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Zeitlos schön

Guy Bourdin gehört heute sicher nicht zu den bekanntesten Fotografen, dennoch spielt er in einer Liga mit Helmut Newton. Die Deichtorhallen im Hamburg zeigen noch bis zum 26.1.14 eine eindrucksvolle Retrospektive.

Seine Name ist zwar nicht ganz unbekannt, doch sind nur wenige Fotoenthusiasten näher mit dem Werk des 1991 verstorbenen Franzosen vertraut.
Guy Bourdin startete seine Karriere in den 50er Jahren, wurde erst Protegé von Man Ray und begann 1955 seine Arbeit für die französische Vogue, die er bis 1987 fast ununterbrochen fortführte. Über viele Jahre bekleideten er und Helmut Newton in dieser Redaktion eine Ausnahmestellung: In fast jedem Heft bekamen sie jeweils 20 Seiten, die sie mit ihren Bildern füllten.

Während Newton schon früh auch als Künstler und nicht nur als Modefotograf wahrgenommen wurde, weigerte sich Bourdin bis zu seinem Tod, seine Fotografien außerhalb von Modemagazinen zu präsentieren. Es gab also weder Ausstellungen noch Bücher. Diese Abstinenz wurde von den Erben erst in den 90er Jahren aufgegeben. Seither taucht sein Name immer mal wieder auf, aber in Deutschland dürfte sein posthumer Durchbruch in die Welt der Kunstfotografie erst jetzt mit dieser großen Retrospektive in den Hamburger Deichtorhallen einhergehen.

Was gibt es nun in der Hamburger Ausstellung von ihm zu sehen? Zunächst einmal, was man erwarten darf: seine Modebilder. Sie erfüllen den – in den 70er und 80er Jahren in der gehobenen Modefotografie typischen – Anspruch den Betrachter zu verstören, ihm Abgründiges zu zeigen, kurz ihn zu provozieren.

Das Besondere am Bourdins Bildern ist, dass er diese Bildauffassung als einer der Vorreiter bereits seit  den 50er und 60er Jahren prägte. So zeigte seine erste Vogue-Strecke Mannequins (ja so hießen die damals), die ihre Roben in den Hallen von Paris vor der Kulisse aufgehängter Kalbsköpfe präsentierten. Der Aufschrei der Empörung dürfte in der Modewelt etwa so laut gehallt haben, wie etwa dreißig Jahre später die Entrüstung über die Benetton-Werbemotive von Oliviero Toscani in der Medienwelt.

Neben den für seine spätere Arbeit typischen Farbfotos zeigt die Ausstellung auch Malerei und Schwarzweißbilder von ihm aus den Anfängen seiner Beschäftigung mit der Fotografie. Diese Werke haben weniger künstlerischen Wert als vielmehr erklärenden, da sie zum einen nachweisen, wie ihn bestimmte Phantasien sein Leben lang begleitet haben und zum anderen zeigen, wie weit auch schon sein frühen Schwarzweiß-Bilder mit den zeitgenössischen Sehgewohnheiten brachen.
Etwa ein Fünftel der Ausstellung hat der Kurator den Arbeiten von anderen, zumeist sehr bekannten Fotografen gewidmet, die entweder einen sichtbaren Einfluss auf Bourdins Werk hatten, oder solchen, die er selbst erheblich beeinflusst hat.

Es gibt eine über 300 Seiten starke, sehr sehenswerte und umfassende Publikation zu den Arbeiten von Guy Bourdin aus dem Steidl-Verlag für 48 Euro. Sie können das Buch hier über Amazon bestellen und unterstützen damit das DOCMA-Projekt.

Guy Bourdin, Deichtorhallen Hamburg, bis 26. Januar 2014, Dienstag bis Sonntag: 11 ? 18 Uhr
Jeden 1. Donnerstag im Monat: 11 ? 21 Uhr

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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