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Ausstellung: William Eggleston

Noch bis zum 17. Mai 2009 zeigt das haus der kunst in München Werke des Fotografen William Eggleston.

Die frühen Fotografien von William Eggleston entstanden in Schwarzweiß. Mitte der 60er-Jahre begann er in Farbe zu fotografieren und läutete nahezu im Alleingang die Ära der künstlerischen Farbfotografie ein. Bekannt wurde er 1976 mit einer Einzelausstellung im MoMA. Damals war Egglestons Schnappschussästhetik und der psychologisierende Einsatz von Farbe noch ungewohnt; in einem Jahresrückblick wurde die MoMA-Ausstellung sogar als "The most hated show of the year" bezeichnet. Heute genießt Eggleston bei einer jüngeren Generation von Fotografen und Filmregisseuren international Kultstatus.
Die Ausstellung folgt Egglestons künstlerischer Produktion von den frühen Schwarzweißfotografien über seinen bahnbrechenden Übergang zur Farbe bis hin zur Gegenwart. Unter den 160 Exponaten finden sich selten publizierte bzw. gezeigte Werke und sogar Premieren:
– frühe Schwarzweißfotografien aus den Jahren 1961-68
– 25 Originalabzüge im dye-transer-Verfahren aus "William Eggleston?s
  Guide" von 1969-72
– das Videotagebuch "Stranded in Canton" (1973-74, Video, s/w, Klang,
  77 min) über Egglestons legendäre nächtliche Streifzüge
– 15 Ausstellungsabzüge aus "The Democratic Forest", entstanden in
  den 90er-Jahren
– 12 digital hergestellte Abzüge von Arbeiten aus den Jahren 1999-2001
  (Premiere)
– 20 Ausstellungsabzüge von Fotografien aus "Election Eve" von 1976
  (Premiere)
William Eggleston lebt noch heute in Memphis, wo er 1939 geboren wurde. Er wuchs in Sumner in Mississippi auf. Die Familie war wohlhabend durch den Besitz von Baumwollplantagen. William Eggleston ging nie einer Erwerbsarbeit nach, sondern konnte sich seinen Interessen widmen: Musik und Fotografie, Film und Audiotechnik. Er passte sich nicht an gesellschaftliche Regeln an, und während die Mode seiner Zeit immer informeller wurde, trug er meist einen Anzug. Doch seine seriöse Erscheinung stand zu seinem unkonventionellen Handeln im Widerspruch. Sein Werk spiegelt deutlich, dass er ein frei denkender und agierender Mensch war ? "ein Rebell mit dem Aussehen eines Stummfilmstars, der dem Alkohol, Drogen und schönen Frauen zugetan war" (Thomas Weski).
Egglestons früheste Bilder zeigen in rauen, skizzenartig wirkenden Schwarzweißaufnahmen Motive in Sumner. Sie vermitteln dem Betrachter das Gefühl, dass Eggleston den Bildausschnitt nur grob festlegt und alles akzeptiert, was sich in dem festgelegten Rahmen abspielt. Das Ergebnis sind Aufnahmen, die das Unkalkulierbare in die Bildfindung integrieren und somit den Zufall akzeptieren. Die Überzeugung, dass das Unkontrollierbare im Moment der Aufnahme das abschließende Bild bereichert, teilt Eggleston mit Henri Cartier-Bresson. 1959 hatte er dessen 1952 erschienene Monografie "The decisive Moment" entdeckt; das Buch wurde für die nächsten Jahre sein fotografischer Bezugspunkt.
In Motiven des ihn umgebenden Alltags findet Eggleston sein zentrales Thema: Supermärkte, die an urbanen Rändern entstehen; Gehsteige, Einfahrten, Terrassen, polierte Autos, zum Dinner gedeckte Tische, Tankstellen; die Häuser der Mittelklasse, Interieurs von Südstaatenresidenzen; Bars und ihre Stammgäste. Alles, was sich vor der Kamera abspielt, ist grundsätzlich bildwürdig, sei es scheinbar noch so nebensächlich oder banal. Das gefüllte Fach einer Gefriertruhe oder Schuhe unter einem Bett. Eggleston richtet seinen ?demokratischen? Blick auf alles und behandelt es mit der gleichen Aufmerksamkeit. Sein Schwerpunkt liegt auf den Schauplätzen seiner Heimat, Memphis, New Orleans und dem Mississippi-Delta; doch für Auftragsarbeiten reist er auch rund um die Welt.
Mit seiner Hinwendung zum Alltag hebt sich Eggleston deutlich ab von den erhabenen Motiven der Meisterfotografen der Zeit, die sehr langsam und sorgfältig arbeiten mussten, weil ihre Plattenkameras nur vom Stativ aus bedient werden konnten. Die Werke von damals tonangebenden Fotografen wie Ansel Adams oder Edward Weston zeichneten sich durch strenge Komposition, meisterhafte Bewältigung der fotografischen Technik und durch die Bearbeitung klassischer Themen ? majestätische Landschaften, idealisierende Porträts und Akte ? aus. William Eggleston dagegen arbeitet mit unterschiedlichen Kameratypen, vom Kleinbild- über das Mittel- bis zum Großformat. Er probiert nach seinem Wechsel zur Farbfotografie auch unterschiedliche Verfahren für die Herstellung aus, vom Abzug in Drugstores über C-prints bis zum dye-transfer-Verfahren.
Stranded in Canton
"Stranded in Canton" ist ein Porträt benebelter Subkultur, in der Eggleston sowohl Teilnehmer als auch Beobachter war. Mit Infrarotmaterial und Videokamera filmte Eggleston meist nachts bei vorhandenem Licht auf Straßen, in Bars und Wohnungen und bei Konzerten. Er filmte ohne Schnitt Monologe von Freunden und bizarre Handlungen. Dabei belichtete er die gesamte Länge des Videobandes. Viele der Akteure ? Musiker, Chauvinisten, ein Transvestit ? waren betrunken oder standen unter Drogen. Aber auch die Kinder des Fotografen wurden frühmorgens in einem entrückten Zustand zwischen Wachsein und Schlafen von ihrem Vater gefilmt. Die Kameraführung war konfrontativ und ausweichend zugleich: Sie tastet ihre Objekte förmlich ab, um sich dann wieder zurückzuziehen und sie in unendlich langen Einstellungen zu erfassen und zu umkreisen. Das schwarz-weiße Videomaterial entstand 1973-74 in Memphis, New Orleans und anderen Teilen der Südstaaten. Es wurde kürzlich wiedergefunden und für die Ausstellung vom Filmemacher Robert Gordon in eine narrative Struktur gebracht. Bis dahin waren die Filme ein unbearbeitetes Fragment, das nur vereinzelt auf Festivals gezeigt worden war. Die Retrospektive entsteht in enger Abstimmung mit dem Künstler und in Koproduktion mit dem Whitney Museum of Art, wo sie am 7. November 2008 Premiere hatte; sie wird von Elisabeth Sussman, Whitney Museum und Thomas Weski, Haus der Kunst kuratiert. Die Präsentation im Haus der Kunst ist einzige europäische Station der Ausstellungstour, die anschließend zurück in die USA führt: zur Corcoran Gallery of Art in Washington, zum Art Institute of Chicago und zum Los Angeles County Museum of Art.
Veranstalter: Haus der Kunst in Kooperation mit dem
Whitney Museum of Art, New York
Ausstellungsdauer: 20. Februar ? 17. Mai 2009
Öffnungszeiten Mo ? So 10 ? 20 Uhr, Do 10 ? 22 Uhr
Seine Entdeckung des dye-transfer-Verfahren wurde für sein künstlerisches Konzept entscheidend. Es handelte sich um eine von Kodak in den 40er-Jahren entwickelte Technik, bei der das Motiv in drei Farbauszüge aufgeteilt nacheinander auf einen Papierträger übertragen wird. In der Summe ergab sich ein farbstabiler Abzug, bei dem einzelne Farben verändert oder intensiviert werden konnten, ohne die Komplementärfarbe zu beeinflussen. Eggleston konnte nun die einzelnen Elemente der Farbgebung gezielt steuern; vor allem aber konnte er über die Farbe auch den emotionalen Gehalt und die psychologische Wirkung seiner Bilder beeinflussen. So gibt etwa das warme Nachmittagslicht dem Porträt eines Supermarktangestellten eine versöhnliche Note, während es zugleich einen ernüchterten Blick auf den amerikanischen Traum wirft.
Oft sind die Bilder aus ungewöhnlichen Perspektiven fotografiert. Ein Dreirad wurde von Eggleston auf dem Boden liegend aufgenommen und zitiert so den noch freien Blick eines Kindes auf ein Objekt, das im Spiel durchaus mehrere Bedeutungen entwickeln kann. Das Bild transportiert diese Offenheit der Deutung und versetzt den Betrachter in das Augenblicksgefühl der eigenen Kindheit zurück. Zur Ikone wurde die monochrom gehaltene Aufnahme einer roten Zimmerdecke: ein blutender Himmel, fotografiert aus der Perspektive einer Stubenfliege. Viele seiner stärksten Bilder entfalten ähnlich suggestive Wirkung. Sie wachsen mit beunruhigender Kraft über sich hinaus und können das Unterbewusstsein dermaßen kolonisieren, dass die realen Gegenstände nur noch als vom Künstler definierte Motive wahrgenommen werden.
So vertraut die Motive dem Betrachter sind, so sehr entziehen sich Egglestons Serien alltäglicher Szenen einer schnellen und eindeutigen Interpretation. Mit ihrer eigenwilligen Aufnahmeperspektive, dem gewählten Ausschnitt und der subjektiven Farbsteuerung öffnen die Bilder den Weg zu weiteren Assoziationen und Bedeutungen. Durch die Fülle bzw. Überfülle des Warenangebots etwa, das sich vor Käufern und Konsumenten ausbreitet, entstehen Stimmungsbilder, die durchaus eine Aussage treffen über die Symptome einer Massengesellschaft und die Befindlichkeit des Individuums in dieser Gesellschaft. In vielen seiner Fotografien werden Verlust, Entfremdung, Einsamkeit und Sehnsucht als zeitgenössische Phänomene sichtbar.

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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