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Weise Worte zum Jahreswechsel

Das Jahr neigt sich seinem Ende zu, man wird besinnlich, blickt nach vorne und zurück, und die weisen Alten lassen die Jüngeren an ihren Erkenntnissen teilhaben.

Michael J. Hußmann (mjh)
Michael J. Hußmann (mjh)

Okay, ich liege zwar altersmäßig über dem Durchschnitt der DOCMA-Redaktion und zähle damit zu den Alten, aber um weise Ratschläge glaubwürdig ’rüberzubringen, sollte man doch phänotypisch eher so in Richtung Gandalf, Dumbledore oder Doc Baumann gehen. Mit meinem Dreitagebart reicht es aber nicht einmal zu einem anständigen Obi-Wan Kenobi (Alec Guinness, versteht sich, nicht dieser Jungspund Ewan McGregor). Sei’s drum, ich versuche es dennoch mal, meine Lebenserfahrung weiterzugeben.

Es sind tatsächlich zwei Ratschläge, von denen sich der erste auf die Vergangenheit, der zweite auf die Zukunft bezieht. Der erste Rat ist einfach: Vergesst nie, wie Ihr als Kinder und Jugendliche gedacht und empfunden habt. Klingt simpel, scheint aber erstaunlicherweise vielen schwer zu fallen. Welchen Blödsinn man früher mal gedacht und gemacht hat, auf was für seltsame Ideen man gekommen und welcher peinlichen Aktionen man sich bezichtigen muss, das wird gerne verdrängt, wenn man der heutigen Jugend dasselbe zum Vorwurf macht. Ein wenig Entspannung täte dann gut. Ich weiß noch, wie überlegen ich mich den tumben und spießigen Erwachsenen gegenüber gefühlt hatte, auch wenn ich heute unterscheiden kann, wie weit ich dabei richtig lag und wo die schnöde Selbstüberschätzung begann.

Im Pool mit einer Blondine (zirka 1965). Keine Ahnung, warum es nicht zum James Bond gereicht hat.
Im Pool mit einer Blondine (zirka 1965). Keine Ahnung, warum es nicht zum James Bond gereicht hat.

Ich erinnere mich noch daran, wie meine Musik die Alten zur Verzweiflung trieb (das harmlose „School’s Out“ von Alice Cooper war da bereits ziemlich effektiv), und daher sehe ich es gelassen, wenn ich mit manchen aktuellen Spielarten der populären Musik nichts anfangen kann. Ich werde mich doch nicht zum Abziehbild meiner Eltern und Großeltern machen, indem ich „Das ist doch keine Musik!“ wettere. Man muss nicht alles mögen oder auch nur verstehen, aber man sollte seinen Geschmack – und mehr ist es nicht – auch niemandem aufdrängen. Und wenn man feststellt, dass die neue Generation nicht halb so rebellisch ist wie die eigene, mag man grinsen – aber sollte nicht zu überheblich werden.

Aber wenn ich mich auch noch sehr gut daran erinnere, wie ich früher empfand, gibt es eine Ausnahme: Ich kann beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen, wie ich 14-jährige Mädchen mal als liebreizende und eminent begehrenswerte Geschöpfe sehen konnte – und eben das tat ich, als ich 13 oder 14 war, das zumindest weiß ich noch genau. Wenn ich heute einmal das Pech habe, kurz nach Schulschluss mit dieser plappernden Plage dieselbe S-Bahn zu teilen, begreife ich nicht mehr, wie ich vor Jahrzehnten empfunden hatte. Aber was soll’s: Wir Jungs waren im selben Alter nicht weniger peinlich – nur anders. Jungs eben.

Der zweite Rat gilt der Zukunft: Was immer Ihr machen wollt und machen könnt, das macht verdammt noch mal auch. Jetzt, oder wenigstens so bald wie möglich. Schiebt es nicht für eine vage bestimmte Zukunft auf, von der Ihr nicht wisst, ob es sie überhaupt für Euch geben wird. Ich habe Leute Pläne für ein Alter machen sehen, das sie niemals erreichen sollten. Ich habe „Das mache ich, wenn es mir wieder besser geht“ gehört, woraufhin es demjenigen immer schlechter ging. So muss es nicht kommen, wahrscheinlich haben wir noch Jahrzehnte vor uns – aber wir wissen es nicht und sollten uns nicht einbilden, wir hätten alle Zeit der Welt (wie James Bond in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) irrtümlich meinte).

Eine einzige Ausnahme mache ich auch hier: Falls ich irgendwann einmal so etwas wie einen Ruhestand erreichen sollte, wozu mir meine Einzahlungen in die Rentenkasse (der Künstlersozialkasse sei Dank), die Unsummen, die ich in meine private Altersvorsorge stecke, sowie das elterliche Erbe verhelfen mögen, dann werde ich wieder anfangen, Bücher zu schreiben. Denn vorher geht es nicht. Das ist nämlich eine brotlose Kunst, für 99 Prozent aller Autoren zumindest, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Sachbücher oder um Belletristik handelt. Aber sobald ich einmal den Status einer gewissen finanziellen Unabhängigkeit erlangt habe, werde ich das Buch über die technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Seiten der Fotografie schreiben, das alle anderen Bücher zu solchen Themen überflüssig macht. Versprochen.

Ein gutes neues Jahr wünscht Ihnen
Michael J. Hußmann

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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2 Kommentare

  1. Lieber mjh, das ist wirklich gut gemeint mit dem Buch schreiben im Ruhestand, ich würde aber so früh wie möglich damit beginnen, aber heutzutage nicht als Buch. Mein erster Versuch in dieser Richtung (Reisefotografie: Richtig Auswählen, Fotografieren und Präsentieren) war ein 22 seitiges DIN A4 Heft nach der Anschaffung einer Canon 5D, so als Ersthilfe nicht nur für die eigenen Kinder 🙂 Danach wurde mein slowfoto.wordpress.com Blog zum Buch mit unendlich vielen Seiten. Weil ich mir nicht (mehr) alles merken kann und will und dennoch in findbarer Erinnerung haben möchte. Ganz einfach, machen ja auch viele Andere zu allen möglichen Themen.

    Alles Gute zum neuen Jahr und immer ausreichend Licht vor der Linse pp

  2. Ich lese alles – und zwar mit Begeisterung – von mjh! Also her mit dem Buch, ich kann es kaum erwarten.
    In diesem Sinne, schreiben und nicht schwätzen, ein gesundes erfolgreiches Restjahr 2016, eRCe

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