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Kein Spielkram bitte, wir sind Profis!

Professionelle Fotografie ist ein todernstes Geschäft. Deshalb müssen Kameras für Profis stets schwarz sein. Sie dürfen auch kein bewegliches Display haben – nicht dass man noch etwas so Unseriöses wie ein Selfie damit fotografiert. Aber warum ist das so?

Wirklich logisch ist das nämlich nicht. Wenn Schwarz bei Kameras so professionell wirkt, warum sind die dazugehörigen Objektive dann oft weiß? Mittelklassemodelle lassen manchmal die Wahl zwischen Schwarz und Silber und im Einsteigersegment bieten die Hersteller auch mal Kameras in Weiß oder allen Farben des Regenbogens an. Für die Spitzenmodelle dagegen ist Schwarz Pflicht.

Die Bevorzugung einer Gehäusefarbe wird gerne rationalisiert: Schwarz sei unauffälliger, Silber wirkt weniger einschüchternd und verhindert, dass sich die Kamera im prallen Sonnenlicht aufheizt … und so weiter. Letztlich ist es aber Geschmackssache. Ich habe immer schon die silbernen Versionen bevorzugt, warum auch immer.

Das Display der Fuji X-T2 lässt sich in drei Richtungen kippen.
Das Display der Fuji X-T2 lässt sich in drei Richtungen kippen.

Auch Fujis jüngst vorgestellte X-T2 gibt es nur in Schwarz, ebenso wie Fujis zweites Topmodell X-Pro2. Die darunter positionierten X-T10 und X-E2s sind auch mit silberner Oberschale zu haben und das Einsteigermodell X-A2 sogar in Weiß. Ob sich Fuji doch noch zu einer helleren Version der X-T2 durchringen kann (das Vorgängermodell X-T1 war später durch eine graphitfarbene Variante zu einem höheren Preis ergänzt worden), ist derzeit noch nicht klar. Schade eigentlich.

Immerhin bringt die X-T2 ein Ausstattungsdetail mit, das man bei den Spitzenmodellen oft vergeblich sucht: ein bewegliches Display. Mittelklassemodelle sind oft so ausgestattet, die Oberklasse jedoch nur selten. Die Nikon D5 hat ein fest eingebautes Display, während das der D500 beweglich ist. Die Displays von Canons Topmodellen EOS-1D X Mark II und 5Ds sind in das Gehäuse eingelassen, die der EOS 80D und 7D Mark II dagegen um zwei Achsen beweglich. So strikt sind allerdings nur die Marktführer. Sony gönnt den Alpha-7-Modellen ein bewegliches Display, aber schließlich wird Sony ja auch von manchen Fotografen noch immer nicht als seriöser Kamerahersteller akzeptiert. Ricoh hat für das Vollformatmodell Pentax K-1 ein vielfältig kippbares Display konstruiert und die Pentax 645Z ist sogar die einzige Mittelformatkamera mit beweglichem Display. Auch Olympus ist dem Konzept beweglicher Displays gegenüber aufgeschlossen.

Im Gegensatz zur reinen Geschmackssache der Gehäusefarbe ist ein bewegliches Display eminent praktisch. Wenn man die Kamera aus einer besonders hohen oder niedrigen Position aus einsetzt, kann ein solches Display die Bildkontrolle deutlich verbessern. Bei Spiegelreflexkameras war das früher noch kein Thema, da man ja durchweg mit dem Auge am Sucherokular fotografierte. Eine Live-View-Option gehört nun aber schon seit Jahren auch bei SLRs zum selbstverständlichen Standard, und so sollte der Einsatz des Displays als Sucherersatz bestmöglich unterstützt werden. Und wenn man das Display auch nach vorne schwenken kann und damit Selfies unter Sichtkontrolle aufgenommen werden können – warum denn nicht? Gönnen wir doch den Profis den unschuldigen Spaß, auch wenn ihre Kamera eigentlich für den Broterwerb konstruiert ist.

Michael J. Hußmann
Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Ich hab mal gelesen, das die schwarzen Gehäuse von Profi-Kameras, auf Henri Cartier-Bresson zurückgehen sollen.
    Er soll damals die hellen Teile seiner Leicas abgeklebt haben, um nicht beim fotografieren aufzufallen.

    Ob das jetzt der wahre Grund ist, weshalb die Kameraindustrie ihre Topmodelle in Schwarz liefert, mag dahingestellt sein.
    Nichtsdestotrotz gefällt mir die Geschichte und klingt für mich zumindest plausibel…;-).

  2. Bei Fotografie im Werbestudio will man vermeiden, dass sich die Kameras oder Lampen und Stative in den Produkten spiegeln. Daher ist (mattes) Schwarz ideal. Bei Reproduktionen von Bildern hinter Glas musste ich sogar den weissen Herstellernamen auf dem schwarzen Kameragehäuse abkleben, weil er sich im Motiv spiegelte.
    Für Berufsfotografen sind schwarze Kameras also sinnvoll;
    bei Amateurkameras ist es wohl eher, weil´s „professionell“ aussieht (worauf vor allem Männer stehen. Weibliche Käufer bevorzugen Kameras in schicken Farben…)

  3. Sie sprechen mir aus der Seele. Lange hatte ich gehofft, die X-T2 käme auch mit einer silbernen Version auf den Markt, so wie die X-T10. Dann wäre sie für mich perfekt. Auch ich liebe diese silbernen Varianten mehr.
    Bzgl. des beweglichen Displays habe ich noch nie eine digitale Kompakt- oder Systemkamera ohne dieses Ausstattungsmerkmal gekauft. Die Vorzüge habe ich schnell lieben gelernt. Das Märchen von der „Sollbruchstelle“ habe ich in bisher 13 Jahren noch nicht erlebt. Diese Diskussion gab/gibt es aber auch schon zum eingebauten Blitz im Kameras ;-). Was viele wohl vergessen … man muss es ja nicht nutzen.

  4. Zumindest was die Klappdisplays kann ich mir vorstellen, dass bei vielen Profi.Modellen darauf verzichtet wird, da diese Kamera z.t. in extremen Gebieten eingesetzt werden, extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt sind, und deshalb auch robust und zuverlässig sein müssen. Da braucht man kein Klappdisplay was einem evtl Abbricht, wenn man wogegen drankommt und somit die Kamera unbrauchbar wird. Jede Spielerei an einer Kamera ist auch eine Spielerei die kaputtgehen kann, was für jeden Profi im Einsatz auch zusätzliche Risiken mitbringt. Die Farbe mag im Studio ausschlaggebend sein, in der Wildnis arbeiten Fotografen eh mit Abdeck-Covers oder unter Tarn-Hauben und Zelten.

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