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Kartoffel-Foto für 1 Million – ist das Fotokunst?

Fotokunst
Fotokunst? Dieses Foto wurde angeblich für 1 Million Dollar an einen Sammler verkauft. Wahn oder Wirklichkeit?

Eine Kartoffel vor schwarzem Hintergrund für eine Million Dollar, ein Lichteinfall im Antelope Canyon in Arizona für 6,5 Millionen. Was passiert da gerade am „Kunstmarkt“? Fakt ist: Fotokunst wird inzwischen hoch gehandelt, das zeigt zum Beispiel diese Liste mit den zwanzig teuersten Fotografien. Aber wie kommen solche Preise zustande?

Auf der Liste der zwanzig teuersten Fotos kennt man (als normaler Zeitungsleser, der den Feuilleton-Teil nicht überblättert) die Namen von Andreas Gursky, Cindy Sherman, Jeff Wall, Edward Steichen, Alfred Stieglitz, Man Ray, Edward Weston, Richard Avedon, Robert Mapplethorpe, Ansel Adams, Eugène Atget oder Richard Prince – und somit fast alle, die dort vertreten sind. Auch hat man als Fotografie-Begeisterter von den meisten dieser Fotografen das eine oder andere Bild vor Augen oder kann die Künstler zumindest einer Zeit oder einer Richtung zuordnen.

Aber wer bitte sind Peter Lik oder Kevin Abosch? Super-talentierte Newcommer, die mit ihren irrwitzig abgefahreren Arbeiten, Neues schaffen, ihre Zeit reflektieren und den Kunstmarkt bezaubern? Motive, wie etwas, das von Peter Lik, dem jetzt angeblich teuersten Fotografen der Welt, gibt es seit Jahren in Massen in Natur­fotografen-Communities. Die Abosch-Kartoffel ist als Thema nicht so verbreitet, aber originell ist sicherlich auch etwas anderes.

Fotokunst
Peter Liks Antilope Canyon – angeblich verkauft für 6,5 Millionen Dollar.

Manchmal hilft ja ein Blick auf die künstlerische Vita, um den Wert von Arbeiten zu erklären. Wie sieht die also bei den beiden erfolgreichen Künstlern aus? Nach einer Kurzrecherche auf ihren Webseiten und in der Wikipedia folgendermaßen:

Der 1959 geborene Australier Lik macht Natur- sowie Landschaftsfotos und legt besonderen Wert auf die dabei verwendete Technik (analog: Linhof mit Fuji-Film – digital: Phase One). Vor seiner Tätigkeit als Fotokünstler war er (Selbst-)Verleger und ­Wetter-Kanal-Moderator. Zudem betreibt er eine Reihe von Social-Media-Accounts und gibt sich in seinen Videos gerne als Indiana-Jones mit Kamera. Kevin Abosch ist ein irischer „visueller Künstler“ scheint etwas bodenständiger und arbeitet als Porträtfotograf. Er hat einige bekannte Schauspieler und Musiker für internationale Magazine fotografiert. Immerhin ist er im Gegensatz zu Lik schon „museal“. Die  „National Gallery of Ireland“ hat drei Bilder von ihm gekauft, die Bob Geldof, Olwen Fouéré and Brian O’Driscoll (auch alles Iren) zeigen.

Bisher waren die Voraussetzungen, um im Fotokunstmarkt solche Erfolge zu feiern anders. In aller Regel bleibt dieser Marktbereich relativ hermetisch abgeschlossen und lässt sich ganz grob in drei Kategorien unterteilen:


Fotokunst: Klassische Künstler


Da gibt es zunächst die historischen, klassischen Fotokünstler. Sie sind meist schon viele Jahrzehnte tot und haben in ihrer Epoche entweder technisch Großartiges vollbracht, wie Louis Daguerre, oder etwas, das von der Sammlerwelt als fotografisch bedeutend erachtet wird, wie etwa Alfred Stieglitz. Ihre Werke sind rare, auratische Originale, deren Wert vor allem dadurch steigt, dass die Künstler nichts Neues mehr produzieren können.


Fotokunst: Zeitgenössische Künstler


Neben den historischen Künstlern gibt es die zeitgenössischen. Sie sind entweder noch am Leben oder waren es bis vor relativ kurzer Zeit. Ihren Wert macht nicht unbedingt die fotofgrafisch-technische Qualität ihrer Bilder aus, sondern die Positionen, die sie damit im Kunstdiskurs vertreten. Anders ausgedrückt: Die Kunstwelt hat ganz eigene, für den Außenseiter undurchschaubare Spielregeln. Insider sind nur die, die dank einer entsprechenden Ausbildung – wie ein Studium der freien Kunst – dazugehören. Ein Beispiel wäre oben genannter Andreas Gursky, der an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd ­Becher Meisterschüler war.

Da diese Kunstwelt ein Eigenleben führt, das an die Trennung von Real-Wirtschaft und Finanzwirtschaft erinnert, sind ihre Protagonisten meist nur dem sogenannten „Kunstfeld“ bekannt. Die Arbeiten werden innerhalb dieses Feldes sowohl diskutiert als auch bewertet und dann meist von institutionellen Kunstanlegern gekauft, die damit spekulieren.


Fotokunst: Prominente Künstler


Der gebildete Zentraleuropäer, bevorzugt der Deutsche, unterscheidet bei künstlerischen und kulturellen Fragen gerne zwischen einer ernsten und einer unterhaltenden Form. Zur E-Kultur, also der ernsthaften, zählen die zeitgenössischen Künstler, sofern sie vom Kunstfeld anerkannt sind. Zur U-Kultur, der unterhaltenden, rechnet man vornehmlich solche Künstler, die ihrer Prominenz wegen hoch gehandelt werden. Sie müssen keine bestimmte Ausbildung genossen haben und auch keinen avantgardistischen Künstler-Zirkeln angehören. Meist zeichnet ihre Werke einfach nur eine hohe Kreativität aus. Hierzulande werden sie seltener mit den eher akademischen Maßstäben der Kunstwelt gemessen. In Amerika und damit im internationalen Geschäft ist das anders. Dort ist jeder Künstler ein ernsthafter, Hauptsache, er kann seine künstlerischen Qualitäten anhand seiner Bekanntheit und/oder seines kommerziellen Erfolges vermitteln. Promi-Fotokünstler kommen, wie David Lachapelle oder Helmut Newton, oft aus der Werbefotografie und haben sich durch geschicktes Marketing zusätzlich einen Platz in der Welt der Galerien und der ­Museen erobert.


Preisbildung


Für die Original-Prints der Promis zahlt man – ebenso wie für die der meisten der klassischen Fotografen – tausende, vielleicht zehntausende, aber selten hunderttausende Euro. Der Markt orientiert sich vornehmlich an gutbetuchten Privatsammlern, die, vom Herzblut oder von der Verehrung getrieben, ein Original ihrer Idole besitzen möchten. In der preislichen Premium-Klasse spielen dagegen die angesagten zeitgenössischen Fotokünstler wie Andreas Gursky, Cindy Sherman, Jeff Wall oder Richard Prince. Beim Kauf solcher Bilder geht es zumeist nicht um die Liebe zum Foto, sondern um die zum Geld, das Kunstmarkt-Spezialisten in der Hoffnung auf explosionsartige Wertsteigerungen mit solchen Arbeiten zu verdienen hoffen.

Kommen wir zurück zu Peter Lik und Kevin Abosch. Es ­irritiert die Kunstwelt, dass diese Nobodys solch gewöhnliche Bilder für so hohe Summen verkauft haben wollen. Lik ist zudem schon einmal ein solcher Coup gelungen, als er 2010 ein einzelnes Foto für eine Million Dollar an den Mann bringen konnte. Die Kunstszene ist sich fast einig: Das Ganze stinkt förmlich nach PR-Gags. Schließlich handelte es sich um Privatverkäufe, nicht um öffentliche Auktionen. Auch blieben die Käufer anonym. Vielleicht haben die beiden ja reiche Fans, die so viel Geld für eins ihrer Fotos ausgeben und sie nebenbei über Nacht zu den teuersten Fotografen der Welt machen. Manche Menschen haben ja bekanntlich viel mehr Geld als Verstand. Vielleicht sind die Storys von Peter Lik und Kevin Abosch aber auch einfach nur zu schön, um wahr zu sein. Munter bleiben!

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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8 Kommentare

  1. Lieber Herr Künne,

    ja, das ist es ganz bestimmt. Denn Kunst ist das Resultat eines kreativen Prozesses, der schon im Kopf los geht und nicht erst bei der Postproduktion beginnt.

    Dieses Foto ist ein Unikat in der Lügenwelt der digitalen Vergewaltigung von Bildern. Ehrlicher und geradliniger als fast jede Werbung heutzutage.

    Ohne für mich sichtbare Retusche, anderem ablenkenden und überflüssigem Beiwerk, oder gar Verfälschung mit digitalen Tricks. Beleuchtet von oben, wie es unseren natürlichen Sehgewohnheiten entspricht, mit wunderbar fein dosiertem Gegenlicht, zeigt das Bild nicht mehr oder weniger als: „Kartoffel“. Herrlich, ein Foto auf den Punkt gebracht.

    Ich möchte sie in die Hand nehmen, möchte die Erde an ihr riechen und mit meinem Finger über die raue Oberfläche streichen. Nichts, aber auch gar nichts lenkt ab. Eine Information! Fotografie pur, so wie ich sie mag.

    Ob das Geschäft so stattgefunden hat, oder ob es ein PR-Gag ist, hat mit dem Foto an sich nichts zu tun. Stellen Sie das ruhig in Zweifel. Aber bitte nicht in einem Blog für Bildbearbeitung. Stattdessen hätte es mich begeistert, wenn Sie an diesem Beispiel einmal deutlich gemacht hätten, dass Fotokunst auch ohne – oder mit wenig gezielter – Retusche auskommt. Noch mehr! Das sie Bildern, die digital verändert werden oft weit überlegen ist. Weil sich der Fotograf schon im Vorfeld Gedanken gemacht hat, wie er das Objekt optimal in Szene setzt, um ganz ohne verfremdende Eingriffe ein außergewöhnliches Ergebnis zu erzielen.

    Freundliche Grüße
    Reinhard Leps
    Wilhelmshaven

  2. Ganz ehrlich, ich denke nicht, dass das Fotokunst ist… aber in der Kunst gibt es so viele verschiedene Geschmäcker, dass es mich nicht ganz wundert, dass so ein Bild eine Million Euro wert ist.

  3. „Stellen Sie das ruhig in Zweifel. Aber bitte nicht in einem Blog für Bildbearbeitung.“
    Doch doch, ruhig so machen! Natürlich gehört auch das zur Beobachtung der Sezne, auch der fotografischen Szene. und nicht nur der Bildbearbeiter.

    BTW: Nee, mit Kunst hat das für mich (!) auch beides nix zu tun.

  4. Nach einem Blick zur Sicherheit, ob das Posing vielleicht am 1. April erfolgte, bleibt ungläubiges Staunen: Antilope Canyon ist zwar spektakulär, aber keine besondere Herausfordeung. Soweit ich mich erinnern kann, hatte der Fotograf „Glück“ als ein Sandsturm den Canyon ins richtige, atmosphärische Licht setzte.
    Aber eie Kartoffel als Objekt sammlerischer Begierde? Nie! Ein ähnliches Foto habe ich einst selbst gemacht, Schwierigkeitsgrad: mittel. Plastischer 3D Effekt – nur leider keine Million wert 😉

  5. Wie sagte Karl Valentin so treffend: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!“
    Drum ist es doch ein Labsal, dass es neben den Kunstbanausen wie diesen unmöglichen Raumpflegerinnen, die Kunstobjekte, die für sie im Verdacht des Sperrmülls stehen oder gar Stühle verunreinigen, flugs entsorgen.
    Es gibt sie also noch, die Lichtgestalten der Kunstversteher, die für das Abbild einer trefflich ins Bild gesetzten Erdknolle die würdige Millionensumme auf den Tresen blättern oder ein unscharfes AntilopeCanyon-Meisterwerk für gleich mehrere Mio zu würdigen wissen…
    Ich erinnere mich an eine Ausstellung in Köln, wo ein Fernsehteam das bunte Gekritzel eines Pavians in edle Rahmen baute und am Eingang die kundigen Kunstsachverständigen (erkennbar am roten Schal, leger um die Schulter geworfen) fragte, was sie von diesem neuen, brasilianischen Maler hielten. Die Antworten waren auch Kunst. Und wirklich zum Brüllen komisch.
    Ich liebe Karl Valentin.

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