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Techtalk: Photokina 2012-Review

Bei der diesjährigen Photokina ließen uns viele Hersteller lange im Unklaren, was es an Innovationen geben würde. Christoph Künne hat die wichtigsten Neuerungen in den unterschiedlichen Segmenten zusammengefasst und kommentiert.

Erwartungsgemäß gab es bei den kleinen Kameras mit Sensoren bis zum Halbformat (APS-C) die meisten Neuigkeiten. Ich möchte mich an dieser Stelle aber nur auf das gehobene Preissegment konzentrieren, weil bei diesen Geräten noch am ehesten eine Bildqualität herauskommt, die genügend Raum für komplexe Nachbearbeitung in Photoshop und Lightroom lässt.
Abgespeckte X-Pro Fuji hat für alle, die Wert auf den Sensor der X-Pro1 und das Objektivsortiment legen, aber nicht für den teuren Hybridsucher zahlen möchten, eine Art „Volksmodell“ namens X-E1 herausgebracht, das ab November für rund 600 Euro weniger zu haben sein wird. Allerdings kostet es dann mit einem Objektiv immer noch so viel wie eine APS-C-DSLR der Oberklasse mit Premium-Linse.
Deckellinse Bei Olympus ist die OM-D immer noch das Maß der Dinge. Neu vorgestellt wurden nur zwei technisch relativ uninteressante Ableger der PEN-Familie. Überraschender war da schon ein Objektiv mit dem Namen „Body Cap Lens“. Die 15-Millimeter Festbrennweite mit fester Blendenöffnung ist so flach, dass man sie glatt als Schutzdeckel nutzen kann. Ein netter Gimmick in der 80-Euro-Liga.
Lunatic In punkto Preis-Leistung-Prestige hat der schwedische Kamerahersteller Hasselblad mit der Ankündigung seiner „Lunar“ den Vogel abgeschossen: Diese EVIL-Kamera setzt beim Gehäuse auf edle Materialien wie Karbon, Titan oder Holz, bietet technisch aber nur Hausmannskost. Drin steckt eine Sony NEX-7. Dafür ist der Preis eine echte Kampfansage an den gesunden Menschenverstand: 5000 Euro soll das gute Stück ab 2013 kosten, fast viermal soviel wie die Sony NEX-7. Außerdem kündigt Hasselblad an, in Zukunft auch Spiegelreflexkameras anbieten zu wollen. Ob in denen dann auch Sony-Technik steckt oder sie – wie Hasselblads Mittelformat-Modelle – bei Fuji gefertigt werden, ist bisher nicht bekannt.
Der Trend geht zu größeren Sensoren, zumindest wenn man das Marktsegment der besser gestellten Amateurfotografen betrachtet. Nachdem Nikon und Canon ihre letzten Upgrades um die 3000 Euro-Marke positioniert hatten, ist nun wieder Luft oberhalb der teuren APS-C-DSLRs.
Die 2000 Euro-Liga In diesem Preisbereich haben beide Hersteller neue DSLR-Bodies mit Vollformatchips vorgestellt, die sich an Aufsteiger aus der APS-C-Klasse richten. Nikons D600 kommt mit 24-Megapixel-Sony-Chip und punktet mit einer ordentlichen Ausstattung. Canons 6D ist etwas günstiger, hat den hauseigenen 20-Megapixel-Chip der 5D Mk III und bietet integriertes GPS sowie WLAN.
Voll & Kompakt Ein weiterer Vollformater kommt von Sony. Mit der SLT99 gibt es nun die erste Kleinbild-System-Kamera ohne optischen Sucher. Dafür löst der stabilisierte Sensor mit 24 Megapixel auf und es lassen sich (in verringerter Auflösung) bis zu 10 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Kostenpunkt: rund 2800 Euro. Im Dezember stellt Sony die RX1 vor, eine Vollformat-Kompaktkamera mit derselben Auflösung, festmontierter 35mm-Linse und einer Lichtstärke von Blende 2, die in Formgebung und Ergonomie ein wenig an die legendäre Ermanox aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erinnert. Inwieweit ihr Markterfolg beschienen sein wird, ist fraglich, denn dieses Juwel dürfte mit rund 3100 Euro Kaufpreis nur für wenige Fotografen interessant sein.
Live-View Revolution Ganz oben, in der Preisklasse der Schönen und Reichen, hat Leica zwei Innovationen angekündigt: Zum einen gibt es nun die alte M9 unter dem neuen Name M-E als abgestecktes Einsteigermodell mit 16-Bit-CCD-Sensor für weniger als 5000 Euro. Die neue, gut 6000 Euro teure M10, heißt – nach Apple-Vorbild – nur noch „M“ und kann daher – zumindest sprachlich – nicht mehr veralten. Sie bietet einen 24-Megapixel CMOS-Sensor, der nun auch in der Traditionsbaureihe mit rein manuellem Fokus einen modernen Live-View ermöglicht. Was als Ankündigung im Jahr 2012 auf den ersten Blick amüsieren könnte, bringt bei der Messsucher-Leica handfeste Vorzüge: Dank dieser Technik wird es möglich, über einen Adapter und einen elektronischen Sucheraufsatz die Leica-Objektive des R-Systems hier weiter zu nutzen, ohne dabei auf den funktional recht eingeschränkten Messsucher angewiesen zu sein. So etwas ähnliches gab es auch schon zu analogen Zeiten: Damals hängte man der M einfach einen Visoflex-Spiegelkasten über, an den dann die langen Brennweiten geschraubt werden konnten.
Vier Anbieter, drei Gehäuse-Neuerungen und doch hat sich im Grunde kaum etwas getan im digitalen Mittelformat. Die Technik der Sensoren ist noch immer auf dem Stand vor vier bis fünf Jahren und die Funktionalität liegt weit abgeschlagen hinter den Möglichkeiten von Kleinbildsystemen zurück. Belohnt wird man in diesem Segment für den Komfortverzicht und Anschaffungspreise, die einen Gang zum Kreditinstitut fast unausweichlich erscheinen lassen, mit fast unendlichen Tonwert-Reserven für Bildbearbeiter. Doch auch hier ist das Kleinbild – spätestens seit Vorstellung der Nikon 800E – fast in Augenhöhe angekommen. Immerhin: Leica, Hasselblad und Phase One bieten zur diesjährigen Photokina überarbeitete Gehäuse an.
Mehr Zuverlässigkeit Phase One hat die in die Jahre gekommene Mamiya 645AF als 645AF+ relauncht und dabei nach eigenen Angaben alle Komponenten überarbeitet, um das System zuverlässiger zu machen. Verfeinert wurde etwa der Autofokus, auch wenn er immer noch ohne visuellen Indikator auskommen muss. Der Kamera-Akku (nicht der des Rückteils!) kann nun angeblich bis zu 10.000 Aufnahmen durchhalten.
Weißer Body Die nächste Hasselblad-Generation wurde in Form des H5D-Gehäuses vorgestellt, das sich auf den ersten Blick nur durch eine neue Farbigkeit (weiß/schwarz) vom Vorgänger unterscheidet. Bei näherem Hinsehen entdeckt man kleinere Veränderungen, die die Arbeit mit dem Gerät vereinfachen sollen: Größere Knöpfe und ein besser ablesbares Display. Technisch haben die Entwickler das True-Focus-System überarbeitet, mit dessen Hilfe eine präzise Fokussierung mit nur einem Schärfemessfeld erleichtert werden soll. Außerdem ist die Kamera wetterfester geworden und ermöglicht nun die parallele Speicherung von Raw- und JPEG-Dateien.
Detailverbesserungen Bei Leica wurde die vor vier Jahren vorgestellte S2, deren Neuauflage jetzt einfach nur noch S heißt, ebenfalls einer gründlichen Revision unterzogen. Herausgekommen sind vielfältige Detailverbesserungen, eine höhere Empfindlichkeit bei gleicher Auflösung, eingebautes GPS, ein leicht verbessertes Rauschverhalten, mehr Pufferspeicher sowie ein „prädikativer“ Autofokus, der die Scharfstellung bewegter Motive erleichtern soll. Fast gleich geblieben ist der Preis: 19.500 Euro für den Body ohne Objektiv. Aber damit ist man im Mittelformat-Markt in guter Gesellschaft.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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