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Sensorgeflüster: Canons CMOS-Sensoren jetzt auf dem freien Markt

Nachdem Canon seine selbst entwickelten CMOS-Sensoren lange Zeit ausschließlich in die eigenen Kameras einbaute, sind nun einige von Canons CMOS-Sensoren auf dem freien Markt erhältlich. Darunter befinden sich allerdings keine der Bildwandler, die in aktuellen EOS-Modellen stecken.

Canons CMOS-Sensoren jetzt auf dem freien Markt
Drei neue CMOS-Sensoren sind jetzt auf dem freien Markt verfügbar: ein extrem lichtstarker (fast) Kleinbildsensor mit 2 Megapixeln (oben), ein 2/3-Zoll-Sensor mit 5 Megapixeln und einem globalen elektronischen Verschluss (unten links) und ein APS-H-Sensor mit 120 Megapixeln (unten rechts).

In der Sensorentwicklung ist Canon seit rund zwei Jahrzehnten einen Sonderweg gegangen. In einer Zeit, in der alle übrigen Hersteller auf die CCD-Technologie setzte, arbeitete Canon an rauscharmen CMOS-Bildwandlern. Im Mai 2000 brachte Canon die EOS D30 auf den Markt, die zur Überraschung aller Marktbeobachter einen CMOS-Sensor hatte. CMOS-Sensoren galten damals als kostengünstig, aber qualitativ ungenügend, weshalb sie nur in Webcams und Spielzeug und Billigkameras zum Einsatz kamen. Kaum jemand – und auch ich nicht – konnte sich damals vorstellen, was Canon zu diesem Schritt motiviert hatte. Ausgehend von ersten Erfahrungen mit der CMOS-Sensortechnik, die Canon bei der Entwicklung von AF-Sensoren gesammelt hatte, hatten sie Verfahren erfunden, mit denen sich das größte Problem dieser Bildwandler bewältigen ließ – ihr starkes Rauschen.

Canons CMOS-Sensoren jetzt auf dem freien Markt
Frühe Canon-Bildsensoren von 2002/2003, in den Formfaktoren Kleinbild (EOS-1Ds), APS-H (EOS-1D) und APS-C (EOS 10D). (Quelle: Canon)

In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends war noch kein klarer Vorsprung der CMOS-Technologie zu erkennen, aber dann setzte sich CMOS immer stärker gegen CCD durch, bis schließlich alle DSLR-Hersteller auf CMOS umgeschwenkt waren. Es dauerte allerdings auch so lange, bis das Potential der CMOS-Technologie, mit der man Sensorpixel direkt auslesen und zusätzliche elektronische Komponenten auf den Sensorchip integrieren konnte, auch wirklich ausgeschöpft wurde.

Während fast alle anderen Kamerahersteller ihre Sensoren von darauf spezialisieren Firmen zukauften, entwickelte und produzierte Canon seine Sensoren selbst – die Bildwandler der DSLRs und später der spiegellosen Systemkameras wohlgemerkt, während die Kompaktkameras mit Sensoren anderer Hersteller ausgerüstet wurden. Da vor zwei Jahrzehnten noch niemand solche CMOS-Sensoren anbot, wie Canon sie benötigte, erschien das zwingend, und es machte auch Sinn, den maximalen Nutzen aus dem einmal erreichten Vorsprung zu ziehen, indem sie ihre Sensortechnologie den eigenen Kameramodellen vorbehielten.

Damit musste aber allein das eigene Kamerageschäft die Mittel einspielen, die Canon in Forschung und Entwicklung investieren konnte, und im Laufe der Jahre gerieten sie gegenüber Konzernen wie Sony und Samsung ins Hintertreffen, die ihre Sensoren auf dem freien Markt und für ganz unterschiedliche Anwendungen anbieten und so weit höhere Umsatzzahlen erreichen. Sonys extrem rauscharmen Sensoren mit Tausenden von A/D-Wandlern auf dem Chip hatte Canon lange nichts entgegenzusetzen. Inzwischen beherrscht aber auch Canon die Integration der A/D-Wandler, und ihre Dual-Pixel-Sensoren mit zwei Fotodioden unter jeder Mikrolinse, mit denen sich ein Phasendetektions-AF auf prinzipiell der gesamten Sensorfläche realisieren lässt, haben ein Alleinstellungsmerkmal.

Neuerdings bietet Canon, wenn auch noch zaghaft, auch Sensoren auf dem freien Markt an. Dabei scheint es sich allerdings um Entwicklungen zu handeln, für die sie selbst keine Verwendung haben. Darunter ist ein 120-Megapixel-Sensor im APS-H-Format, von dem Canon schon seit rund acht Jahren sprach und auch Prototypen vorführte, aber nicht recht zu wissen schien, was sie mit dessen Rekord-Auflösung anfangen sollten. Ein weiterer Sensor im Kleinbild-ähnlichen Format 36,48 mm × 20,52 mm hat ein großes Pixelraster von 19 µm, weshalb er extrem lichtstark ist, aber auch nur 2,0 Megapixel auflöst. Das dritte Sensormodell ist mit seinem 2/3-Zoll-Formfaktor und 5 Megapixeln für Überwachungskameras oder auch Kompaktkameras geeignet; seine Besonderheit ist ein globaler elektronischer Verschluss.

Canons CMOS-Sensoren, die nun frei erhältlich sind, haben damit den Charakter von Ausstellungsstücken, mit denen Canon Proben seiner Kunst zeigt, die aber nicht im Hinblick auf konkrete Kameraentwicklungen konzipiert zu sein scheinen. Dafür gibt Canon nun anderen Herstellern die Chance, auf deren Basis Produkte zu entwickeln. Ob sie sich irgendwann trauen werden, auch die in eigenen Kameras verwendeten Bildsensoren auf dem freien Markt anzubieten, wie es Sony schon seit Langem tut, bleibt abzuwarten.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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