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Wohnen zwischen eigenen Bildern

In einer neuen Serie stellen wir Ihnen im DOCMA-Magazin Möglichkeiten vor, Ihr Wohnumfeld mit eigenen Bildmotiven zu ­gestalten. An drei Beispielen demonstrieren wir zunächst den Einsatz von Digitaldruck-Fototapeten.

Früher konnten nur Adlige Paläste, Jagdschlösschen oder Landhäuser mit aufwendig gestalteten Wand­male­reien oder schweren Gobelins ­ausstatten lassen. Im 18. Jahrhundert setzten sich in bürgerlichen Haushalten erschwingliche Papiertapeten durch, bei denen man aller­dings in der Regel nur die Wahl hatte zwischen verschiedenen Mustern, die sich in regel­mäßigen Abständen wiederholten (der sogenannte Rapport). Tapeten mit größeren Bildern waren weit schwieriger herzustellen und entsprechend teuer.
In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts kamen mit neuen Druckverfahren und -maschinen wandfüllende Fototape­ten auf, meist Strandszenen mit Palmen und azurblauem Himmel oder Bilder von Gebirgsbächen und Herbstwäldern.
Eigene Motive waren so nicht realisierbar. Heute dagegen kann jeder dank digi­taler Drucktechnik die heimischen Wände mit Bilden nach eigenen Vorstellungen bestücken – ein Privileg, das zuvor Kaisern, Königen und Päpsten vorbehalten war.
Eigene Vorstellungen heißt nicht nur, ein Motiv aus einer riesigen Bilddatenbank für diesen Zweck zu wählen, sondern vor allem, selbst gestaltete Fotos oder Montagen an die Wände (oder andere Stellen der Wohnumgebung) zu bringen. Im ersten Teil unserer Serie geht es um drei Einsatzmöglichkeiten von Bildtapeten.

Die Tür zum Allerheiligsten
Sancta Sanctorum heißt die ehemalige Privatkapelle der Päpste im Lateranpalast – entstanden und genutzt in den Jahrhunderten, bevor der Pontifex Maximus seinen Regierungssitz auf den vatikanischen Hügel verlegte. „non est in toto sanctior orbe locus“ (Es gibt keinen heiligeren Ort auf der ganzen Welt) verkündet ein großes Spruchband an der Wand der Kapelle – kein Wunder, immerhin sollen zu ihrem Reliquienschatz unter anderem die Gesetzestafeln des Moses gehört haben.
Man erreicht die Kapelle wahlweise auf den Knien (indem man die 28 Stufen der Scala-Santa-Treppe hinaufrutscht, die angeblich aus dem Palast des Pilatus in Jerusalem stammt), oder schlicht zu Fuß über eine der beiden Seitentreppen. Dann steht man vor dem von zwei ur­alten Schlössern gesicherten Bronzeportal; unter dem Frontispiz (dem vorspringenden Dreiecks­giebel) hat sich Papst Sixtus V. mit einer kurzen Inschrift verewigen lassen.
Für Gläubige mag schon allein der Ablass attraktiv sein, der für den Besuch der Kapelle (und erst recht die Benutzung der Scala Santa) in Aussicht gestellt wird. Man kann aber auch einfach die Architektur und den wundervollen Cosmaten- Mosaikboden schätzen: Ich habe dort bei jedem Rom-Besuch ausgiebig fotografiert.
Bei der Planung dieser Serie über individualisierbare Elemente des Wohnambi­­-entes fiel mir daher sofort dieses eindrucksvolle Portal ein – warum nicht den Zugang zur Sancta Sanctorum als Türumfassung in die eigene Wohnung verlegen?
Die Proportionen von Portal [4] und Zimmertür [1] stimmten natürlich nicht überein. Also mussten Teilbereiche des aus verschiedenen Weitwinkel- und Detailfotos montierten Bildes [5] zunächst so skaliert werden, dass sich die beiden Türmaße decken; die Marmoreinfassung wurde entsprechend angeglichen. Um das Frontispiz-Giebelchen unterbringen zu können, wurde zunächst der Bereich über der zu gestaltenden Tür mit einem Gipskarton-Dreieck erweitert [1]. Die Inschrift von Sixtus V. ließ sich bei dem zur Verfügung stehenden Platz leider nicht erhalten [5].

Da die Auflösung meines Fotos, welches das komplette Umfeld zeigt, bei weitem nicht für das benötigte Druckformat ausreichte, habe ich das auf eine Ebene zusammengefasste Bild abschließend mit Photoshops »Ölfarbe«-Filter bearbeitet [6, rechts]; im fertig aufgebrachten Zustand wirkt der plastische Pinselstrich-Effekt sehr überzeugend.
Die fertige Datei schickte ich an die Firma TecService in Nufringen. Dort wurden die Bahnen auf HP PVC Free Wall Paper mit HP Latex Tinte auf dem Drucker HP L28500 [7] ausgegeben.
Die verwendete Tapete [8] ist vorgekleis­tert; sie muss also nicht per Hand mit Tape­tenkleister bestrichen werden, sondern  nur 15 bis 20 Sekunden gewässert werden. Das geht mit einer nassen Farbwalze – besser funktioniert allerdings das Eintauchen in eine gefüllte Wanne. Die leicht glänzende Oberfläche erlaubt das Aufstreichen und Andrücken mit der Hand, danach mit einer Tapezierbürste und vor allem an den Rändern mit einer Gummiwalze [2 und 9].
Für den Türrahmen hatte ich Teile der Marmoreinfassung doppelt drucken lassen; ich habe das Papier um die Rahmenleisten gezogen und auf deren Rückseite nach dem Trocknen zusätzlich mit Klebeband fixiert. Der Bereich der Bronzetür wurde abschließend auf das Türblatt aufgeklebt [3].

Treppenflucht im Treppenhaus
Viele frühe Wandbemalungen hatten illusionistischen Charakter. Als sogenannte „Trompe l’Oeils“ setzten sie scheinbar Räume mit gemalten Architekturelementen fort.
Das Problem dabei ist, dass Scheinarchitektur nur dann stimmig wirkt, wenn die Perspektive und damit der Betrachterstandort stimmen. In einem Treppenhaus ist dieser Standort emporsteigender Besucher kalkulierbar. So lag es nahe, die Wand gegenüber dem Treppenabsatz [10] mit dem Bild einer weiteren Treppe zu ergänzen. Dafür wählte ich einen Aufgang aus den Vatikanischen Museen [12], den ich im Laufe der Jahre mehrfach foto­grafiert hatte, so dass mir nach der Anpassung an die Proportionen der Wand ausreichend Montagematerial zur Verfügung stand. Da sich auch hier das Problem ergab, dass die Auf­lösung der Digitalfotos für eine Fläche von mehreren Quadratmetern nicht ausreichte, setze ich wiederum einen ­Filter für Strukturierung und Schärfung ein, in diesem Fall Simplify von Topaz [13].
Das Bild wurde ebenso wie das auf der gegenüberliegenden Seite vorgestelltevon der ­Bremer Firma prints-compudruck angefertigt. Als ­Tapetenmaterial setzte sie „Wallpaper Perso­mural 170 matt 3260“ sowie „Prepasted WallpaperSol Persomural 225“ des Papierherstellers Sihl ein; gedruckt wurde mit „HP Vivera 91“-Tinte auf einem „HP Z 6100“-Drucker.

Die Via Appia im Schlafzimmer
Ein 12-Quadratmeter-Schlafzimmer ist nicht groß [14]. Aber es lässt sich mit einem geeigneten Bild zumindest optisch um ein paar tausend Quadratmeter erweitern. Die Via Appia Antica vor Rom erschien mir da passend – ein erfreulicher Ausblick nach dem Aufwachen [15]. Bald hatte ich ein Motiv in meinem Archiv gefunden [16, Ausschnitt], leider mit etlichen Mängeln wie den Lkw-Reifenspuren rechts oder Markierungen und Maschendrahtzaun links.
Nach vielen Montage- und Retusche­schritten war ich mit dem ­Ergebnis [17] zufrieden. Aus den genannten Unschärfe-Gründen setzte ich auch hier Photoshops »Ölfarbe« ein [18 und 19], und zwar – anders als bei der Sancta-Sanctorum-Tür –, bevor ich das Bild auf die finale Größe skalierte. So ist die – später stark nachgeschärfte – malerische Struktur besonders gut erkennbar.

Darauf sollten Sie achten
Material: Die getesteten HP-Tapeten haben eine leicht glänzende, eher unempfindliche Oberfläche. Die von Sihl dagegen sind matt und wirken edler, beim Auftragen lösten sich jedoch Pigmente und führten zu leichten Schmutzspuren und Abrieb. Also Vorsicht! Vermeiden Sie vor allem Verwischen durch an den Seiten hervorquellenden Kleister.
Tinten: Lösungsmittelhaltige Tinten sind zwar strapazierfähiger, für den Wohnbereich aber wegen starken Geruchs und möglicher Gesundheitsgefährdung völlig ungeeignet. Fragen Sie nach!
Kleister: Das Wässern vorgekleisterter Tapeten ist nicht ganz einfach, die weitere Verarbeitung gut. Vliestapetenkleister setzen Sie etwas dünner an als angegeben, das erleichtert nachträgliches Verschieben.
Stöße: Beschneidbare Randzonen bewähr­ten sich im Test nicht. Besser ist ­direktes Aneinanderkleben, alternativ sollte die Überlappungszone für saubere Schnitte ­(scharfes Skalpell!) mindes­tens 2 cm betragen. Breite Bahnen haben weniger Stöße, sind aber schwieriger zu verarbeiten. Beachten Sie bei Motivwahl – Raum- und Bildlicht sollten übereinstimmen – und Überlappungsrichtung, woher die natürliche Beleuchtung kommt.
Preise: TecService bietet digitalen Tapetendruck unter www.plakatcity.de für einen Preis von 39,00 €/m² an. Bei prints-compudruck (Kontakt: [email protected]) kostet der bedruckte Quadratmeter 15 Euro. Hinzu kommt das Papier; Rollenbreiten und Preise der Sihl-Tapeten finden Sie unter http://shop.sihl-direct.de.

Diesen und weitere Artikel, Tipps, Tricks und Workshops finden Sie im DOCMA-Heft Nr 55 (6-2013). Mehr Infos zum Heft gibt es hier. Wer keine Lust hat zum Kiosk zu gehen, kann sich diese Ausgabe (und ältere) bequem bei uns im Webshop bestellen.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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