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Band 13

Photoshop-Basiswissen: Freistellen



Bleiben am Ende eines Vortrags oder Workshops noch ein paar Minuten zur Beantwortung von Fragen meiner Zuhörer/ innen, so liege ich in den meisten Fällen richtig mit meiner Annahme, dass die erste lauten wird: „Können Sie uns noch etwas über das Freistellen von Haaren zeigen?“ Ich sollte vielleicht wetten, ob ich immer damit Recht behalte – aber mit dem Erscheinen dieses Buches wird die Frage ja vielleicht überflüssig.
Ein ganzes Buch nur über das Freistellen von Haaren – ist das nicht etwas übertrieben? Nun, zum einen kommen ja auch ein paar dünne Äste und Hundefell vor, und zum anderen: Eindeutig nein!
Im Gegenteil, ich habe mich an manchen Stellen sogar recht kurz gefasst. Das Freistellen solcher zarten Details ist wirklich eine der anspruchsvollsten und zeitaufwendigsten Einsatzmöglichkeiten von Photoshop.

Ein Hauptproblem dabei werde ich gleich im ersten Kapitel behandeln: Es gibt diese scharfe Grenze auf Pixelebene gar nicht. Ob digital aufgenommen oder vom Foto gescannt – bei solch feinen Details wie jenen, um die es in diesem Buch geht, wird die Grenze zwischen Objekt und Hintergrund fast nie so sauber abgebildet, dass man sagen könnte: Dieses Pixel gehört zu einem Haar, das benachbarte zum Himmel dahinter. Das eine Pixel ist also nicht kastanienbraun – bei blond ist es noch schwieriger – und das daneben himmelblau, sondern es gibt eine Übergangszone aus Mischfarben, und es muss eine Entscheidung getroffen werden, was wohin gehört. Das ist aber noch nicht alles. Selbst bei idealen Studiobedingungen mit einem völlig gleichförmigen Hintergrund bleibt dessen Farbe an den Rändern vieler Haare „kleben“. Grenzten Sie solche Pixel radikal aus, würden die verbliebenen Haare innerhalb der Auswahl so ausgedünnt, dass Sie kaum etwas damit anfangen könnten. Es geht also nicht allein um das Auswählen, sondern ebenso darum, diese unvermeidliche Färbung beim digitalen Montieren einem neuen Hintergrund anzupassen.
Zu den Grundsätzen, die Sie beim Freistellen beherzigen sollten, gehören vor allem diese beiden: Der Weg interessiert niemanden, wenn das Ergebnis perfekt aussieht, also setzen Sie immer das Verfahren ein, welches das beste Ergebnis verspricht und am wenigsten Arbeit kostet (in dieser Reihenfolge). Der zweite: Das Einzige, was bei der Vorbereitung solch schwieriger „Objekte“ wie Haare, Fell oder Äste interessiert, ist deren Grenze zum Hintergrund. Es geht ausschließlich um diese Kontur, und wenn Sie ungewollt weitere Pixel im Binnenbereich des Objekts mit auswählen, kümmern Sie sich nicht darum – es gibt fast immer Wege, um sie wieder zu entfernen.
Eine wichtige Rolle beim Auswählen und Freistellen spielen Farben, Farbkanäle, deren kontrastverstärkte Duplikate und die Masken, die sich daraus ableiten lassen. Da Objekt und Hintergrund unterschiedliche Farben aufweisen, können Sie sich der gemeinsamen Grenze von beiden Seiten annähern, also nicht allein mit den Masken arbeiten, sondern diese um „Gegenmasken“ ergänzen. Wenn solche Verfahren nicht funktionieren, machen Sie sich mit dem Ausblenden von Farbbereichen vertraut; das ist eine kaum bekannte und ebenfalls recht ungewöhnliche Methode, die zu hervorragenden Resultaten führt. Es wird Sie vielleicht wundern, aber selbst nach fast einem Vierteljahrhundert Erfahrung mit digitaler Bildbearbeitung und Vertrautheit mit vielen spezialisierten Plug-ins bevorzuge ich bei meinen eigenen Montagen manuelle Verfahren, bei denen ich in einer Ebenenmaske mit dem Pinsel male. Natürlich nutze ich so weit wie möglich andere Vorgehensweisen, meist die farbbasierten Auswahlen. Aber für den letzten Feinschliff – der von der investierten Arbeit her die meiste Zeit in Anspruch nimmt – übertrage ich die vorbereiteten Auswahlen in eine Ebenenmaske und stelle dort die Details mit dünnsten Pinselspitzen frei. Natürlich kenne ich die Einstellung: ?Die Betrachter wissen ohnehin nicht, welche Haare im Originalbild vorhanden waren; da stört es nicht weiter, wenn man zwei Drittel davon abschneidet.? Das stimmt zwar, dennoch wirkt ein Bild mit vielen Details visuell überzeugender und natürlicher. Um nichts anderes geht es schließlich am Ende, und dabei möchte ich Ihnen ein wenig helfen.
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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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