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Essay: Vom Charme des schnellen Fotos

„Klack….sssssrrrrrr………ohhhh“, diese Trias erinnert an unvergessene Freuden der Echtzeitfotografie.

"Klack….sssssrrrrrr………ohhhh", diese lautmalerische Trias erinnert wenigstens die Älteren unter uns an unvergessene Freuden der Echtzeitfotografie. Wer auf der Höhe der Zeit lebte, griff, wenn er nicht tagelang auf die Bearbeitung eines Films im Labor warten wollte, zur Polaroid-Kamera. Das war in den 60er, 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als es digitale Kameras noch gar nicht gab, die einzige Chance schon kurz nach der Aufnahme bewundern zu können.
Sofortbild-Technik
Die dafür erforderliche Gerätespezies in Form der Polaroid-Kamera (später gab es übrigens auch ein – natürlich inkompatibles – Sofortbild-System von Fuji) kam oftmals als faltbares Modell, das in späteren Produktgenerationen sogar als Spiegelreflex-Konstruktion, wenn auch ohne Wechseloptik, dafür aber mit Autofokus um die Gunst der Verbraucher buhlte.
Der technische Gag am Sofortbild bestand darin, dass die zur Bildentwicklung nötige Chemie bereits im Bildträger enthalten war. Nach der Aufnahme wurde sie durch ein Rollenandrucksystem bei der Bildausgabe einfach nur über die belichtete Fläche verstrichen. Für den Anweder geschah das natürlich automatisch. Ihm blieb nur, etwa eine Minute zu warten und dabei zu erleben, wie sich das Bild ganz langsam vor seinen Augen entwickelte. Dieser magische Moment dürfte viel zum Erfolg der Polaroids beigetragen haben.
Schnellschuss-Kunst
Während sich das Volk daran erfreute, für einen nicht unerheblichen Mehrpreis seine Schnappschüsse fast sofort betrachten zu können, erhob die intellektuelle Elite das Polaroid fast zu einer eigene Kunstform. Künstler wie Andy Warhol oder Helmut Newton liebten die Technik wegen ihrer Unmittelbarkeit und wegen des Unikatcharakters der Ergebnisse. Doch auch in den Kreisen der (Hobby-)Fotografen verdrängte das Polaroidbild für eine kurze Weile die Spiegelreflex-Ausrüstung. Wer als Ästhet auf sich hielt, legte sich zum Beispiel die legendäre SX-70 zu, die weit mehr war als eine Endverbraucher-Spaßkamera. Zum Preis von 500 Mark, das war auch für Besserverdiener in den 70ern ein großes Stück vom Monatslohn, lieferte sie im Format von 8 mal 8 Zentimetern weißumrandete Bilder mit einer faszinierend eigenständigen Farbgebung.
Andere Formate
Fasziniert waren auch viele (foto-)grafisch Kreative von der Polaroid-Technik. So kann man auch heute noch neben den typischen Unikat-Abzügen aus der Spezialkamera Filmmaterial für normale Kleinbild oder Großformat-Kameras kaufen. Während sich die Schnellentwicklung beim Großformat ähnlich einfach gestaltet wie bei der integrierten Endverbraucherlösung ist zum Einsatz des Polaroid Kleinbildfilms ein spezielles, mobiles Entwicklungsgerät nötig. Die Ergebnisse eignen sich in erster Linie um am professionellen Set die Lichtstimmung zu überprüfen. Für Papierreproduktionen ist wenigstens der Kleinbildfilm viel zu empfindlich. Hier bleibt nach nach spezieller Rahmung auf Projektionen der Dias angewiesen. Auch bei Scannen des Materials kommt es zu erheblichen Problemen, die sich jedoch in den Griff bekommen lassen.
Für Fotografen spannend ist auch hier die sehr eigene Bildästhetik des Materials. Experten Lösen zum Beispiel bei Großformat-Polaroids die Bildschicht während der Entwicklung vom Trägermaterial und bringen die feuchten Folien auf andere Untergründe auf.
Mehr Infos

Polaroidfotografie-Begeisterte, finden viele Quellen für Informationen und Anregungen. Neben den Künstler-Portfolios auf der Polaroid-Webseite, gibt es noch bis zum 24. Juli 2005 eine Ausstellung im Museum für Photographie im norddeutschen Braunschweig. Wer mit der Anschaffung einer Polaroid-Kamera liebäugelt, kommt wahrscheinlich am günstigsten bei Ebay zum Ziel. Hier wechseln Klassiker wie die SX-70 oft schon für 10 oder 20 Euro den Besitzer. (Christoph Künne)
Freunden gedruckten Kulturguts möchten wir folgende Bücher vorstellen:
Polaroid als Geste
von Barbara Lauterbach, Meike Kröncke, Rolf F. Nohr
Polaroid. The Polaroid Book
von Steve Crist, Barbara Hitchcock
Akt in Polaroid
von Barbara Hitchcock
Polaroids
von William Wegman
Ladies and Gentlemen. Sex Parts. Torsos. Polaroids.
von Andy Warhol
Pola Women
von Helmut Newton

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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