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Beauty-Retusche: Die Referenz. ;-) Bild: Olaf Giermann
Beauty-Retusche: Die Referenz. 😉 Bild: Olaf Giermann

In einem Forum stellte mir vor kurzem jemand die Frage, ob die Frequenztrennung in der Beauty-Retusche überhaupt eine Berechtigung hätte. Der Hintergrund ist, dass dieser Retusche-„Trick“ bei einigen Retuscheuren verpönt ist und nur in Ausnahmefällen eingesetzt wird. In diesen Kreisen gilt die Frequenztrennung fast als Garant für schlechte Bilder. Dafür wird stundenlanges Micro-Dodge & Burn für die Hautretusche (siehe DOCMA 58 ab Seite 44, die vier Anwendungsarten von Dodge & Burn) als das Nonplusultra dargestellt.


Wie ich das sehe


Frequenztrennung, Nachbelichter, Abwedler usw. sind alles nur Werkzeuge, wie etwa ein Hammer. Ein Bildhauer kann mit Hammer und Meißel nach Jahren der Übung aus einem Marmorblock wunderbare Kunstwerke erschaffen. Er weiß nicht nur, wie er den Meißel anzusetzen hat, sondern auch wo und mit wieviel Kraft er dann mit dem Hammer zuschlägt. Seine Handwerkskunst ist dabei das eine, seine Vorstellungskraft und sein Gespür für das finale Werk das andere. Fehlt eins von beiden, kommt am Ende nur das heraus, was wirklich jeder Depp mit Hammer und Meißel kann: ein kleingeklopfter Marmorbrösel-Haufen.

So ist das auch in der Bildbearbeitung. Wer seine Bilder mit der Frequenztrennung zerstört, weil er kein Gespür für das Bild hat, der wird auch mit aufwendigem Dodge & Burn bei Zoomstufe 400 % nichts Besseres hinbekommen – aber er wird deutlich mehr Zeit für das gleiche hässliche Retuscheergebnis verschwendet haben. Das muss dann ja auch nicht sein, oder?


Gespür ist wichtiger als das Werkzeug


Auch im Highend-Bereich kann man sich bei bestimmten Problemen die Arbeit mit der Frequenztrennung erleichtern. Natürlich wiederum mit viel Gefühl für Details und für das Gesamtbild. Dieses Gespür ist das Wichtige und nicht die Technik.

Na klar, wenn ein Highend-Retuscheur dann sieht, wie jemand in einem Youtube-Video eine Frequenztrennung oder die Technik mit dem invertierten Hochpass (mehr zu beiden Techniken in DOCMA 65, ab Seite 18) zeigt und dann pauschal mal eben das gesamte Gesicht glatt bügelt, dann kann der natürlich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, was dieser Quatsch soll. Ist die Frequenztrennung nun am Ergebnis schuld? Nein.

Deshalb sollte das für jeden Fotografen/Bildbearbeiter nach dem Erlernen der Grundlagen von Software und Bildbearbeitung das Arbeiten an der eigenen Bildwahrnehmung im Vordergrund stehen. Schauen Sie, wie Ihre Vorbilder vorgehen, worauf diese bei der Bildbearbeitung achten. Fragen Sie nicht nach Trick 17, der mit nur einem Klick aus Ihren Bildern Kunstwerke zaubert.


K.I.S.S. & Learn


Und hinterfragen Sie genauso, wie sinnvoll das Gezeigte ist, wenn Ihnen tatsächlich jemand einen Kunstwerk-per-Klick-Trick verkaufen will. Hilft es Ihnen, Ihre eigene Vorstellungen zu verwirklichen und dabei Zeit zu sparen? Gut. Wenn nicht, dann suchen Sie weiter und vielleicht sind Sie ja eines Tages willens, mehrere Stunden allein in die manuelle Hautretusche eines Porträts zu investieren. Das ist alles nur eine Frage des Anspruchs, der Zeit, des Budgets … Aber die eine Technik, die alle – vom Anfänger, über den ambitionierten Hobbyisten bis zum Profi glücklich macht – gibt es nicht.

Mein persönlicher Wegweiser ist hier das K.I.S.S.-Prinzip (meine Lieblingsvariante: „Keep it simple and smart“). Halten Sie die Techniken so einfach wie möglich und setzen Sie sie klug ein. Bekommen Sie einen bestimmten Bildeffekt beispielsweise mit nur einer Gradationskurven-Ebene hin, warum sollten Sie dann mehrere verschiedene Einstellungsebenen-Arten dafür einsetzen? Dafür gibt es zwar manchmal sehr gute Gründe, aber das soll hier nur einmal ein Beispiel für K.I.S.S. sein.

Lernen, lesen, verstehen, hinterfragen … das ist es, was wir Ihnen in DOCMA vorrangig vermitteln möchten. Auf lange Sicht haben Sie davon am meisten. Und haben Sie eine Sache richtig verstanden, können Sie die auch mit jeder beliebigen Software umsetzen – während der Trick-Nachklicker schon für jede neue Photoshop-Version ein neues Tutorial braucht.

Aber für die Ungeduldigen gibt es auch in jedem Heft Dutzende Trick-17-Tipps. So isses ja nicht. 😉

In diesem Sinne,

Ihr

Olaf Giermann
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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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