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Praxistest: Sony a7 mit Voigtländer 1.5/50mm

Unter Praxisbedingungen manuell fokussieren? Früher normal, heute ein Abenteuer. Christoph Künne hat sich bei der Packaging-Design-School auf der Viscom in der Kunst des händischen Scharfstellens geübt und erstaunliche Erfahrungen gemacht.

Wenn man als Magazin für Bildermacher auf einer Messe ausstellt, gehört es zum guten Ton, Fotos vom Stand und von den Besuchern zu machen. Sollen diese Fotos mehr als dokumentarische Qualitäten haben, nimmt man eine „anständige“ Kamera mit. Doch hochwertige Ausrüstung ist teuer, man trägt sie also die ganze Zeit mit sich herum. Ein lichtstarkes Objektiv, ein DSLR-Body, zwei Akkus und der dazugehörige Batteriegriff bringen zusammen auch einiges auf die Waage. Und so stellen sich spätestens nach dem zweiten Tag schmerzhafte Folgen ein, wenn im Vorfeld die Zeit für ein vorbereitendes Hanteltrining gefehlt hat.
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Eine Frage des Formats
Aus diesem Grund kam ich vor der diesjährigen Viscom auf die Idee, nach einer Alternative für meine übliche Zwei-Kilo-Canon-Vollfomat-Lösung zu suchen. Möglichst eine ohne ernsthafte Abstriche bei der Bildqualität. Ich kaufte eine kleine Sony Alpha 7 mit einer adaptierten Voigtländer-Optik, die eigentlich für den Einsatz an Leicas der M-Baureihe gedacht ist. Das Sensor-Format bleibt gleich, die Lichtstärke auch. Nur Gewicht und Größe halbieren sich in etwa, der Anschaffungspreis interessanterweise ebenfalls.
Scharfstellen – aber wie?
Das einzige Manko der Konstallation: Man muss manuell scharfstellen, denn Objektive für die Leica M gibt es nicht mit Autofokus, da diese klassische Kamera auch im digitalen Zeitalter ohne solche Neuerungen auskommen muss.
DOCMA-DSC00495fehlfokusWer allerdings schon einmal versucht hat, mit einer DSLR ohne Autofokus zu arbeiten, weiß um die hohe Ausschussquote, wenn man sich nur auf die Einschätzung verlässt, die der optische Sucher liefert. Das gilt besondes für den Einsatz lichtstarker Objektive bei Offenblende. Canon-Besitzer sind hier noch etwas stärker im Nachteil als Nikon-User.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir scharfe Bilder mit meinen Canon-DSLRs nur dann gelingen, wenn ich die Kamera auf ein Stativ montiere, dem Motiv das Atmen verbiete und die Fokussierung mithilfe des rückwärtigen Displays vornehme – am besten mit einer Sucherlupe.
Das ist sicher ein gangbarer Weg, wenn man Zeit hat, aber bestimt nichts für den eher dynamischen Einsatz auf einer Messe.
Die Sony besitzt keinen optischen Sucher und man kann sich die Schärfe als farbige Hervorhebung der Motivkanten im elektronischen Sucher anzeigen lassen. Ich hatte mit einem A7-System vor der Entscheidung bereits einen Tag lang experimentiert und den Eindruck gewonnen, ich könnte den Schritt zurück in die Welt der manuellen Schärfe riskieren.
Zur Sicherheit stellte ich bei der Kamera den schwarzweißen Effektmodus ein (die native Farbigkeit des Sensors macht nach meinem Geschmack ohnehin eine Nachbearbeitung des RAW nötig) und ließ mir die Schärfekonturen in leuchtendem Rot anzeigen.
Dann hieß es üben, üben, üben. Bis Kamera und Objektiv geliefert waren, blieb mir noch ein halber Tag und ein langer Abend bei einem Freund, der über eine große Sammlung von Leica-M-Objektiven verfügt.
In gewisser Weise waren die Ergebnisse der ersten Trockenübungen ernüchternd: Im hellen Licht und abgeblendet klappt die Scharfstellung recht gut – doch das ist meist auch bei den DSLRs der Fall. Problematisch wird die Arbeit mit weit geöffneter Blende und/oder in dunkler Umgebung, wenn die Kontrastkanten nicht so klar hervortreten wie es die Kantenerkennung gerne hätte. Das 50-Millimeter-Voigtländer hat einer Ausgangsöffnung von Blende 1.5. Selbst wenn die Sony im Sucher den Eindruck vermittelt, die Schärfe sei dort wo sie hingehört, zeigte sich später auf den Bildern, dass sie meist etwas weiter vorne oder hinten lag. Abhilfe schafft nur die formatfüllende Einblendung eines Auschnitts zur Feinjustage der Schärfe.
Schärfe auf den Punkt gebracht – allerdings dauert das ein paar Sekunden länger. Dafür kann man mit dem Schärfespiel die Bildaussage untermalen.
Auch vor und nach der eigentlichen Messe leistet die a7 mit dem Nokton gute Dienste: Das Rauschverhalten bleibt erstaunlich moderat – selbst bei 12.800 ISO. Dafür hat das Objektiv deutliche Defizite in Sachen chromatische Aberrationen. Da es bisher – wie alle Voigtländer-Objektive – nicht von Photoshops und Lightrooms Raw-Engine bei der Beseitigung der Objektivfehler unterstützt wird, sollte man sich zumindest ein Entwicklungs-Preset mit Aberrations-Korrekturen anlegen.
Schnelligkeit
Mit dem zweifachen Tastendruck zum Einzoomen für die Scharfstellung verliert man weitere wertvolle Sekunden. Allerdings – so hat sich während des späteren Einsatzes auf der Messe gezeigt – ist dieses erzwungene Innehalten für die Bild-Ergebnisse nicht unbedingt von Nachteil. Als Belohnung für die sekundenlange Zusatz-Konzentration gibt es eine präzise Schärfe und manchmal damit einhergend eine bewußtere Bildgestaltung. Selbst bei Porträts lassen sich die negativen Auswirkungen des verlangsamten Arbeitens oft in bessere Bilder ummünzen, weil auch die Porträtierten der Aufnahme durch die Verzögerung mehr Aufmerksamkeit schenken. Dennoch darf man eins nicht unterschlagen: Viele Schnellschüsse fallen mit einer solchen Kamera-Objektiv-Kombination schlichtweg unter den Tisch.
Bleibt zu hoffen, dass sich mit zunehmender Übung auch die eigene Scharfstell-Geschwindigkeit merklich erhöht. Manche Fokus-Konvertiten haben dem Autofokus gänzlich abgeschworen, weil sie behaupten, sie könnten manuell schneller oder zumindest präziser scharfstellen. Für mich macht es zur Zeit keinen Unterschied, denn meine Autofokus-Canon-Objektive sind an die Sony via Metabones-Adapter angeschlossen. Sie sind nicht nur unhandlich, sondern auch beim automatischen Fokussieren unendlich träge.
Qualität
Was die Qualität des hier genutzen Voigtländer Nokton f1.5 50mm-Objektivs betrifft, hat mich erstaunt, wie wenig Objektiv nötig ist, um eine solche Abbildungsqualität zu erzeugen. Die Schärfe ist brillant, das Bokeh angenehm weich und ohne übertriebenes Eigenleben. Die Verarbeitung hinterlässt einen sehr wertigen Eindruck und mit dem passenden Voigtländer Sony E-Mount-Adapter kann man die angegebene Naheinstellgrenze zudem fast noch einmal halbieren. Auch im Vergleich zu den drei verprobten 50mm-Leica-Objektiven der oben erwähnten Privatsammlung habe ich keine Unterschiede ausmachen können, die die Leica-typische Zusatzausgabe gerechtfertigt hätten. Aber ich habe natürlich nur einige Bild-Beispiele angeschaut – und nichts ausgemessen.
Für Business-Porträts, Gruppenaufnahmen und dynamische Reportagemotive erweist sich das Objektiv als höchst geeignet.
Fazit
Auch wenn ich bisher nicht zu der Einsicht gelangt bin, auf einen Autofokus gänzlich verzichten zu können, hat mir die Sony einen Weg gezeigt, wieder sicher mit eigenem Auge scharfzustellen. Dieser technische Rückschritt könnte sich allerdings für mich zu einem Fortschritt in Sachen Altglas-Experimentierfreudigkeit auswachsen. Mal sehen, ob die Begeisterung über die Einstiegsphase hinaus anhält.
Interessant waren übrigens auch die begeisterten Reaktionen vieler Standbesucher, die mich zunächst fragten, ob ich analog fotografieren würde, und sich dann von der Kombination aus Handlichkeit und Bildergebnis begeistern ließen.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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