitdem restauriert und (da unvollständig) rekonstruiert und nachgebaut wird. Er stammt wahrscheinlich aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert und besteht aus einer großen Zahl von Zahnrädern, Skalen und Zeigern. Angetrieben wurde er mit einer Handkurbel (was uns bei zeitgenössischen Computern zum Glück erspart bleibt) – einer der Wissenschaftler, der ihn jahrelang untersucht hat, hat jedenfalls keine Probleme damit, ihn als Computer zu bezeichnen.
Hier ist nicht genug Platz, um das Gerät ausführlicher zu beschreiben. Bei Interesse schauen Sie in der Wikipedia unter dem Stichwort “Mechanismus von Antikythera“ nach.
Auch von Pixeln könnte man im übertragenen Sinne sprechen, wenn man sich bestimmte Kunstwerke der Antike anschaut. In den Kapitolinischen Museen in Rom können Sie zwei Mosaike bewundern – eins zeigt eine Metallschale mit Tauben, das andere zwei Masken –, deren Elemente so winzig sind, dass sie aus normaler Betrachtungsentfernung nicht zu erkennen sind.
Da diese Steinchen die Grundelemente des Mosaiks darstellen und noch dazu einfarbig sind, weisen sie immerhin zwei Merkmale auf, die auch Pixel definieren. Allerdings sind sie formbezogen verlegt und nicht in einem regelmäßigen Raster, was die Analogie dann ein wenig ins Wanken bringt.
Vor einiger Zeit hatte ich schon einmal zwei antike Geschichten zitiert, die von Malern handeln und in der „Naturgeschichte“ des Plinius erwähnt werden. In der einen geht es um Apelles und Protogenes. Der eine malt eine dünne Linie, der andere eine noch dünnere Linie in die erste hinein, bis schließlich Apelles das Ganze mit einer unüber(eigentlich unter-)trefflichen, noch dünneren krönte. Das diente mir als Beispiel für eine meisterhafte Beherrschung der Technik.
Die zweite Geschichte beschrieb, wie der Maler Zeuxis im Wettstreit mit seinem Kollegen Parrhasios so naturgetreue Trauben malte, dass Vögel herbeiflogen, um an ihnen zu picken. Daraufhin stellte Parrhasios seinem Rivalen ein Gemälde vor, auf dem ein Vorhang zu sehen war. Als Zeuxis ungeduldig bat, diesen doch endlich beiseite zu schieben, um das sich vermeintlich dahinter befindliche Bild zu betrachten, hatte Parrhasios den Sieg errungen, da er es geschafft hatte, Zeuxis und nicht nur Vögel zu täuschen. Der Vorhang war nämlich gemalt. Dieses Beispiel hatte ich angeführt, um die lange Geschichte der Absicht der Maler zu illustrieren, die Betrachter durch naturgetreue Wiedergabe zu überraschen.
In Zeuxis’ Gemälde der Helena von Kroton ist
das Prinzip der Montage bereits enthalten.
Heute nun möchte ich eine dritte Geschichte wiedergeben, in der ebenfalls Zeuxis eine Rolle spielt. Sie dient mir als Beispiel dafür, dass selbst die Idee der Montage schon in der Antike vorkommt (Zeuxis von Heraklea soll um 400 vor der Zeitenwende gelebt haben).
Es geht um sein Bildnis der Helena, das er im Auftrag der unteritalischen Stadt Kroton malte. Helena, deren Entführung den Trojanischen Krieg ausgelöst haben soll, galt als Ideal weiblicher Schönheit. Das Bild des Zeuxis hing ursprünglich im Tempel der Hera Lakinia in Kroton, später kam es nach Rom. Legenden berichten, dass Zeuxis es nach dem Vorbild der fünf schönsten Mädchen der Stadt gefertigt haben soll. Er bat sie, sich vor ihm zu entblößen und wählte den einen vollendeten Körperteil von der einen, einen anderen von einer zweiten und so weiter. Das fertige Bild, die Kombination aus verschiedenen Idealtyen, galt in der Antike als Musterbeispiel der Darstellung weiblicher Schönheit.
Selbstverständlich ist weder der Mechanismus von Antikythera ein wirklicher Computer noch ein Mosaiksteinchen ein echtes Pixel. Und ebenso kann man Argumente dafür nennen, dass die Vorgehensweise des Zeuxis bei seinem Tempelbild in Kroton keine wirkliche Montage war. Denn zusammengefügt hatte er ja nicht passende Bildteile der schönen Frauen, sondern sich jene idealen Bereiche ihrer Körper selbst zum Vorbild genommen, die er dann in einem Gemälde zusammengeführte. Seine Vorgehensweise jedoch unterscheidet sich prinzipiell wenig von der, die wir heute bei digitalen Montagen anwenden.
Es gibt eben nichts Neues unter der Sonne. Dieser Satz steht nun allerdings nicht bei Plinius, sondern in der Bibel beim Prediger Salomon. Auch er ist nicht so ganz richtig – aber die Tendenz stimmt schon.
Peter Paul ZEHNER slowfoto.wordpress.com
Noch ein verpixeltes Beispiel im Teatro-Museo in Figueres: S. Dali`s Porträt des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln, (1930?), beim schnellen Augenschlag eröffnen sich eine weitere Abbildung!