BlogObjektive

Warum sind Objektive rund und nicht rechteckig?

„Du kriegst noch rechteckige Augen!“, warnen Eltern, wenn das Kind vermeintlich zu viel Zeit vor dem Fernseher (früher) oder dem Computer (heute) verbringt. Das ist natürlich Unsinn. Aber warum sind die Linsen unserer Objektive eigentlich nicht rechteckig – die Sensoren und die damit aufgenommenen Bilder sind es doch auch?

Warum sind Objektive rund und nicht rechteckig?
Lauter runde Objektive – nicht nur das hier abgebildete Nikon-Sortiment sieht so aus.

Dass ich mich mit dieser Frage beschäftige, hat einen aktuellen Anlass. Ich hatte ja schon einmal auf die laufende Serie von Youtube-Videos hingewiesen, in denen Martin Krolop mit dem Fotoexperten Anders Uschold über Objektive und ihre Eigenheiten plaudert. In der jüngst veröffentlichten 11. Folge dieser sehr empfehlenswerten Reihe geht es um die Themen Sensorgröße, Brennweite und Bildwinkel, und in den Kommentaren zu diesem Video wurde zweimal die gleiche Frage gestellt: Warum baut man eigentlich nur Objektive mit rundem Querschnitt? Warum sind sie nicht genauso rechteckig wie die Bilder, die man damit aufnimmt?

Die Frage scheint nahe zu liegen. Schließlich setzen wir meist noch eine oft rechteckige oder tulpenförmige Sonnenblende vor das Objektiv, die das Streulicht jenseits des Bildausschnitts von der Frontlinse fernhalten soll. Stattdessen oder darüber hinaus könnte man das Objektiv doch mitsamt aller seiner Linsen rechteckig bauen. Damit würde man nicht nur wertvolles Glas sparen; ein solches Objektiv wäre auch leichter. Diese Überlegung klingt vernünftig, geht aber in die Irre.

Man könnte denken, dass das Lichtstrahlen aus der linken oder rechten Seite des Bildausschnitts auch nur die linke beziehungsweise rechte Seite des Objektivs durchlaufen, doch so ist es nicht. Schauen wir uns an, wie sich das Licht tatsächlich ausbreitet:

Warum sind Objektive rund und nicht rechteckig?
Das Licht von jedem Punkt des Motivs nutzt stets den ganzen Querschnitt des Objektivs.

Von jedem Punkt des Motivs aus breitet sich das Licht in alle Richtungen aus, und ein Teil dieses Lichts erreicht die Frontlinse des Objektivs. Die Strahlen in diesem Lichtkegel werden vom Objektiv gebündelt und laufen auf dem Sensor wieder zu einem Punkt zusammen – vorausgesetzt, dass wir auf das Motiv scharfgestellt haben. Egal woher das Licht kommt, nutzt es immer die komplette Fläche der Linse aus. Wenn wir den Linsenquerschnitt auf ein Rechteck beschneiden, blockieren wir einen Teil der Lichtstrahlen und auf dem Sensor kommt weniger Licht an – das Objektiv wäre weniger lichtstark. Zudem würde eine rechteckige Öffnung für ein eher hässliches Bokeh sorgen.

Das gilt wohlgemerkt für Aufnahmen bei offener Blende. Wenn wir abblenden, blockiert die Blende einen Teil der Lichtstrahlen. Die Lichtkegel werden schmäler und das von einem Punkt ausgehende Licht nutzt tatsächlich nicht mehr die gesamte Fläche der Linsen aus, aber bei einem mehrlinsigen Objektiv muss der vom Licht durchquerte Ausschnitt nicht unbedingt der mittlere Teil einer jeden Linse sein. Die Hersteller streben danach, die Blendenöffnung möglichst rund zu halten, damit sich auch bei kleineren Blenden ein ruhiges Bokeh ergibt.

Warum sind Objektive rund?

Es hat also seinen Sinn, wenn die in der Fotografie verwendeten Objektive stets rund sind. Vor dem Objektiv können und sollten wir den Bildwinkel mit einer Sonnenblende oder einem Kompendium auf den rechteckigen Bildausschnitt beschränken, aber nicht innerhalb des Objektivs selbst.

Michael J. Hußmann
Zeig mehr

Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

Ähnliche Artikel

2 Kommentare

  1. wie sieht es mit den Linsenschleifmaschinen aus ?
    Schleifen die rechteckig, oder gibt es keine geschliffenen Linsen mehr ?
    Ich kann mich an einen Besuch bei Zeiss erinnern, gut lange her, aber da wurden unzählige Linsen gleichzeitig geschliffen und alle rund. Die Linsen nachträglich rechteckig zu schneiden, was ergibt das für einen Sinn, auch die Mechaniken ( Schneckengang ) müssten anders gelöst werden. Liege ich wenigstens ein bisschen richtig, oder ist mein Wissen völlig veraltet 🙂
    Gruß Woifi

  2. Der Grund liegt in den rotationssymmetrischen Schliffen.
    Zieloptiken in militärischen Geräten sind manchmal quadratisch oder rechteckig. Wenn Preis und Bokeh unwichtig sind, gibt es sowas sogar als ZF – z.B. von Leupold.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Back to top button