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Das eigene Abbild in 3D

Vor 175 Jahren staunten die Menschen über ein verkleinertes Abbild ihrer selbst auf dem gerade erfundenen Foto. Heute geht es uns ähnlich, wenn wir die immer stärker aufkommenden Figuren – ob nun in Miniatur oder in Lebensgröße – in 3D sehen, die schon jetzt so manchen Kaminsims, Schreibtisch, manches Regalbrett zieren.

Dass der 3D-Ausdruck, aber auch die Aufnahmetechnik dafür eines der Trendthemen der photokina 2014, die vom 16. bis 21. September in Köln ihre Tore öffnet, ist, versteht sich von selbst. Zehn Besucher erhalten täglich einen kostenlosen 3D-Ausdruck von sich selbst. Man muss nur um 10:30 Uhr, 11:30 Uhr oder 12:30 Uhr in Halle 5.1 am Stand C-011 sein, das Glück auf seiner Seite haben und dementsprechend zu den zehn Gewinnern gehören, die mit ihrem zweiten Ich die Heimreise antreten dürfen.
Aber zurück zum Thema 3D – das einfach begeistert, und zwar nicht nur jene, die selbstverliebt sind. Denken wir beispielsweise an die Großmutter, die in 5.000 Kilometer Entfernung den Enkel in den Händen halten darf oder der Enkel der den Großvater zumindest als Figur immer in seiner Nähe hat. Sehr beliebt sind die 3D Abbildungen auch bei Brautpaaren und natürlich bei all jenen, die sich einfach dafür begeistern und Spaß daran haben.
Möglich macht es die 3D-Drucktechnologie, die immer günstiger und vielfältiger wird. Wurde sie vor wenigen Jahren noch vor allem im Maschinenbau etwa für Prototypen eingesetzt, sind Drucker jetzt für unter 1.000 Euro sogar für den Heimgebrauch erhältlich. Sie zu bedienen ist allerdings immer noch bei weitem nicht so einfach wie bei einem konventionellen Drucker. Hinzu kommt, dass die günstigen nur mit einfarbigem Material arbeiten. Damit lassen sich also kaum realistische Abbilder von Menschen erzeugen. Wir würden schon auf einen Dienstleister in diesem Bereich setzen, denn 3D-Abbilder verlangen auch perfekte Aufnahmen, die mit entsprechender Software bearbeitet werden müssen.
Figuren wie die gezeigten werden daher derzeit vor allem von Dienstleistern produziert. Für sie ist nämlich nicht nur der Ausdruck auf einem teuren Spezialdrucker nötig, sondern zunächst einmal die Erstellung eines 3D-Modells, das die Basis für die Ausgabe durch den Drucker darstellt. Die Erstellung eines solchen Modells ist derzeit technisch noch komplex, denn ein einfaches Foto von einem selbst reicht dazu nicht, auch, wenn es das ein oder andere Softwareprogramm möglicherweise verspricht. Stattdessen sind vor allem zwei verschiedene Ansätze im Einsatz: Einige Unternehmen setzen auf 3D-Scanner. Diese erfassen eine Vorlage ähnlich wie ein konventioneller Flachbett-Scanner, berücksichtigen allerdings auch die Ausdehnung im Raum. Typischerweise erfassen sie nicht die Farben des Modells und benötigen relativ lange, um die Vorlage – also den Menschen – abzuscannen. Für diesen bedeutet dies, seine Position um die 30 Minuten oder auch noch länger beizubehalten. Jeder von uns weiß, dass das nahezu unmöglich ist.
Deshalb setzen andere Firmen, wie beispielsweise nc3d portrait aus Friedrichshafen am Bodensee, auf das Abfotografieren des Modells. Wer bei ihnen eine Figur erstellen lassen möchte, begibt sich in eine speziell konstruierte Fotozelle (siehe Abbildung), in der rund 80 Digitalkameras im Bruchteil einer Sekunde synchron auslösen und das Bildmaterial für den 3D-Ausdruck liefern. Es handelt sich um konventionelle digitale Spiegelreflexkameras – somit ist keine gesundheitliche Beeinträchtigung wie etwa beim Röntgen zu befürchten.
Anders als beim Scan, der das Bild schrittweise erfasst, nehmen die Kameras das Bild gleichzeitig auf. So ist es möglich, auch dynamische Bewegungen in ein 3D-Modell umzusetzen oder unruhige Modelle wie Haustiere zu scannen. Dennoch gibt es einiges zu beachten: Glänzende und transparente Stoffe bei der Kleidung etwa sollten vermieden werden. Spezielle Zusatzteile, wie etwa eine Brille, müssen separat erfasst werden.
Aus all diesen Aufnahmen muss anschließend ein 3D-Modell erstellt werden. Dazu existieren zwar Standardprogramme, aber Unternehmen wie nc3d setzen für optimale Ergebnisse zusätzlich auf eigens programmierte Software. Und selbst auf diese Weise ist das automatisch aus den Bildern erstellte Modell nicht schon direkt perfekt. Es ist noch die Handarbeit eines Menschen nötig, der als „3D-Artist“ das Modell glättet und optimiert.
Ist dieser Schritt abgeschlossen, wird das Modell dem Drucker übergeben. Für die farbige Ausgabe wird ein spezieller Drucker, der mit dem ColorJet Printing (CJP)-Verfahren arbeitet, eingesetzt. Bei dieser Technik wird – anders als beim typischen Heim-3D-Drucker – aus einem Mineralpulver und einem Bindemittel additiv die eigentliche Figur aufgebaut. Eine solche Maschine kostet in der Anschaffung immer noch mehr als 50.000 Euro. Bis die Figur ausgegeben ist, dauert es selbst bei einem nur 15 cm hohen Abbild 3 Stunden. In dieser Zeit werden immerhin 800 bis 1.000 Schichten aufgetragen. Wenn die Figur aus dem Drucker kommt, sieht sie zunächst übrigens noch wenig attraktiv aus (siehe Abbildung) – zunächst muss das überschüssige Material aus dem Druckprozess entfernt werden, bis man sie in ganzer Schönheit genießen kann.
Alles in allem nimmt es je nach Unternehmen etwa zwei Wochen in Anspruch, bis man sein fertiges Abbild in Händen halten kann. Ein solcher Aufwand hat seinen Preis: Hierzulande kosten 3D-Abbilder je nach Größe ab etwa 150 Euro aufwärts. Für ein Modell mit einer Größe von 1,80 m – was auch möglich ist – muss man nach unserer Recherche rund 25.000 Euro veranschlagen.
Ein Preisverfall ist aber absehbar: In den USA tourten letzten Jahr zu Weihnachten schon 3D-Scanner durch die großen Malls, Dienstleister boten die fertigen Werke schon für unter 100 Dollar (= rund 70 Euro) an. Auch in Deutschland wird die Zahl der Anbieter weiter wachsen – in großen Städten sind immer mehr Anbieter anzutreffen. Bis Kinder die ganze Familie als verkleinerte 3D-gedruckte Figuren für ihre Mutter-Vater-Kind-Spiele einsetzen können, wird es sicherlich nicht mehr lange dauern. Derzeit sind die 3D-gedruckten Figuren bei weitem noch nicht so robust wie eine typische Plastik-Spielfigur – aber das wird sich bestimmt auch zeitnah ändern. Aber die heutigen Möglichkeiten der Fotografie hat man sich vor 175 Jahren auch noch nicht denken können. Wir dürfen also gespannt sein, was uns die 3D-Technologie noch bringt.

Quelle: www.prophoto-online.de

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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